Lichtmannegger, Susanne, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche
Lichtmannegger, Susanne, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck 1945-1955. Zur Geschichte der Rechtswissenschaft in Österreich im 20. Jahrhundert (= Rechts- und sozialwissenschaftliche Reihe 23). Lang, Frankfurt am Main 1999. 404 S.
Lehrer wie Franz Gschnitzer, Theodor Rittler, Friedrich Nowakowski, Nikolaus Grass oder Walter Antoniolli, so beginnt die Verfasserin ihre im Rahmen eines Forschungsprojektes am Universitätsarchiv Innsbruck entstandene Untersuchung, prägten die junge Juristengeneration der durch außergewöhnliches, intellektuelles und wissenschaftliches Niveau beeindruckenden rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät Innsbruck der Jahre nach dem zweiten Weltkrieg. Wegen der im akademischen Leben üblichen jahrzehntelangen Kontinuität hebt sie freilich umgehend die selbst gesetzten zeitlichen Schranken auf und bezieht vornehmlich Nationalsozialismus und Austrofaschismus in das Blickfeld ein. Auf diese Weise werden rund 100 Vertreter der Rechtswissenschaft in Österreich im 20. Jahrhundert mit mehr oder weniger vielen Daten sichtbar.
Gegliedert ist die Untersuchung nach den einzelnen Fächern der Fakultät. Dadurch gelangt die Verfasserin zu acht übersichtlichen Einheiten. Von ihnen kann hier die Nationalökonomie vernachlässigt werden, weil sie zu dieser Zeit zwar noch einen hergebrachten, für Mehrheiten auch durchaus wichtigen Platz innerhalb einer rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät hat (Adolf Günther, Ansbach 21. 3. 1881-Innsbruck 14. 1. 1958), aber nicht Rechtswissenschaft ist.
Im Kirchenrecht steht im Mittelpunkt der in Salzwedel am 22. 9. 1880 geborene, in Breslau aufgewachsene, in Breslau Theologie, Philosophie, Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft studierende, 1908 für Kirchenrecht, Staatsrecht und Völkerrecht habilitierte, in Innsbruck schon 1910 ins Gespräch gekommene, dann jedoch als außerordentlicher Professor nach Münster berufene, in Köln seit 1919 lehrende, als Förderer Hans Kelsens 1933 des Amtes enthobene, 1935 emeritierte, zum päpstlichen Ehrenkämmerer di spada e cappa ernannte, am 30. 10. 1936 auf Grund eines Minderheitenvotums Ferdinand Koglers gegen die in der Fakultät vorherrschende Einstellung, dass jede in Österreich frei werdende Lehrkanzel Österreichern vorbehalten werden sollte, außerhalb der Berufungsliste (Schönegger, Bombiero, Ganahl) anscheinend als Exponent des damaligen Regimes nach Innsbruck berufene, romtreue, am 28. 5. 1938 unter dem Vorwurf des politischen Katholizismus mit Ende Mai 1938 in den zeitlichen Ruhestand versetzte, von führenden Vertretern der Fakultät (Hermann Hämmerle, Franz Gschnitzer) – samt dem von ihm vertretenen Fach - gar nicht vermisste, am 1. 5. 1945 als Folge grundlegend gewandelter politischer Verhältnisse – samt dem von ihm vertretenen Fach - wieder aufgenommene, am 28. 6. 1946 in den Verfassungsgerichtshof neben Ludwig Adamovich aufgestiegene und später nochmals einen deutschen Schüler als partiellen Erben nach Innsbruck führende Godehard Josef Ebers († Igls 18. 5. 1958). Im römischen Recht steht ihm der in Budapest am 6. 4. 1896 geborene, in Wien 1914 maturierte, nach Kriegsdienst erst Chemie und dann Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft studierende, 1925 promovierte, 1931 neben einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Beamter bei der Nationalbibliothek durch Friedrich von Woeß und Ernst Schönbauer habilitierte, zum 1. 4. 1935 als außerordentlicher Professor für römisches Recht in Innsbruck ernannte, durch seine Antrittsvorlesung und sein Verhalten bei den Berufungen Hans Bayers ([Wien 3. 2. 1903-Rom 5. 5. 1965, 1921 Matura Innsbruck, Studium Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft Universität Innsbruck, 1924 Dr. rer. pol., 1925 Dr. iur. Univ. Innsbruck, 1926 Assistent Universität Wien, 1929 Habilitation Wien Volkswirtschaft, 4. 9. 1936 tit. ao. Professor Universität Innsbruck, 1938 aus politischen Gründen beurlaubt, 1945 ao. Professor Universität Innsbruck] erfolgreiches Separatvotum mit Karl Wolff gegen die Fakultätsmehrheit) und Karl-Hans Ganahls (in einem Schreiben Herdlitczkas an den geduzten, zuständigen Sektionschef heißt es, „dass wir bei dieser Gelegenheit uns die Möglichkeit nicht entgehen lassen sollen, die Kanzeln des ersten Studienabschnittes mit Leuten zu besetzen, die uns nahestehen und in der Lage sind, auch die Andersdenkenden unter den Studierenden in unserem Sinne zu beeinflussen“, weshalb man Ganahl außer Betracht lassen solle) Rechnungen eröffnende, 1938 ebenfalls unter dem Vorwurf des politischen Katholizismus – unter Zurückdrängung des vertretenen Faches - aus dem Amt entfernte, am 13. 11. 1939 aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzte, am 1. 5. 1945 folgerichtig – unter Rückgewährung des Umfanges des vertretenen Faches - wieder aufgenommene Arnold Herdlitczka († Salzburg 15. 8. 1984) zur Seite. Im deutschen Recht vervollständigte der am 5. 5. 1872 in Hippach im Zillertal/Tirol geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft aus dem Archivdienst heraus in Innsbruck 1902 von Alfred Wretschko zunächst für österreichische Reichsgeschichte habilitierte, nach der 1904 erfolgten Erweiterung der Lehrbefugnis auf deutsches Recht infolge eines Studienaufenthaltes in Berlin 1905 nach Czernowitz berufene, nach der Verkleinerung Österreichs am Ende des ersten Weltkriegs 1919 zunächst als Honorarprofessor nach Innsbruck zurückgekehrte, am 18. 12. 1924 zum ordentlichen Professor für deutsches Recht ernannte, 1928 gegen die Verurteilung eines jüdischen Studenten wegen Vatermords protestierende, 1933 für den Nationalsozialismus, 1934 für die vaterländische Front eintretende, 1936 die Berufung Godehard Josef Ebers’ gegen die Fakultätsmehrheit bewirkende, 1938 sechsundsechzigjährig - unter dem Vorwurf des politischen Katholizismus - beurlaubte und am 28. 5. 1938 in den Ruhestand - mit später gekürzter Pension – versetzte, postum am 5. 5. 1946 wieder in den Dienststand aufgenommene Ferdinand Kogler († Innsbruck 28. 8. 1944), dessen in Innsbruck 1905 geborener Nachfolger Karl-Hans Ganahl am 31. Juli 1942 beim Bergsteigen am Achterkogel im Ötztal tödlich verunglückte, das eindrucksvolle Bild, in dem sich im vielschichtigen Wettbewerb mit Slavomir Condanari (Triest 22. 3. 1902-Wien 27. 12. 1974, 1920 Matura Graz, Studium Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft Universität Wien, 17. 7. 1931 NSDAP, 1937 Habilitation Universität Wien für Rechtsgeschichte und Geschichte des römisch-gemeinen Rechts [Ernst Schönbauer], 8. 1. 1940 Vertretung der Lehrkanzel Arnold Herdlitczkas [in Innsbruck], 2. 6. 1942 ao. Professor für römisches Recht, bürgerliches Recht und Handelsrecht Universität Innsbruck, Vorlesungen deutsche Rechtsgeschichte, 18. 10. 1948 Professor für österreichisches Handelsrecht und Wechselrecht Universität Innsbruck, 15. 2. 1964 Hochschule für Welthandel Wien), Falk W. Zipperer (* Darmstadt 24. 12. 1899, Studium München, Graz, 28. 8. 1937 Promotion Kiel, 1941 Habilitation Universität Bonn [Karl August Eckhardt], 1. 5. 1944 ao. Professor Universität Innsbruck, 30. 6. 1945 als „Reichsdeutscher“ ausgeschieden), dem für neue Geschichte habilitierten Oswald Gschliesser (* 1885), dem Historiker Otto Stolz (Innsbruck 31. 3. 1881-4. 11. 1957), dem eigenen Bruder Franz Grass und dem am 14. 3. 1909 in Lauban in Schlesien geborenen, nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte in Göttingen, Bonn und Breslau über die Monumenta Germaniae Historica in Bonn, Berlin und Wien, das Stift Wilten und den Historiker Otto Stolz in Innsbruck durch Gutachten Slavomir Condanaris, Otto Stolz’ und Godehard Josef Ebers’ habilitierten, am 6. 2. 1954 nach Wien berufenen Hans Lentze der am 28. 7. 1913 als Sohn eines Innsbrucker Rechtsanwalts in Hall in Tirol geborene, 1931 am humanistischen Gymnasium in Innsbruck maturierende, nach dem Studium von Geschichte, Geographie und Volkskunde in Innsbruck im Dezember 1936 mit einer Arbeit über das königliche Stift zu Hall in Geschichte promovierte, im Februar 1939 die Lehramtsprüfung aus Geschichte und Geographie für Mittelschulen bestehende, nach Verweigerung der Zulassung als Probelehrer („als österreichischer Patriot“) von der Geschichte zur Rechtswissenschaft gewechselte, den 42. Kurs des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung besuchende, im Dezember 1939 in Rechtswissenschaft und im Sommer 1940 in Staatswissenschaft promovierte, seit Oktober 1943 auf dem Papier bei der Nationalbibliothek in Wien, seit September 1945 tatsächlich im Dienst der Tiroler Landesregierung tätige, nach langjähriger, durch vierjährigen Kriegsdienst unterbrochener Fortbildung 1945/1946 von Franz Gschnitzer in ein Seminar über Rechtstatsachenforschung eingeladene, 1946 durch Gutachten Hermann Wopfners, Otto Stolz’ und Ignaz Philipp Dengels – und ein nachträglich vom Ministerium gewünschtes Zusatzgutachten Godehard Josef Ebers’ - für österreichische Geschichte, allgemeine Wirtschaftsgeschichte und (deutsche) Rechtsgeschichte an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck habilitierte, 1948 in die rechtswissenschaftliche Fakultät umhabilitierte, die Innsbrucker Schule der Almforschung begründende, am 6. Mai 1949 zum außerordentlichen Professor für deutsches Recht und österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte ernannte Nikolaus Grass (Berufungsliste Mitteis [* 1889], für den Fall einer Ablehnung gleichzeitig vorgelegte Alternativberufungsliste Gschliesser, Grass, Lentze) durchsetzte.
Strafrecht lehrte seit 1. 10. 1912 der am 14. 12. 1876 in Wien geborene, dort maturierende und studierende, 1908 habilitierte, am 9. 7. 1909 zum Ministerialvizesekretär im Justizministerium ernannte, 1923 die Talare wieder einführende Theodor Rittler († Innsbruck 4. 3. 1967). Bei seiner Emeritierung 1951 setzte er seinen 1938 von Prag in die Vereinigten Staaten von Amerika vertriebenen Schüler Edgar Maria Foltin und Ernst Seelig (* 1896, 31. August 1947 pensioniert) auf die beiden ersten Listenplätze. Berufen wurde allerdings am 5. 2. 1952 sein neben seinen 1945 als Richter entlassenen und seiner Lehrbefugnis enthobenen Schüler Siegfried Hohenleitner und den in Wien ausgebildeten, in Berlin habilitierten, in Prag vertriebenen Erich Schinnerer auf den dritten Listenplatz eingeordneter, wie er in Wien (am 15. 10. 1914) geborener, dort nach Matura (1933) und Studium am 21. 12. 1938 promovierter, am 2. 10. 1940 der NSDAP beigetretener, als Staatsanwalt am Sondergericht Wien bei mindestens 9 Todesurteilen (u. a. wegen Abhörens eines auswärtigen Senders und Verbreitens von Nachrichten dieses Senders durch tschechische Landarbeiter) mitwirkender, seit 5. 6. 1946 als Richter in Innsbruck tätiger, 1948 von ihm habilitierter Schüler Friedrich Nowakowski.
Im öffentlichen Recht wurde Karl Lamp 1933 siebenundsechzigjährig in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, Max Kulisch im März 1939 im Alter von 69 Jahren von den amtlichen Verpflichtungen entbunden. An Lamps Stelle trat (hauptsächlich für Völkerrecht) der aus der deutschen Sprachinsel Lusern stammende, in Trient am 22. 6. 1888 geborene, in Innsbruck studierende, am 24. 3. 1911 promovierte, von 1921 bis 1924 als Abgeordneter Deutsch-Südtirols im Parlament Italiens tätige, am 19. 9. 1927 wegen der Verteidigung zweier Hilfslehrerinnen von den Behörden Italiens aus der Liste der Rechtsanwälte in Bozen gestrichene, daraufhin nach Innsbruck wechselnde, für die Wiedervereinigung Tirols eintretende, 1931 von Karl Lamp und Max Kulisch habilitierte Eduard Reut-Nicolussi (1958 in den dauernden Ruhestand versetzt, † 18. 7. 1958), dem später Godehard Josef Ebers’ Schüler Heinrich Kipp folgte. An die Stelle Max Kulischs wurde - ohne erkennbare Ablehnung durch Eduard Reut-Nicolussi -, weil die Fakultät auf die Förderung ihrer ausgezeichneten, während der Systemzeit von 1934 bis 1938 zurückgesetzten Kräfte Wert legte und das Verwaltungsrecht noch längere Zeit eine österreichische Note behalten sollte, nach Verzicht auf eine ursprünglich vorbereitete Berufungsliste (Ernst Rudolf Huber, Gustav Adolf Walz, Theodor Maunz) der in Brixen geborene, 1923 zum Doktor der Staatswissenschaft promovierte, seit 1925 in verschiedener Verwendung an der Universität Innsbruck tätige, 1932 im dritten Versuch in Innsbruck habilitierte, 1937 als Anwärter in den NS-Lehrerbund eintretende, seit 21. April 1938 die Kirchenrechtsvorlesungen Godehard Josef Ebers’ übernehmende Kurt Strele gesetzt, der am 31. Juli 1942 beim Bergsteigen am Achterkogel im Ötztal zusammen mit Karl-Hans Ganahl tödlich verunglückte und dem nach Zwischenlösungen durch 1945 ausgeschiedene „Reichsdeutsche“ auf Grund einer von Godehard Josef Ebers ausgearbeiteten Berufungsliste (Walter Henrich * 1888, Rudolf Schranil * 1885) am 31. 3. 1948 der am 30. 12. 1907 in Mistelbach in Niederösterreich geborene, in Wien studierende, seit 1934 bei dem Magistrat Sankt Pölten, nach dem Wehrdienst seit 1. 8. 1945 als Präsidialsekretär des Verfassungsgerichtshofs tätige, 1947 bei dessen Präsidenten Ludwig Adamovich habilitierte, drittplazierte Walter Antoniolli folgte, der seinerseits (am 17. 3.) 1956 nach Wien zurückkehrte.
Im Privatrecht wurde der in Wien am 19. 5. 1899 als Sohn eines aus Innsbruck stammenden, 1907 nach Innsbruck zurückkehrenden Mittelschulmathematikprofessors geborene, in Innsbruck 1917 maturierende und studierende, sich nach der Innsbrucker Promotion vom 17. 12. 1921 in den Jahren 1922/1923 in Wien wie in Tübingen fortbildende, wegen der Markkatastrophe als Kustos des rechts- und staatswissenschaftlichen Seminars in Innsbruck 1925 bei Friedrich von Woeß (Zweitgutachter Karl Wolff) für österreichisches Privatrecht habilitierte, durch seinen Aufenthalt in Tübingen in dem in Innsbruck wegen der zahlreichen reichsdeutschen Hörer besonders gepflegten deutschen bürgerlichen Recht ausgewiesene, in die Berufungsliste nach Erich Jung (* 1860, Marburg), Artur Steinwenter (* 1888, Graz) an dritter Stelle aufgenommene Franz Gschnitzer († Innsbruck 19. 7. 1968) nach Lehrstuhlvertretung am 21. 4. 1927 Nachfolger seines nach Wien wechselnden Lehrers. Ihm wird trotz späteren Wirkens als Staatssekretär für die Österreichische Volkspartei in dieser Zeit politische Zurückhaltung bescheinigt, wobei er selbst sich (später) als absoluter Gegner des Nationalsozialismus von Anfang an sah, ohne dass seine Akten einen Hinweis auf Widerstand erkennen lassen. Der neben ihm tätige, in Peterwardein (im späteren Jugoslawien) am 11. 2. 1890 geborene, in Wien studierende, am 10. 12. 1913 sub auspiciis imperatoris promovierte und 1915 habilitierte, über Czernowitz (17. 9. 1918) und Wien (1919) am 20. 10. 1919 zunächst als Honorardozent nach Innsbruck gelangte, auf Grund einer Berufungsliste Erich Jung, Karl Wolff, Ernst Swoboda am 5. 10. 1921 zum ordentlichen Professor ernannte Karl Wolff wurde gegen seine eigene Darlegung als Halbjude eingestuft, am 13. 3. 1938 in Schutzhaft genommen, am 26. 4. 1938 beurlaubt, am 28. 5. 1938 in den zeitlichen Ruhestand versetzt und unter Aberkennung des Ruhegenusses (31. 3. 1939) mit einem jederzeit widerrufbaren Unterhaltsbeitrag (15. 6. 1939) ausgestattet, bis er nach Tätigkeiten als Nachhilfelehrer und Kanzleigehilfe in Wien 1945 wieder eine ordentliche Professur erhielt.
Wolffs Stelle nahm der in Kufstein am 10. 12. 1897 geborene, in Innsbruck ausgebildete, neben der Tätigkeit als Richter 1927 bei Paul Kretschmar habilitierte, am 1. 11. 1930 nach Königsberg berufene, seit 1. 5. 1933 der NSDAP angehörige, am 8. April 1938 tatsächlich nach Innsbruck versetzte, am 9. 12. 1938 mit Wirkung zum 1. 7. 1938 zum ordentlichen Professor für bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht und Verkehrsrecht ernannte Hermann Hämmerle ein, was von Franz Gschnitzer als naturgegebene Lösung angesehen wurde. Er hielt Arnold Herdlitczka und Josef Godehard Ebers aus hochschulpolitischen Gründen für völlig untragbar und förderte Ganahl und Strele. Obwohl für ihn Gesinnung sachliche Qualifikation nicht ersetzen konnte, wurde er am 3. 4. 1946 entlassen und fand erst nach Neuhabilitation am 13. 9. 1952 in Graz einen neuen Platz.
Am 27. 7. 1943 wurde (zum 1. 5. 1943) noch der in Schwanheim bei Frankfurt am Main am 12. 3. 1910 als Sohn eines Magistratsrats geborene, nach Studien in Lausanne, Paris und Frankfurt am Main sich gegen die Barbarei der Judenhetze wendende, am 1. 5. 1933 der NSDAP beitretende, von der Tätigkeit als Gerichtsassessor aus politischen Gründen ausgeschlossene, nach schwieriger Habilitation in Frankfurt am Main (1940, Fritz von Hippel) in Freiburg im Breisgau (Dozent) und Greifswald (1. 8. 1941 ao. Professor) tätige Josef Esser auf Grund persönlicher Verbindungen zu Franz Gschnitzer und Eduard Reut-Nicolussi unter Erweiterung seiner Lehrbefugnis Professor in Innsbruck. Als „Reichsdeutscher“ wurde er 1946 seines Amtes enthoben, durfte aber (ausnahmsweise) weiter lehren. Einer nach Aufhebung der Enthebungsverfügung bereiten Innsbrucker außerordentlichen Professur (25. 1. 1949) zog er die Rückkehr als Professor nach Deutschland (1. 11. 1949 Mainz) vor, woraufhin Erich Sachers (Sarajewo 9. 9. 1889-Innsbruck 4. 10. 1974, Matura, Studium Innsbruck, Richter, Habilitation Gießen 1929, 31. 10. 1929 ao. Professor Universität Graz, Juli 1939 entlassen, 1945 zurückberufen) am 17. 6. 1950 (für Zivilprozessrecht) nach Innsbruck zurückkam.
Viele dieser zahlreichen, eher zwischen 1933 und 1945 als zwischen 1945 und 1955 spielenden Geschehnisse kann die Verfasserin durch schriftliche, zum Teil im umfangreichen Anhang herausgegebene Quellen belegen. Noch mehr wird mündlich abgesprochen worden und damit unwiederbringlich verloren gegangen sein. Überhaupt nicht sicher zu ermitteln sind die tiefgründigen, hinter den Handlungen stehenden, unausgesprochenen, vielfach wohl allzu menschlichen und wenig sachlichen Überlegungen wie z. B. die Motive eines Habilitationswerbers sein Kind nach dem ziemlich ungewöhnlichen Vornamen seines des Amtes entsetzten und damit von der Habilitationhilfe ausgeschlossenen, ihm aber nach langen Jahren doch zu einer Professur verhelfenden Doktorvaters zu benennen.
Insgesamt erweist sich der Innsbrucker Hort der Rechtswissenschaft doch als ein Ort vielfältigster feindlichster Auseinandersetzungen gegen jeweils andere. Im Mittelpunkt steht die Macht, nicht das Recht. Nur wenigen besonders Geschickten gelingt in diesem Kampf ein beständiger Platz auf der jeweiligen Sonnenseite des Lebens.
Erforderlich ist dafür die ausreichende Wendigkeit, die jedes Argument zur rechten Zeit als recht darzustellen weiß. Hinzukommen die entsprechenden Verbindungen, die etwa einen Dekan nach Vorarlberg reisen und einen ehemaligen Bundesminister auf Grund einiger Aufsätze, Reden und Vorträge in Zeitungen und Zeitschriften in der Hoffung auf die schönsten künftigen Früchte publizistischer Tätigkeit von seiner Qualifikation als Professor einer juristischen Fakultät überzeugen lassen. Wenn eine Berufungsliste dazu noch auf den vorderen und manchmal auch noch hinteren Rängen mit Namen internationalen Klanges geschmückt wird, von denen jeder weiß oder zumindest glaubt, dass sie niemals eine (außerordentliche) Professur in der Provinz annehmen werden, kann jeder an unscheinbarer Listenstelle versteckte Patronierte, selbst ein kurz vor der eigenen Emeritierung habilitierter alter Privatgelehrter, mit Hilfe scheinbar sachlicher Gutachten oder Begründungen im Zusammenspiel mit der ebenfalls politisch agierenden Berufungsbehörde (vgl. etwa den unter Anbietung eines Privatdozenten erfolgten dezenten Hinweis „unter möglichster Berücksichtigung von Inländern“ in einer Aufforderung zur Erstellung einer Berufungsliste) zumindest versuchsweise zu Amt und Würden gebracht und dadurch auf Kosten der Allgemeinheit die eigene private Einflussmöglichkeit auf Öffentliche Mittel irgendwie verstärkt oder verlängert werden.
Diese augenfällige Verschiedenheit von Ideal (des außergewöhnlichen, intellektuellen und wissenschaftlichen Niveaus) und tatsächlicher örtlicher Wirklichkeit von einem eigenen politischen Standpunkt aus an einem geschichtlichen Beispiel anschaulich dokumentiert zu haben, ist die wichtigste Leistung der Verfasserin. Diesem Verdienst gegenüber fallen kleine, vor allem aus der nicht immer ausreichend erkannten Verschiedenheit der österreichischen und deutschen Rechtsstrukturen erwachsende Unebenheiten nicht ins Gewicht. Schade, dass die interessanten Fußnoten an die Kapitelenden versteckt werden, dass ein Register fehlt und dass die umfangreiches, detailgeschichtlich interessantes Datenmaterial streng chronologisch und damit übersichtlicher ordnenden Kurzbiographien der ursprünglichen Arbeit nicht in die Druckfassung übernommen werden konnten.
Innsbruck Gerhard Köbler