Stadt und Handel. Stadt in der Geschichte,
ValentinitschStadt20000214 Nr. 699 ZRG 118 (2001)
Stadt und Handel. Stadt in der Geschichte, hg. v. Kirchgässner, Bernhard/Becht, Hans-Peter (= Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung 22). Thorbecke, Sigmaringen 1995. 146 S.
Der vorliegende Band enthält sechs Referate, die auf einer in Schwäbisch Hall durchgeführten Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung gehalten wurden. Im Vordergrund des Symposiums standen verschiedene Fragen der Handels- und Verkehrsgeschichte, doch wurden auch speziell rechtshistorische Aspekte erörtert. Der zeitliche Rahmen der einzelnen Vorträge umfaßt das Spätmittelalter bzw. die frühe Neuzeit.
Der Innsbrucker Rechtshistoriker Rudolf Palme ist wohl einer der besten Kenner des Salzbergbaus und Salzhandels in Europa. In seinem ersten Beitrag beschreibt er detailliert die Organisation des Tiroler Salzhandels in die Schweiz sowie nach Vorarlberg und Südwestdeutschland. Dabei werden auch mehrere Querverbindungen zur Rechtsgeschichte deutlich. Palme zeigt, daß das in Hall produzierte Tiroler Salz wegen der Konkurrenz der Nachbarländer nur nach Westen exportiert werden konnte. Da der Arlberg bis ins ausgehende 18. Jahrhundert kaum befahrbar war, mußte man das Tiroler Salz über den Fernpaß nach Reutte bringen. Von hier aus gelangte es dann in das Bodensee-Gebiet, nach Vorderösterreich und in das Elsaß. Die Paßstraßen mußten ständig von den Bewohnern der benachbarten ländlichen Gemeinden instandgehalten werden, weshalb die Bauern davon das ausschließliche Recht auf den durch ihr Gebiet führenden Salztransport beanspruchten. Der Tiroler Landesfürst verlieh nun wegen der schwierigen Gelände- und Wegverhältnisse auch dörflichen Gemeinden das Niederlagsrecht. Seit dem Spätmittelalter wurde die als „Rod“ bezeichnete Reihenfolge geregelt, in welcher die einzelnen Gemeindemitglieder das Salz bis zum nächsten Niederlagsort transportierten.
Klaus Militzer (Köln) untersucht den Kölner Weinhandel im Spätmittelalter. Die Stadt war beim Weinhandel allein schon durch ihre geographische Lage begünstigt, wobei der Schiffahrt auf dem Rhein eine besondere Bedeutung zukam. Die Kölner Händler kauften den Wein am Mittel- und Oberrhein auf und exportierten ihn hauptsächlich in die Niederlande, aber auch nach England und in den Ostseeraum. Seit dem 12. Jahrhundert baute die Stadt ihr Stapelrecht konsequent aus und konnte schließlich einen Sperrstapel durchsetzen. Vom Weinhandel profitierten in Köln Angehörige aller Bevölkerungsschichten. Die Abgaben, die mit dem Weinhandel und dem Ausschenken von Wein verbunden waren, verschafften der Stadtkasse beträchtliche Einnahmen.
Zwei Referate beschäftigen sich mit dem Handel von Augsburg (Reinhard Hildebrand, Aachen) und von Nürnberg (Michael Diefenbacher, Nürnberg). Hingegen untersucht Manfred Straube (Leipzig) den Osthandel und die mitteldeutschen Städte im 16. und 17. Jahrhundert. Am Beispiel von Augsburg wird deutlich, daß dem Fernhandel zwischen der städtischen und der internationalen Wirtschaft eine „Brückenfunktion“ zukam, die auch ein offenes geistiges Klima ermöglichte. Diefenbacher zeigt die Internationalität des Nürnberger Handels auf. Beide Referenten wenden sich gegen die ältere Forschung, die schon im ausgehenden 16. Jahrhundert einen Niedergang der Wirtschaft Augsburgs, und etwas später auch von Nürnberg, sehen wollte. In der Diskussion versucht Hildebrand überhaupt den Begriff „wirtschaftlicher Niedergang“ anhand von mehreren Beispielen zu relativieren. Diefenbacher wieder meint, daß die Wirtschaftskraft Nürnbergs erst im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges zurückging. Nach 1648 gab es zwar eine gewisse Aufschwungsphase, die jedoch am Ende des 17. Jahrhunderts wieder in eine Abwärtsbewegung überleitete. Aus den Ausführungen Straubes geht hervor, daß seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in seinem Untersuchungsgebiet eine kontinuierliche und starke Zunahme des Handels sowohl in Ost-West- als auch in West-Ost-Richtung zu verzeichnen war. Die Frage, warum die großen Märkte in Leipzig in der frühen Neuzeit so erfolgreich mit den alten am Rhein und Main gelegenen Handelszentren konkurrieren konnten, beantwortet Straube u.a. damit, daß Leipzig am Schnittpunkt von zwei großen Fernhandelsverbindungen lag. Einen Einblick in den Warenverkehr ermöglicht die im Anschluß an das Referat von Straube wiedergegebene Geleitsordnung von Eilenberg aus den Jahren 1524/25. Das letzte Referat von Peter Claus Hartmann (Mainz) beleuchtet die Rolle europäischer Bankiers und Bankzentren bei der Überweisung von Subsidien im 18. Jahrhundert. Die beiden wichtigsten Großmächte, die im Ancien régime Subsidien als Instrument ihrer Interessen- und Machtpolitik gezielt einsetzten, waren England und Frankreich. An zahlreichen Beispielen wird deutlich, welchen Weg die Geldzahlungen zu ihren Empfängern nahmen. In der Regel bediente man sich dabei der Hilfe von Wechselbriefen. Besonders hervorzuheben ist, daß diese Transaktionen im Reich vor allem von protestantischen, calvinistischen oder jüdischen Bankiers durchgeführt wurden. Die einzelnen Beiträge des Tagungsbandes ergeben nun kein zusammenhängendes Bild, gemeinsam ist ihnen aber, daß sie Entwicklungslinien aufzeigen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Die Aussagen der Referenten werden durch die ebenfalls gedruckten Diskussionsbeiträge vertieft.
Abschließend kann man feststellen, daß es den beiden Tagungsleitern bzw. Herausgebern gelungen ist, einen Sammelband vorzulegen, der zahlreiche Anregungen enthält.
Graz Helfried Valentinitsch