Steiner, Robert, Die Entwicklung der bayerischen Bischofssiegel von der Frühzeit bis zum Einsetzen des spitzovalen Throntyps

*Steiner, Robert, Die Entwicklung der bayerischen Bischofssiegel von der Frühzeit bis zum Einsetzen des spitzovalen Throntyps (= Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte neue Folge 40). Beck (Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften), München 1998. Besprochen von Johannes Burkardt. ZRG GA 118 (2001)

BurkardtSteiner20000914 Nr. 10063 ZRG 118 (2001)

 

 

Steiner, Robert, Die Entwicklung der bayerischen Bischofssiegel von der Frühzeit bis zum Einsetzen des spitzovalen Throntyps (= Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte N. F. 40). Beck (Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften), München 1998. (Textband) 8*, 363 S., (Tafelband) 11* S., LXII Tafeln mit 216 Abb.

Die Dissertation Robert Steiners, eines 1989 verstorbenen Peter Acht-Schülers, orientiert sich in den Grundzügen an den altbewährten Siegelwerken Wilhelm Ewalds über die Siegel der Erzbischöfe von Köln (erschienen 1906) und über die Siegel der Erzbischöfe von Trier (publiziert 1910). Alle nachweisbaren Siegeltypen der älteren bayerischen Bischöfe werden in einer katalogartigen Zusammenstellung erschlossen, die durch einen Tafelteil mit 216 Siegelfotographien ergänzt ist.

Die inhaltliche Untergliederung des Kataloges ist übersichtlich. Begonnen wird mit den Siegeln der Bischöfe von Regensburg (1037 bis 1245), es folgen Freising (1113 bis 1256), Passau (1056 bis 1254), Augsburg (1099 bis 1260), Eichstätt (1035 bis 1231), Bamberg (ca. 1024 bis 1296), Würzburg (1008 bis 1254) und Chiemsee (1237 bis 1260). Aufgenommen sind alle Siegel von den Anfängen bis zum Wechsel von runden zu spitzovalen Typaren. Dieses Kriterium wurde aus rein pragmatischen Gründen gewählt; der Autor betont, in der Formveränderung der Siegel kein Anzeichen des Übergangs von der Romanik zur Gotik sehen zu wollen. Die Fülle des von Steiner in unzähligen Archiven zusammengetragenen und auf über 310 Seiten ausgewerteten Materials ist in jeder Beziehung respektheischend.

Im Unterschied zu den Vorgängerwerken liegt das Hauptaugenmerk des Verfassers nicht auf den Abbildungen. Mit akribisch zu nennender Sorgfalt wird von ihm vielmehr jeder einzelne Siegeltyp im Katalog mit zahlreichen Querverweisen auf die vorhandene Literatur beschrieben und besprochen. Am Ende jeder Beschreibung folgen Angaben über die Größe der Typare (wichtig, da alle Siegelabbildungen im Tafelteil auf etwa dieselbe Größe gebracht werden und nicht im Maßstab 1:1 reproduziert werden) sowie über die Umschriften bzw. Legenden. Ältere Abbildungen werden ebenso nachgewiesen wie das Vorkommen der erhaltenen Siegel. Der Aufbau jeder einzelnen Siegelschilderung ist klar und benutzerfreundlich.

Dem Katalog angeschlossen ist ein Hauptkapitel „Ergebnisse“. Hier werden in stark geraffter Form die wichtigsten Beobachtungen, die Steiner bei der Sichtung der Quellen gemacht hat, zusammengetragen. Allzu viel darf man hiervon nicht erwarten. Immerhin werden auf nur 31 Seiten 12 Kriterien, unter anderem die Punkte Legende (Umschrift), Schrift, Größe, Form, Siegelbild, Pontifikalkleidung, Siegelankündigung und Siegelbefestigung sowie Siegelstoff behandelt. Interessant sind einige Tabellen, die sich der Übernahme von neuen Stilelementen (Throntypen, Mitradarstellungen etc.) und der Befestigungsweise der Siegel widmen.

Besonders im Zusammenhang mit diesem letzten Kapitel muß bemerkt werden, daß das Buch kein literarisches Kunstwerk sein kann und will. Um die riesigen Materialmengen überhaupt in den Griff bekommen zu können, mußte der Verfasser auf Kosten der Lesbarkeit manchmal sogar in einer Art Telegrammstil arbeiten. Es kam ihm auf die möglichst vollständige Präsentation des Quellenmaterials an, nicht auf eine eingehende Untersuchung und monographische Auswertung. Besonders in letzterer Beziehung ist sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Steiner hat eine eindrucksvolle Pionier- und Grundlagenarbeit geleistet. Dabei hat er aber zunächst immer das klassische Ziel der älteren Diplomatik im Blick. Es gilt, möglichst viele Kriterien zusammenzustellen und zu untersuchen, die der Urkundenlehre bei der Scheidung des echten von falschem Urkundenmaterial behilflich sein können. Über das discrimen veri ac falsi hinaus finden neuere hilfswissenschaftliche Tendenzen, wonach die Siegel unabhängig von der Urkunde als eigenständige Quelle in den Mittelpunkt des Forscherinteresses treten können, in der - freilich bereits vor 1989 inhaltlich abgeschlossenen - Untersuchung keine Berücksichtigung. Trotzdem spürt der Verfasser die Bedeutung der Siegel zum Beispiel als kunsthistorische Objekte oder als Herrschaftszeichen, und er baut demjenigen, der sich für diesen Themenkreis interessiert, viele Brücken.

Bücher haben ihre Schicksale, und manchmal holt dieses Schicksal den Autor ein. So auch in diesem Fall. Es ist ausgesprochen tragisch, wenn der Verfasser eines bedeutenden quellenkundlichen Werkes, wie es uns hier zweifellos vorliegt, nach über zwanzigjähriger Forschungsarbeit den Druck seines Buches nicht mehr erleben darf.

Bad Berleburg                                                                                                Johannes Burkardt