Dunbabin, Jean, Captivity
Dunbabin, Jean, Captivity and Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300 (= Medieval Culture and Society). Palgrave Macmillan, Basingstoke 2002. 207 S.
Dieser knappe und informative Band ist den verschiedenen Formen der Haft und Gefangenschaft gewidmet, die als Kriegsgefangenschaft und Geiselnahme wie auch als Zwangshaft, Untersuchungshaft und der Inhaftierung im Strafvollzug von der Spätantike bis zum frühen 14. Jahrhundert in Erscheinung traten. Dabei wird der geographische Rahmen der Untersuchung sehr weit gespannt; einbezogen werden Nordeuropa und Westeuropa wie auch der Mittelmeerraum. Weitgehend ausgespart wird dagegen das englische Königreich, da hier bereits eine detaillierte Studie zum Thema vorliegt (R. Pugh, Imprisonment in Medieval England, 1968). Ausgehend von einem voll entwickelten System von Haftanstalten in den Verwaltungszentren der Spätantike zeigt die Verfasserin den Fortbestand wenigstens des Konzepts einer an die Administration gebundenen Einrichtung bis in das Frühmittelalter. Das Ende des Frankenreiches überlebten diese Strukturen jedoch nicht. In der Folge werden langfristige Entwicklungen plausibel dargestellt, so die Bedeutung neuer Formen des Burgenbaus im 11. Jahrhundert für die Strafjustiz, da seit dieser Zeit wieder steinerne Kerker verfügbar gewesen seien. Angesprochen werden Fragen der Jurisdiktion wie auch praktische Probleme der täglichen Verwaltung, die Beziehungen zwischen Haftbedingungen und dem sozialen Status der Inhaftierten aber auch der Art der Anklage, die Zwangshaft etwa von Schuldnern aber auch die der Kardinäle im Konklave, die Einführung der Strafhaft als Disziplinarmaßnahme für Kleriker und deren allmähliche Übernahme in weltliches Recht. Den Abschluß des Bandes bildet ein Kapitel mit Reflektionen zum Thema in einigen Rechtstraktaten wie auch in der zeitgenössischen Literatur. Obwohl eine Vielzahl verschiedener Quellen herangezogen wurde, war eine vollständige und gleichmäßige Berücksichtigung des weit gefaßten geographischen Raumes nicht möglich. Die Beispiele stammen überwiegend aus französischen Quellen, die als eigenständige politische Einheiten vorgestellten mittelalterlichen Staaten Deutschland und Österreich (S. 5) werden nur am Rande berücksichtigt. Da auf dem nur sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Raum nur eine „minor study” (S. 17) geleistet werden konnte, sind bibliographische Angaben auf ein Minimum reduziert worden. So erfolgt etwa der allgemeine Hinweis auf neuere Forschungen zum Rittertum ohne die vom Leser erwarteten Literaturhinweise (S. 88). An Berichtigungen sei angeführt, daß Richard von Cornwall nicht zum Kaiser gekrönt wurde (S. 106). Auch kann der Name „Stinche” des öffentlichen Gefängnisses von Florenz nicht die Quelle für die englischen und deutschen Verben „stink” und „stinken” sein (S. 121), da diese auf ältere Wurzeln (z. B. altenglisch „stincan”) zurückgehen. Es ist das Verdienst der Verfasserin auf ein Thema aufmerksam gemacht zu haben, dessen systematische Erforschung lohnenswert wäre.
Birmingham Jens Röhrkasten