Ratpert, St. Galler Klostergeschichten

(Casus sancti Galli), hg. und übers. v. Steiner, Hannes (= Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 75). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2002. VII, 283 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Ratpert, St. Galler Klostergeschichten (Casus sancti Galli), hg. und übers. v. Steiner, Hannes (= Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 75). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2002. VII, 283 S.

 

1606 veröffentlichte Melchior Goldast (1578-1635) im ersten Band seiner Alamannicarum rerum scriptores die von dem Sankt Gallener Mönch Ratpert am Ende des 9. Jahrhunderts ohne unmittelbares Vorbild verfasste Chronik Textus de origine et diversis casibus monasterii sancti Galli. 1829 gab Ildefons von Arx das als Casus sancti Galli bekannte Werk in Band 2 der Reihe der Scriptores der Monumenta Germaniae Historica erstmals heraus. 1872 bot Gerold Meyer von Knonau einen verbesserten Text mit umfangreichem Kommentar.

 

Weil keine der Ausgaben den optimalen Zugang bietet, legt der Bearbeiter eine Fassung mit als Verständnishilfe geschaffener Übersetzung vor. Dabei beschreibt er in der Einleitung (S. 1-134) zunächst den vielleicht zwischen 850 und 911 anzusetzenden Hospitar Ratpert als wahrscheinlich einzigen Verfasser. Außer den Casus lassen sich für ihn auch liturgische Gedichte nachweisen.

 

Geordnet sind die „Vorfälle“ chronologisch und Durchbrechungen dieser Ordnung sind wohl aus inhaltlichen Gründen gewollt. Eine gleichmäßige, lückenlose Aufzählung erscheint nicht angestrebt. Vielleicht gab die Amtsenthebung Abt Bernhards 890 den Anlass für die Schrift.

 

Danach schildert der Bearbeiter die vom Verfasser mit Bedacht ausgewerteten Quellen und Vorlagen, deren Einwirkung er auch graphisch zu veranschaulichen versucht. Nach seiner Einschätzung verdient Ratpert mehr Glauben, als ihm die früheren Herausgeber entgegenbrachten. Auch wenn sich dort, wo die Überprüfung durch die urkundliche Überlieferung möglich ist, zeigt, dass sich Ratpert während seiner Arbeit nicht unmittelbar an den Texten orientiert hat, belegen seine Ausführungen doch stets gute Kenntnis vom jeweiligen Geschehen.

 

Nach der einfühlsamen Betrachtung von Konzept, Sprache und Stil Ratperts wendet sich der Bearbeiter der Überlieferung durch sieben (bzw. acht) Handschriften zu. Sie setzt nach seiner Ansicht vielleicht noch zu Lebzeiten Ratperts ein, erreicht ihre größte Dichte aber erst am Übergang zur Neuzeit. Daraus ergibt sich notwendigerweise eine auf Sankt Gallen beschränkte ältere Wirkungsgeschichte des nach der Leithandschrift edierten Werkes.

 

Gestützt wird die Ausgabe ((S. 136-239) durch ein Quellen- und Literaturverzeichnis, ein Bibel, spätantike und mittelalterliche Literatur sowie Inventare, normative (z. B. Kapitularien, Diplomata, Formulae), liturgische und memoriale Quellen scheidendes Stellenregister, ein Register zu den Bücherverzeichnissen, ein Namensregister und ein Wortregister (S. 243-283). Damit bietet die Edition eine verlässliche Grundlage für die Beschäftigung mit Ratperts Werk. Sehr schnell wird darüber kaum hinauszugelangen sein.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler