Kälble, Mathias, Zwischen Herrschaft

und bürgerlicher Freiheit. Stadtgemeinde und städtische Führungsgruppen in Freiburg im Breisgau im 12. und 13. Jahrhundert (= Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 33). Stadtarchiv Freiburg im Breisgau, Freiburg im Breisgau 2001. 407 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Kälble, Mathias, Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit. Stadtgemeinde und städtische Führungsgruppen in Freiburg im Breisgau im 12. und 13. Jahrhundert (= Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 33). Stadtarchiv Freiburg im Breisgau, Freiburg im Breisgau 2001. 407 S.

 

Das Arbeit ist die von Thomas Zotz betreute, 1999 von den philosophischen Fakultäten der Universität Freiburg im Breisgau angenommene, für den Druck geringfügig überarbeitete und ergänzte Dissertation des Verfassers. Sie führt in der Einleitung zutreffend aus, dass kaum eine mittelalterliche Stadt die Forschung so sehr beschäftigt hat wie Freiburg im Breisgau. Im Meinungsstreit um das Freiburger Stadtrecht schließt sie sich Martina Blattmann an, die Walter Schlesingers Vorstellungen erweiternd von einer Textfassung des Freiburger Gründungsrechts, einem noch vor 1178 entstandenen Stadtrechtsprivileg Herzog Bertolds IV., einer um weitere Privilegien erweiterten Handfeste Herzog Bertolds V. und verschiedenen Ergänzungssätzen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ausgeht.

 

Allerdings liege die kommunale Entwicklung Freiburgs im 12. und 13. Jahrhundert noch weitgehend im Dunkel. Dies gelte besonders für ihren herrschafts- und sozialgeschichtlichen Hintergrund. Diese Lücke sei zu schließen.

 

Dabei bestehe allerdings das Problem, dass für Freiburg urkundliche Zeugnisse des 12. Jahrhunderts weitgehend fehlten. Deswegen sei für diese Zeit auf andere zähringische Städte auszuweichen. Wegen der gleichen Herren sei dies methodisch zulässig.

 

Seine Untersuchung beginnt der Verfasser mit der Zeit der zähringischen Herrschaft. Dabei geht er auf der Grundlage der Arbeiten seines Lehrers davon aus, dass der Freiburger Raum bereits im ausgehenden 11. Jahrhundert dicht besiedelt und herrschaftlich durchdrungen war und alte grundherrschaftlich geprägte Siedlungen ungefähr in einem Halbkreis um die spätere Altstadt Freiburg endeten. Der Boden im engeren Umfeld Freiburgs sei nicht auf dörfliche Siedlungen verteilt, sondern ein Gebiet mit Verkehrsfunktion (römerzeitliche Straße) und wassertechnischer Bedeutung (Wehre zur Dreisamregulierung) gewesen, Aufgaben und Bereiche, die seit Alters in die Zuständigkeit des Herzogs oder Grafen gefallen seien.

 

Die Konzentration königlicher Rechte im Raum Freiburg sei ausschlaggebend für die Wahl des Ortes und die Gründung der Burgsiedlung Freiburg. Sie stehe in engem Zusammenhang mit dem Aufbau eines neuen Herrschaftsschwerpunktes im Breisgau. Vielleicht lasse sie sich mit dem Anspruch Bertolds II. von Zähringen auf die Würde des Herzogs von Schwaben seit Beginn der neunziger Jahre des 11. Jahrhunderts verbinden.

 

Die Vielzahl der auf die Burg hin orientierten herrschaftsrechtlichen Positionen rings um die Stadt Freiburg im 13. Jahrhundert lasse noch immer den gezielten Zugriff der Zähringer auf ältere Plätze im unmittelbaren Umfeld der 1091 gegründeten civitas (burg) erkennen. Mit diesen wahrscheinlich in die Zeit Bertolds II. zurückreichenden Vorgängen sei der locus Freiburg zu einer ursprünglich stark auf die Burg hin orientierten, hofrechtlich gebundenen Einheit umgestaltet worden. Hier habe Konrad von Zähringen seinen Markt gegründet, weshalb später noch von castrum cum adiacente civitate (Burg mit umliegender Stadt) gesprochen habe werden können.

 

Auf dieser Grundlage untersucht der Verfasser die Marktgründung zwischen Herrschaft und Genossenschaft mit der Schwurvereinigung von 1120, in der er genossenschaftliche Aspekte eines herrschaftlichen Aktes bzw. einen (landes)herrschaftlichen Akt auf genossenschaftlicher Basis feststellt. Die coniuratores fori sieht er als genossenschaftlich strukturierten rechtsfähigen Verband von Kaufleuten, unter deren Führung sich die Gemeindebildung in Freiburg vollzog. Nach seiner Ansicht beruht die Stadtentstehung Freiburgs damit auf einem Zusammenwirken herrschaftlicher und genossenschaftlicher Kräfte.

 

Im Meinungsstreit über die Identität von mercatores und burgenses spricht er sich gegen die vollständige Identität aus. Deshalb kann er aus den an alle burgenses gerichteten Zusagen des Gründungsprivilegs bereits vor der Marktgründung ansässige, vielfach in persönlicher Abhängigkeit zu dem zähringischen Herren stehende Menschen erschließen. Mit der Ansiedlung anderer Gruppen und der anschließenden gemeinsamen Privilegierung sei diese altansässige Bevölkerung weitgehend aus dem zähringischen Hofverband eximiert worden.

 

Nach Grabungen werde die Ummauerung des Marktes Freiburg von einigen Archäologen auf die dreißiger bis vierziger Jahre des 12. Jahrhunderts datiert. Dabei laufe die Stadtmauer im Bereich zwischen Salzstraße und Grünwälderstraße, wo bislang die ältesten Siedlungsspuren gefunden worden seien, durch zwei Holzhäuser hindurch. Sie müssten also vor dem Mauerbau bestanden haben, durch den Mauerbau beseitigt worden und nach dem Mauerbau mit dendrochronologisch nicht lange nach 1138 datierbaren Steinbauten teilweise überbaut worden sein.

 

Spuren von Silberverarbeitung deuteten auf den gewerblichen Charakter dieser (ältesten) Siedlung. Daraus ergebe sich die Hypothese, dass es sich um den burgus von 1091 handele. Silberverarbeitung verweise zugleich auf den Herzog und damit auf herrschaftliches Gepräge des Ortes.

 

Obwohl der Verfasser die archäologische Datierung der ältesten Siedlung selbst für völlig offen hält, legt er doch seiner Überlegung zugrunde, dass Mauerbau und rechtliche Exemtion des Marktes und seiner Bewohner aus dem umliegenden Herrschaftsverband Hand in Hand gegangen seien. Die Ministerialensiedlung möchte er in Zusammenhang stellen mit der gewerblich geprägten Siedlung. Durch den Mauerbau wäre sie ebenfalls vom Marktbezirk abgegrenzt oder allenfalls nur zum Teil mit einbezogen worden.

 

Der Inhalt der von Konrad von Zähringen bei der Marktgründung von 1120 gewährten Privilegien sei nicht über das hinausgegangen, was andere Herren der Zeit auch zugestanden hätten. Ungewöhnlich sei nur die gegenseitige Eidesleistung. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts sei die Entwicklung des Markts zur Stadt abgeschlossen gewesen.

Ein consilium habe bereits vor 1178 existiert. Der Rat in Freiburg habe sich wohl aus einem stadtherrlichen Beratergremium entwickelt, das aus der am Gericht mitbeteiligten Stadtgemeinde hervorgegangen sei. Ein nicht zu unterschätzender Anteil ehemals herzoglicher Ministerialer sei im Rat zähringischer Städte des frühen 13. Jahrhunderts zu finden und Mitglieder des Rates seien mit besonderen Vorrechten ausgestattet.

 

Im Anschluss an diese durch wenige Quellen und viele Vermutungen gekennzeichnete Frühgeschichte wendet sich der Verfasser dem durch den Tod Herzog Bertolds V. am 18. Februar 1218 ausgelösten Herrschaftswechsel zu, der für die Stadt noch keinen grundlegenden Wandel gebracht habe. Dabei kann er zeigen, dass die Grafen von Urach bei ihrem Herrschaftsantritt 1218 von den maßgebenden Familien der Stadt gegen König Friedrich II. unterstützt wurden und dass der Rat in Freiburg noch um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein stark herrschaftlich geprägtes Gremium war, weshalb die betreffenden Bürger in Zeugenreihen verschiedentlich sogar vor Dienstleuten und landsässigen milites aufgeführt werden. Inwiefern für die Stellung dieser Bürger dienstrechtliche Bindungen an den Stadtherrn von Bedeutung waren, kann er trotz aller Mühe nicht mehr ausmachen, doch hält der Verfasser es mit Josef Fleckenstein für verfehlt, von bürgerlichen Ministerialen zu sprechen, weil keiner dieser Bürger je ministerialis genannt wird, weshalb er demgegenüber die Bezeichnung als ministerialengleiche Bürger vorzieht.

 

Erste Ansätze zur Entstehung eines ritterlichen und eines bürgerlichen Patriziats nimmt er für die dreißiger und vierziger Jahre des 13. Jahrhunderts an. In dieser Zeit erwarben cives die Ritterwürde und gräfliche milites das Bürgerrecht und einen Sitz im Rat. Wenig später wurde in Freiburger Urkunden zwischen ritter und burger endgültig unterschieden.

 

Bereits im Mai 1248 kam es zu einem Aufstand der universitas civium gegen den nahezu geschlossenen Geschlechterverband der ältesten Ratsfamilien. Als Folge bildete sich ein Kollegium der neuen Vierundzwanzig. Ihre Familien waren im Umfeld von handel- und gewerbetreibenden Gruppen angesiedelt, standen nicht dem Stadtherrn nahe und erwarben auch nur selten die Ritterwürde.

 

Im Gegensatz zu älteren Ansichten kann der Verfasser zeigen, dass die 1248 erhobenen Forderungen durchaus Auswirkungen hatten. Wohl 1291 wurde das Bürgermeisteramt als Gegengewicht zum herrschaftlichen Schultheißen eingeführt. 1293 traten die jüngeren Vierundzwanzig den alten Vierundzwanzig als gleichberechtigtes Ratsgremium gegenüber.

 

Damit verlief Freiburgs Entwicklung im Grundsatz aber nicht anders als die anderer Städte. Insofern hat sich die bereits für 1120 angenommene genossenschaftliche Komponente nicht entscheidend ausgewirkt. Der Versuch des Stadtherrn, die tatsächlich wachsende bürgerliche Selbstbestimmung in Rechtsnormen einzuschränken, blieb auch in Freiburg letztlich erfolglos.

 

Insgesamt zeichnet der Verfasser auf umfassender Literaturgrundlage ein in sich geschlossenes Bild. Es wird abgerundet durch ein die Erschließung erleichterndes Orts- und Personenregister. Möge es zu weiteren, vom Verfasser selbst angeregten Forschungen zur Geschichte Freiburgs anspornenden Anlass bieten.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler