Historisch-kritischer Kommentar

zum BGB, hg. v. Schmoeckel, Mathias/Rückert, Joachim/Zimmermann, Reinhard, Bd. 1 Allgemeiner Teil §§ 1-240. Mohr (Siebeck), Tübingen 2003. XXVIII, 1121 S. Besprochen von Friedrich Ebel.

Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, Mathias/Rückert, Joachim/Zimmermann, Reinhard, Bd. 1 Allgemeiner Teil §§ 1-240. Mohr (Siebeck), Tübingen 2003. XXVIII, 1121 S.

 

Wer angenommen hatte, die Arten juristischer Literaturtypen seien bekannt, muss umdenken. Die Kombination überkommener Werkarten hat Neues geboren: einen „Historisch-Kritischen“ Kommentar zum BGB. Nicht, dass bekannten Arbeiten historische Ansätze abgesprochen wurden, auch nicht, dass sich in Kommentaren mit dogmatischer Zielsetzung nichts Kritisches fände: Hier geht es um die Einbettung der Probleme und Lösungen in ihren historischen Verlauf, zugleich distanzierte kritische Wertung (Vorwort). Letzteres sollte allerdings jeder historischen Arbeit eignen.

 

Es geht weniger um den Blick rückwärts. Ausgangspunkt ist die Kodifikation. Nur ganz am Anfang geben orientierende Bemerkungen Zimmermanns und eine Prinzipien-Analyse Rückerts das Fundament. Die „Links“, die die letzte Auflage des Windscheid/Kipp zur gemeinrechtlichen Tradition bequem liefert, die Stobbe, Gierke, Hübner zum Deutschen Privatrecht herstellen, Dernburg zum preußischen Recht und religiös orientierte Schriften wie die katholischen Naturrechtslehre sollen ansonsten nicht ersetzt werden.

 

Dritte Säule des Fundaments sind die materialreichen Ausführungen Schmoeckels über allgemeine Teile. Vor allem das 19. Jahrhundert erscheint hier vollständig. Schmoeckel nähert sich zwar den verschiedenen Problemen der Funktionen des Allgemeinen im Gesetz durchaus, aber die von heute aus mögliche schärfere Trennung von „Begriffen und Lehren“ (S. 145) will nicht so recht klar werden. Das ändert nichts am Wert der Materialaufbereitung als solcher. Gelungen ist vor allem die Kritik an der Kritik, namentlich jedenfalls zunächst nationalsozialistisch beeinflusster Autoren (Wieacker, Larenz).

 

Das Buch geht blockweise vor, orientiert am Aufbau des BGB (vorwiegend des Allgemeinen Teils). Das geht auch nicht anders. Alles aus diesen über tausend Seiten hier zu besprechen, ist nicht angebracht. Nur einiges: Es verwundert, das Wohnsitzrecht der §§ 7ff. recht ausführlich zu kommentieren, bei § 12 das dort doch angesiedelte Persönlichkeitsrecht indes nicht zu finden. Bei den systemwidrigen §§ 13f. erscheint die fundierte Kritik Flumes nur am Rande. Beim zentralen Thema des Allgemeinen Teils, der Rechtsgeschäftslehre, bleibt der Bearbeiter Schermaier streng an der Normenabfolge des Gesetzes. Das hat zur Folge, dass der Privatautonomie drei knappe Randnummern gewidmet sind, die sich eigentlich nur (etwas dürr) auf die Fragen der „faktischen Vertragsverhältnisse“ konzentrieren.

 

Weder die nicht weiter belegte Definition des Rechtsgeschäfts (S. 361 u.) noch die Privatautonomie sind in einem (historisch-)kritischen Kommentar damit auch nur annähernd erfasst. Umgekehrt sind die Ausführungen desselben Verfassers zum Irrtum (sicher brauchbar) dogmatisch gestaltet, doch die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts muss man sich allenfalls aus diesen Kommentierungen selbst heraussuchen. Eine „historische“ Arbeit ist das kaum. Ein gutes, freilich naheliegendes, Beispiel für die Entwicklung ab 1900 stellt die Abhandlung Haferkamps zu § 138 dar. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt vielleicht etwas zu kurz, entzieht sich bei einem solchen Thema aber auch eher distanzierter Bewertung.

 

Insgesamt ist das Buch ein interessanter Versuch, heterogen durch die Vielzahl der Verfasser, anregend – aber nicht abschließend.

 

Berlin-Dahlem                                                                                    Friedrich Ebel