Ebert, Ina, Pönale Elemente
Ebert, Ina, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht. Von der Renaissance der Privatstrafe im deutschen Recht (= Jus Privatum 86). Mohr (Siebeck), Tübingen 2004. XX, 664 S.
In einer Einleitung schildert die Verfasserin die Zurückdrängung pönaler Elemente aus dem Privatrecht sowie die Regelungen, in welchen man dennoch privatrechtliche Strafen im geltenden Recht sehen oder wenigstens vermuten kann. Dabei wird bereits ihre Meinung deutlich, daß Privatstrafen im Privatrecht vorhanden sind und auch dahin gehören. Leider definiert die Verfasserin den Begriff des Pönalen nicht, man kann aus Ausführungen nur erahnen, daß damit u. a. Zahlungsverpflichtungen gemeint sind, die über den materiellen Schaden, wie wir ihn heute ermitteln, hinausgehen. Die anschließende Arbeit besteht aus zwei Teilen: Im ersten, rechtshistorischen Teil (B, S. 13-245) behandelt die Verfasserin die Geschichte der Privatstrafe im deutschen Recht bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch, in einem zweiten, dogmatischen Teil (C, S. 247-566) behandelt sie die Privatstrafe unter dem BGB.
Im rechtshistorischen Teil untersucht die Verfasserin die einzelnen deutschen Rechtsordnungen, in welchen sich der Gedanke der Strafe im Privatrecht findet. Da bekanntlich das germanische Schadensersatzrecht vom Strafprozeß ausgeht und da auch das rezipierte römische Recht vielerlei Privatstrafen kannte, gibt es hier viel zu berichten. Zunächst behandelt die Verfasserin in Kapitel I „das deutsche Recht bis zur Rezeption“, S. 13-49. Sie schildert in einem ersten Abschnitt die Dominanz der Strafe im mittelalterlichen deutschen Recht, wobei man freilich nicht von Privatrecht sprechen kann; das deutsche Recht geht vom Strafrecht aus. Sie erörtert hierbei die Fehde und die Buße, die an den Geschädigten und an den Gerichtsherrn zu zahlen war, leider immer nur anhand der Sekundärliteratur. Sie kommt in gleicher Weise zum Prozeßrecht mit Handhaftverfahren und Anefangklage und wendet sich dann im zweiten Abschnitt der „Entstehung des modernen Strafrechts“ zu; besser wäre es wohl, vom mittelalterlichen Strafrecht zu sprechen. Sie schildert sehr kurz die Zurückdrängung der Privatstrafen im Strafverfahren und den Einfluß des kanonischen Rechts, das im Gegensatz zum germanischen Recht die Bedeutung des Verschuldens betonte. Wegen der Zahlungsunfähigkeit der häufig landfahrenden Täter verlor die Privatstrafe (die Geldstrafe) an Bedeutung und wurde durch Körperstrafen ersetzt. Die Verfasserin setzt die Geburtsstunde des „umfassenden öffentlichen Strafrechts“ im 12. Jahrhundert an, obwohl es sicherlich Leibes- und Lebensstrafen schon weit vorher gegeben hat, wie allein schon die in Deutschland gefundenen Moorleichen beweisen; aber vielleicht war dieses Recht nicht öffentlich. Die Verfasserin kommt nun im Abschnitt 3 „zur Entstehung des Schadensersatzrechts“, gemeint ist die Entwicklung des privatrechtlichen Schadensersatzrechts in Deutschland. Hierbei kommt sie beiläufig zu den römischen Privatstrafen, zur actio legis Aquiliae und zur actio iniuriarum, sie berichtet den Literaturstand hierzu und stellt zutreffend fest, daß die römischen Privatstrafen pönale und zivilrechtliche Momente zugleich enthielten. Abschließend berichtet sie anhand der Sekundärliteratur über das Deliktsrecht im sächsischen und fränkischen Recht.
Im zweiten Kapitel, S. 50-102, erläutert die Verfasserin die Zeit des Usus modernus, zunächst die „pönalen Elemente im Privatrecht des 16.-18. Jahrhunderts“ und schildert kurz die Tendenzen zur Trennung von Straf- und Zivilrecht sowie den Einfluß der kanonischen Restitutionslehre hierbei. Der nächste Abschnitt ist der Anwendung und Weiterentwicklung der actio legis Aquiliae gewidmet, der dritte den „Nichtvermögensschäden und anderen (?) Persönlichkeitsverletzungen“. Es geht hierbei um die Weiterentwicklung der actio iniuriarum mit der bekannten Problematik des Schmerzensgeldes und der Bestimmung des Ersatzes etwa bei Ehrverletzungen, wobei die Verfasserin auch die actiones ad palinodiam, ad deprecationem und ad declarationem honoris nicht übergeht. Den vierten Abschnitt widmet die Verfasserin den „Besonderheiten des sächsischen Rechts“, wie es im Sachsenspiegel niedergelegt war, und den kurzen fünften Teil den „naturrechtlichen Einflüssen“.
Das dritte Kapitel dieses ersten Teils behandelt die „Gesetzgebung in den deutschen Partikularstaaten“, S. 103-187, im ersten Abschnitt den Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, dann das preußische Allgemeine Landrecht, ferner den französische Code civil, das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und schließlich das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch. Der Codex Bavaricus stimmt noch weitgehend mit dem gemeinen Recht überein, während das ALR selbstverständlich naturrechtlich beeinflußt ist, aber auch Regelungen enthält, die nach Ansicht der Verfasserin als „Repönalisierung“ des Zivilrechts gedeutet werden könnten. Der Code civil ist ebenfalls naturrechtlich beeinflußt, die weite Fassung des art. 1382 ermöglicht auch einen Ersatz immaterieller Schäden. Das ABGB steht gewissermaßen zwischen ALR und CC, ein „pönales Element“ sieht die Verfasserin in der Verschiedenheit des Schadensersatzes je nach dem Grad des Verschuldens; akzeptierte man das, dann müßte man in jeder verschuldensabhängigen Schadensersatzpflicht eine Privatstrafe sehen! Das sächsische BGB drängt unter dem Einfluß der historischen Rechtsschule den Strafgedanken im Privatrecht zurück, aber es bleiben einige Ausnahmen wie etwa die Sachsenbuße bei Freiheitsentzug. In einer etwas undurchsichtigen Gliederung erörtert die Verfasserin im sechsten und letzten Abschnitt „Privatgenugtuung und Injurienklage in der Gesetzgebung der Einzelstaaten“ die Situation in Preußen. Hier war es streitig, ob neben die eigentliche Strafe eine Geldbuße, eine Ehrenerklärung oder ein richterlicher Verweis treten sollte, was aber schließlich abgelehnt wurde. Anschließend erörtert sie diese Problematik für andere Staaten.
Das vierte und fünfte Kapitel behandeln S. 188-229 das „späte gemeine Recht“ und „die Reichsgesetzgebung vor dem BGB“. Die Verfasserin berichtet zunächst, daß das Schmerzensgeld sich in Rechtsprechung und Literatur durchgesetzt habe, wenn es auch dem römischen Recht fremd war; gestritten wurde allenfalls noch darum, ob es sich dabei um Ersatz oder Strafe handele, wobei sich schließlich die Meinung durchsetzte, es handele sich um Schadensersatz. Es blieb damit als letzte Privatstrafe die Injurienklage, deren Anwendung aber mit der Einführung des Strafgesetzbuchs 1870 durch § 2 des Einführungsgesetzes ausgeschlossen war, was die Verfasserin übersieht. Sie kommt zu den mit dem Strafgesetzbuch eingeführten Geldbußen bei Verleumdungen, übler Nachrede und Körperverletzungen in den Fällen, daß dem Verletzten daraus ein materieller Nachteil entstanden war. Wie man diese Bußen einzuordnen hatte, war umstritten, die Rechtsprechung qualifizierte sie als Schadensersatz. Die Verfasserin legt jedoch Wert darauf, daß sie eine Reihe pönaler Elemente enthielten, weil sie auch ohne materiellen Schaden verhängt werden konnten. Man könnte freilich auch sagen, es handele sich um Schadensersatz, um den Ersatz immaterieller Schäden nämlich. Im sechsten und letzten Kapitel dieses Teils erörtert die Verfasserin S. 230-245 „Reformbestrebungen im Vorfeld (?) des BGB“, zunächst die Diskussion um die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts und die pönale Ahndung seiner Verletzung mit einem „Besänftigungsgeld“. Abschließend untersucht sie die Abstufung des Schadensersatzes je nach dem Verschuldensgrad.
Dieser Teil der Arbeit zeichnet in einem großen Bogen die Entwicklung des Schadensersatzes für immaterielle Schäden in Deutschland auf, vom germanischen über das mittelalterliche und kanonische Recht bis schließlich zum BGB. Die Schilderung erfolgt weitgehend ohne Quellenbenutzung anhand der Sekundärliteratur, so daß man insoweit auch keine neuen Ergebnisse erwarten darf. Erst gegen Ende der Untersuchung gewinnt die Untersuchung an Selbständigkeit, insbesondere soweit es um das 19. Jahrhundert geht. Bedauerlich ist es, daß die Verfasserin den Begriff des Pönalen nicht klar definiert, so daß man ihr Urteil, eine Regelung sei pönal oder nicht, nur gefühlsmäßig bewerten kann. Das gilt umso mehr deshalb, weil das römische Recht Regeln kannte, die eine Privatstrafe eindeutig von einer Schadensersatzleistung trennten und welche die Verfasserin auch anführt.
Im Teil C erörtert die Verfasserin nun „pönale Elemente der Privatrechtsordnung unter dem BGB“. Sie stellt zunächst fest, daß die BGB-Kommissionen unter dem negativen Eindruck des französischen Rechts pönale Elemente aus dem BGB verbannen wollten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, und kommt dann zu einzelnen Fallgruppen, in welchen sie doch Privatstrafen erkennen will. So untersucht sie im zweiten Kapitel „Regelungen mit vorrangig oder ausschließlich pönaler Zielsetzung“, S. 252-365, zuerst die Vertragsstrafen. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß die Vertragsstrafe pönale Elemente enthalte, aber doch keine Privatstrafe sei. Letzterem kann man ohne Bedenken zustimmen, bei ersterem ist Vorsicht angebracht, und zwar bei der Definition des Pönalen. Die Vertragsstrafe dient nach den Motiven zum BGB einmal als Zwangsmittel gegen den Schuldner, dann zur leichteren Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs; sie verfällt, weil der Schuldner - sei es schuldhaft oder nicht - eine Vertragspflicht verletzt. Mag diese Sanktion auch den Namen einer Strafe tragen, so verfolgt sie doch keine pönalen Zwecke, weshalb sie etwa nicht neben einem Schadensersatz geltend gemacht werden kann. Natürlich ist denkbar, daß der Schuldner - ähnlich wie die Verfasserin - die Privatstrafe als eine Bestrafung empfindet; dann müßte freilich jeder Schuldner einer Schadensersatzforderung diese ebenfalls als Strafe empfinden, zumal sie - wie auch jede Strafe - regelmäßig eine Folge seines Verschuldens ist. Die Vertragsstrafe muß gezahlt werden, weil der Schuldner das versprochen hat und weil er eine Vertragspflicht verletzt hat, nicht weil er etwas Strafwürdiges getan hätte, wie auch die Verfasserin feststellt. Nur mit dieser Einschränkung kann man von „pönalen Elementen“ bei der Vertragsstrafe sprechen, wobei der Ausdruck einen ganz weiten, unüblichen Inhalt bekommt. Die Verfasserin kommt danach zu „vertragsstrafenähnlichen Rechtsinstituten“, zuerst zu § 654, wonach der Makler seinen Provisions- und Aufwendungsersatzanspruch verwirkt, wenn er für beide Parteien tätig wird. Der Bundesgerichtshof geht vom Strafcharakter dieser Vorschrift aus, die Literatur spricht von Verwirkung: Wer sich selbst nicht an den Vertrag hält, soll sich auch nicht darauf berufen können. Will man das mit der Verfasserin als pönal bezeichnen, muß man sich über die Weite dieses Begriffes klar sein.
Die Verfasserin untersucht nun mit gleichem Ergebnis die Verwirkung durch Obliegenheitsverletzungen und wendet sich dann den Vereinsstrafen zu, welchen sie ohne weiteres pönalen Charakter zuspricht. Die Strafgewalt der Vereine begründete man früher im Gefolge Otto von Gierkes mit der Vereinsautonomie und der Subordination des Mitgliedes, heute dagegen sieht man zeitgemäß ihren Grund in der Privatautonomie des Mitgliedes; sie seien danach - meint die Verfasserin - nicht pönal, was die Unsicherheit über die Bedeutung dieses Begriffes verstärkt. Die Verfasserin freilich lehnt eine Gleichsetzung mit den Vertragsstrafen ab, weil diese die Vermögensinteressen des Gläubigers schützten, jene aber die häufig immateriellen Interessen des Vereins; das gelte jedenfalls für die weltanschaulichen Vereine mit Monopolstellung. Diese Unterscheidung ist indessen für die Frage des Strafcharakters ohne Bedeutung, zudem ist man auch in weltanschaulichen Vereinen nur Mitglied, wenn man freiwillig eingetreten ist. Auch die Verfasserin betont einerseits, die Vereinsstrafe sanktioniere ein unerwünschtes Verhalten, andererseits aber, die Strafe sei nur deswegen möglich, weil die Parteien das vereinbart hätten. In gleicher Weise wird in einer breiten Untersuchung die umstrittene Betriebsbuße eingestuft. Nach den Prinzipien des Zivilrechts ist sie als Zwangsmittel für ein künftiges vertragsgemäßes Verhalten zu verstehen und zudem als Ausgleich für möglicherweise entstandene, kaum jemals nachweisbare Schäden. Nach der Verfasserin soll sie ein Fehlverhalten in der Vergangenheit sanktionieren und deswegen pönal sein; sie folgt damit freilich der h. M. im Arbeitsrecht, die in krassem Gegensatz zum Privatrecht sogar die Möglichkeit vorsieht, die Betriebsbuße neben einem Schadensersatz geltend zu machen! Leider geht die Verfasserin nicht darauf ein, wie sich diese Meinung mit der gesetzlichen Regelung der Vertragsstrafe im BGB verträgt. Deutlichen Strafcharakter haben die heftig umstrittenen Bußzahlungen nach § 611a II, III BGB. Ob diese durch eine EG-Richtlinie erzwungenen Vorschriften überhaupt noch dem Privatrecht zuzurechnen sind, erscheint höchst zweifelhaft.
Im dritten Kapitel, S. 366-408, sucht die Verfasserin nach weiteren Strafvorschriften, und zwar außerhalb des Deliktsrechts. Sie erörtert zunächst § 817, 2 BGB und verneint mit der h. M. einen Strafcharakter der Vorschrift; vielmehr solle dem sittenwidrig Handelnden die Möglichkeit genommen werden, die Gerichte zur Durchsetzung seines Anspruchs anzurufen. Ist das so, dann muß das nicht nur gelten, wenn der Anspruch aus § 817, 1 BGB geltend gemacht wird, sondern bei jedem Bereicherungsanspruch und weiter bei jedem Anspruch überhaupt. Die Verfasserin will den Ausschluß aber auf Bereicherungsansprüche beschränken, wofür es keine rationale Erklärung gibt. Die Begründung, der Gläubiger sei sonst rechtlos, kann kaum überzeugen. Keine Strafe stellt nach der Verfasserin auch das von der Rechtsprechung angenommene Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bei Allgemeinen Geschäftsbedingen dar; sie erörtert dann die bekannte Problematik der Rückgabe des Kapitals beim Wucher und verneint schließlich auch eine pönale Natur des § 241a BGB. Unter der vom Gesetz nicht gedeckten Überschrift „gesetzliche Vermutungen“ entdeckt die Verfasserin zunächst noch in § 971 II BGB ein pönales Element, also in der Regelung, daß der Finder seine Anzeigepflicht verletzt und deswegen keinen Finderlohn erhält. Sie meint, es werde dann unwiderleglich vermutet, der Finder habe keinen Fremdgeschäftsführungswillen gehabt. Ist es aber eine Strafe, wenn jemand etwas nicht bekommt, worauf er keinen Anspruch hat? Die Motive sprechen davon, daß der Anspruch auf Finderlohn durch die Anzeige bedingt sei! Ähnlich ist die Situation, wenn jemand wegen Erbunwürdigkeit sein Erbrecht verwirkt, wenn er wegen Inventaruntreue das Recht zur Haftungsbeschränkung verliert.
Im vierten Kapitel, S. 409-566, geht die Verfasserin auf die Suche nach pönalen Elementen im Deliktsrecht, die sie in § 826 BGB nicht findet. Es folgt eine Abhandlung über die historischen Versuche, den Umfang des Schadensersatzes nach dem Verschuldensgrad zu bemessen, was aber mit einer Strafe nichts zu tun hat, wenn man nicht den Schadensersatz insgesamt als poena ansehen will. Die Verfasserin kommt nun zum Schadensersatz wegen Persönlichkeitsverletzungen im allgemeinen, zuerst zum Schmerzensgeld, das vom Gesetzgeber nicht als Strafe gedacht war, wie die Verfasserin feststellt, sondern als Schadensersatz für immaterielle Schäden. Sie kommt dann zur Lehre von der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, worin sie ein Einfallstor für die Berücksichtung pönaler Ziele wittert. Sie meint, die Übernahme dieser Lehre sei eine Kehrtwendung des Bundesgerichtshofs von der Ausgleichsfunktion in Richtung Strafe. Indessen hat die Ansicht des Gerichts, man müsse die Höhe des Schmerzensgeldes unter Zuhilfenahme von Billigkeitserwägungen und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles ermitteln, mit Strafe nichts zu tun. Sie berücksichtigt nur die Schwierigkeit, immaterielle Schäden in Geld auszugleichen. Die Verfasserin spricht sich für eine Entpönalisierung des Schmerzensgeldes bei schuldlosen und fahrlässigen Delikten aus, so daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers keine Rolle spielen dürften; bei vorsätzlichen Straftaten schlägt sie neben der Kriminalstrafe und neben dem Schmerzensgeld die Einführung eines im Strafgesetzbuch zu verankernden Genugtuungsanspruchs vor. Dieser soll als Aufschlag auf das Schmerzensgeld, das Schadensersatz sein soll, Genugtuungsfunktion haben und in „Tagessätzen“ bemessen werden! Mir scheint, daß das zuviel der Sanktionen ist.
Die Verfasserin kommt nun zur Sanktion wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und berichtet ausführlich dessen Geschichte von der Abfassung des BGB bis zur Anerkennung eines „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ durch die Gerichte und durch die Rechtswissenschaft. Sie wertet diesen Schadensersatz als eine pönale Sanktion, nicht wie das Schmerzensgeld als Schadensersatz, denn es solle präventiv wirken, demgegenüber sei die Genugtuungsfunktion zweitrangig; denn welche Genugtuung könne ein sehr reicher Geschädigter etwa mit einer Ausgleichszahlung gewinnen. Diese Argumentation mit den Empfindungen der Beteiligten erscheint mir recht eigenartig. Jeder kann empfinden, was er will, und wenn ein sehr Reicher über die für ihn bescheidene Zahlung eines anderen Genugtuung empfindet, kann man ihm das kaum verwehren. Genugtuung wird er jedenfalls darüber empfinden, daß der andere eine für diesen erhebliche Summe zahlen muß, sonst hätte er den Prozeß nicht angestrengt. Damit hat die Schadensersatzleistung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen keine andere Funktion als das Schmerzensgeld, mag auch die Verfasserin mit der Rechtsprechung anderer Ansicht sein.
Die Verfasserin erörtert nun kurz die „punitive damages“ des u.s.-amerikanischen Rechts, horrende Geldstrafen, die Schuldnern von Zivilgerichten auferlegt werden können. Der Bundesgerichtshof läßt die Vollstreckung solcher Strafen in Deutschland nicht zu, weil sie pönal sind und gegen den ordre public verstoßen. Das gefällt der Verfasserin nicht, da sie dem Pönalen sehr aufgeschlossen gegenübersteht, doch mag uns Justitia vor dieser amerikanischen Unsitte schützen. Die Verfasserin wendet sich nun der „Reprivatisierung des Strafrechts“ zu, zunächst dem Adhäsionsverfahren, dann den im Strafgesetzbuch abgeschafften Bußen und schließlich den Bußen des Immaterialgüterrechts. Auch hier wieder versteht sie jeden Ersatz immaterieller Schäden als Strafe, also kann wohl für den Ersatz materieller Schäden auch nichts anderes gelten. Abschließend werden die privatrechtlichen Folgen von Ladendiebstählen erörtert, insbesondere die Möglichkeit einer Privatstrafe, die aber nicht Gesetz geworden ist.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse, S. 573-578 beschließt die Arbeit, es folgen noch ein Literaturverzeichnis und ein Sachverzeichnis.
Die Arbeit leidet an der Unklarheit des Begriffs „pönal“, unter dem man sich mancherlei und sehr Verschiedenartiges vorstellen kann. Es wäre daher zunächst erforderlich gewesen darzulegen, was darunter verstanden werden soll. Einige Unterscheidungskriterien, wie sie das römische Recht entwickelt hatte, hat die Verfasserin selbst aufgeführt: Strafzahlungen vom doppelten bis zum vierfachen Wert des verschuldeten Schadens, Haftung aller Gesamtschuldner auf die volle Summe, Unvererblichkeit der Schuld vor der Litiskontestation. Leider wendet sie diese oder andere Rechtsfolgen einer Privatstrafe nicht auf die von ihr festgestellten pönalen Rechtsinstitute an, vielmehr folgt überhaupt nichts aus der Feststellung, ein Anspruch sei pönal oder nicht. Ob eine Rechtsnorm gut oder schlecht ist, prüft man an ihren Rechtsfolgen. Wenn eine Unterscheidung nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führt, ist sie überflüssig. Was besagt dann etwa die Aussage, die Privatstrafe enthalte pönale Elemente oder die Vereinsstrafe sei pönal? Und in dieser Folgenlosigkeit liegt auch die Schwierigkeit begründet, pönal oder nicht pönal zu unterscheiden; es gibt kein Unterscheidungsmerkmal. Der Begriff „pönal“ wird auf diese Weise farblos und unklar und kann mit beliebigem Inhalt gefüllt werden. Manchmal kann man allerdings den Eindruck haben, die Verfasserin wolle jeden Ersatz eines Nichtvermögensschadens mit dem Begriff des Pönalen verbinden, etwa wenn sie durchgehend „Nichtvermögensschäden und andere Persönlichkeitsverletzungen“ unrichtig gegenüberstellt. Ein Nichtvermögensschaden muß keineswegs auf einer Persönlichkeitsverletzung beruhen, was etwa beim Affektionsinteresse der Fall ist, das auf den besonderen Vorlieben des Geschädigten beruht, aber nicht aus der Verletzung seiner Person oder seines Persönlichkeitsrechts entsteht. Aber der Anspruch auf das Affektionsinteresse ist keine Strafe, er ist vielmehr ein Schadensersatz, nicht anders als der wegen einer Vermögensschädigung.
Die Arbeit ist breit angelegt und enthält vieles, was man eher unter einer anderen Überschrift erwartet hätte, etwa den Exkurs zur rechtlichen Begründung der Betriebsbuße oder die Darstellung zur Entwicklung des Persönlichkeitsrechts. Betrachtet man das Literaturverzeichnis und die Fußnoten der Arbeit, so kann man ermessen, welche Arbeit und welchen Spürsinn die Verfasserin aufgewandt hat, um die von ihr favorisierten „pönalen Elemente“ aufzufinden. Jeder, der sich ebenso wie sie mehr Strafrecht im Zivilrecht wünscht, wird die 600 Seiten der Arbeit mit Gewinn lesen.
Trier Hans Wieling