Ratsprotokolle Oberste Justizstelle
Ratsprotokolle Oberste Justizstelle Tyrol-Vorarlberg. Senat 1814-1844. Bd. 1 hg. v. Faistenberger, Christoph, red. v. Niedermayr, Monika (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 244). Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck 2003. VI, 244 S.
Es ist ein sehr verdienstvolles Projekt, dessen „erste Runde“ nunmehr im Druck vorliegt und dem hoffentlich noch viele „Runden“ folgen werden. Durch die Arbeit von Peitler (Franz Peitler, Hg., Sammlung von Entscheidungen zum allgemeinen österreichischen bürgerlichen Gesetzbuche von 1812 bis Ende 1859, 2. A. Wien 1860) ist die Judikatur der Obersten Justizstelle zur Frühzeit des ABGB grundsätzlich erschlossen, manches findet auch seinen Niederschlag in der Justizgesetzsammlung und in der Politischen Gesetzessammlung sowie verstreut in der älteren Literatur. Das ist aber immer nur eine Auswahl, die nun durch die Innsbrucker Initiative eine quellengetreue und ausführlich kommentierte Abrundung erfährt. Welche Arbeit hier geleistet wurde und wird, das kann trotz der eindrücklichen Schilderung des Herausgebers im Vorwort (S. 1ff.) wirklich nur der ermessen, der sich selbst einmal in diesen Gefilden bewegt hat. Für nicht sachkundige Leser wäre wohl eine kurze Einführung in das damalige Justizwesen oder zumindest ein einführendes bzw. weiterführendes Literaturverzeichnis eine wohltuende Hilfe. Angemerkt sei, dass der S. IV zitierte „Franz Zeiler“ wohl richtigerweise in „Franz von Zeiller“ korrigiert werden müßte und dass die in S. 11 Anm 4 und öfter zitierte Untersuchung von Maasburg über die Geschichte der Obersten Justizstelle 1891 in einer (selten zu findenden) zweiten, erweiterten Auflage erschienen ist. Zu erhoffen ist für den „Endausbau“ auch ein Index, der die Fülle an juristischen Details besser zugänglich macht, die sich hinter jedem Fall verbergen ‑ eine Fülle, die sich erst durch die sachkundige und einfühlsame Bearbeitung Monika Niedermayrs auftut, zumal der Inhalt der Referentenentwürfe naturgemäß sehr unterschiedlich ist. Die Spärlichkeit der sich darin oft darbietenden Informationen ist auch leicht erklärt: Der Referent konnte in der Ratssitzung ja mündliche Erläuterungen geben. Der vorliegende Band bietet vorerst einmal fünf Fälle, die sich von den sachlichen Ausgangsbereichen her mit der Schlüsselgewalt der Ehefrau (9ff.), einer gegenseitigen Versicherung gegen den Militärdienst (25ff.), einem Hofrekurs an den Kaiser (123ff.), einem Streit um eine Wiese (127ff.) sowie mit einem strittigen Bestandsverhältnis (175ff.) auseinandersetzen. Man darf sich allerdings von den schlagwortartigen Überschriften nicht leiten lassen, die Aufbereitung umfasst dann ein sehr weites juristisches Spektrum, das den Fall in seiner kompletten zeitgenössisch-rechtlichen Dimension (auch mit Bezügen auf das geltende Recht) zeigt - sogar bis zum Nachweis unrichtiger Entscheidung durch die Oberste Justizstelle. Insgesamt ist es ein vielversprechendes Unternehmen, über das sich nicht nur Rechtshistoriker sondern auch die Vertreter des geltenden Rechtes freuen können!
Graz Gernot Kocher