Stolz, Otto, Geschichte der Verwaltung Tirols.

* Teilstück des zweiten Bandes der Geschichte des Landes Tirol, für den Druck vorbereitet von Thaler, Dietrich, mit einem Werkverzeichnis von Stolz, Otto, zusammengestellt von Dörrer, Friedolin (= Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 13). Wagner, Innsbruck 1998. Besprochen von Helfried Valentinitsch. ZRG GA 118 (2001)

ValentinitschStolz20000214 Nr. 1209 ZRG 118 (2001)

 

 

Stolz, Otto, Geschichte der Verwaltung Tirols. Teilstück des zweiten Bandes der Geschichte des Landes Tirol, für den Druck vorbereitet von Thaler, Dietrich, mit einem Werkverzeichnis von Stolz, Otto, zusammengestellt von Dörrer, Friedolin (= Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte 13). Wagner, Innsbruck 1998. 319 S.

Der 1957 verstorbene Tiroler Gelehrte Otto Stolz hat mit über 500 Publikationen - darunter 19 Monographien! - ein imposantes Lebenswerk hinterlassen. Auf seine Bedeutung als Archivar und akademischer Lehrer, vor allem aber für die Erforschung der Geschichte Tirols, muß hier nicht weiter eingegangen werden. Im Laufe seiner wissenschaftlichen Karriere hat sich Otto Stolz schon sehr früh auch mit rechtshistorischen Fragen im engeren Sinn befaßt, z. B. in seinen Aufsätzen über die Tirolischen Geleits- und Rechtshilfe-Verträge oder über die Gerichte Deutsch-Tirols. Stolz plante eine große, auf mehrere Bände angelegte Geschichte des Landes Tirol und hat dafür enormes Material zusammengetragen. Bis zu seinem Tod erschien aber nur der erste Band der Landesgeschichte. Für die weiteren Bände lag ein rund 2.000 Seiten umfassendes Manuskript vor. An eine rasche und vollständige Veröffentlichung dieses Materials war nicht zu denken, weil Stolz keine Gelegenheit mehr hatte, alle Teile auszuarbeiten. Es war aber ein Anliegen des Innsbrucker Rechtshistorikers Nikolaus Grass, zumindest den geplanten Band über die Verwaltungsgeschichte zu veröffentlichen. Grass war es krankheitshalber nicht mehr vergönnt, dieses Vorhaben selbst in die Tat umzusetzen. Die Veröffentlichung des Manuskripts ist daher im Wesentlichen das Werk seines Schülers Louis Morsak und Dietrich Thalers, der die sicher nicht leichte, mustergültige Vorbereitung für die Drucklegung übernahm. Das Buch ist zugleich der letzte Band der von Nikolaus Grass herausgegebenen Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte, da der Herausgeber im 1999 verstorben ist.

In der einfühlsamen „Einbegleitung“ wird der Leser von Louis C. Morsak an die Gedankenwelt von Otto Stolz herangeführt. Es ist ungewöhnlich, daß heute ein Manuskript mehr als 40 Jahre nach dem Tod des Verfassers, noch dazu ohne Kommentar, veröffentlicht wird. Zweifellos werden viele der von Stolz vertretenen Meinungen von der modernen Geschichtsforschung nicht mehr geteilt. Auch würde man heute manche Fragen anders stellen. Morsak rechtfertigt die späte Drucklegung unter anderem damit, daß es sich hier um „ein Stück Darstellungskunst innerhalb der Tiroler Rechts- und Kulturgeschichte“ handelt! Morsak meint auch, daß sich „... ein Tiroler Verwaltungsbild in archivalischer Breitbandigkeit anbietet“. Die wissenschaftlichen Arbeiten von Otto Stolz zeichnen sich durch ihre klare Gliederung und ihren unprätentiösen, manchmal etwas spröden Stil aus. Dies gilt auch für den vorliegenden Band, der in fünf große Abschnitte gegliedert ist. Der zeitliche Rahmen der Darstellung ist in den einzelnen Abschnitten sehr unterschiedlich, doch liegen auf dem Mittelalter und der frühen Neuzeit zweifellos besondere Schwerpunkte. Grundsätzlich war Stolz aber bestrebt, seine Ausführungen vom Mittelalter zumindest bis zum Ende der Monarchie heraufzuführen. Bei manchen Kapiteln, wie z.B. bei der Sozialversicherung, hat er sogar die Entwicklung bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts verfolgt. Der erste Abschnitt über das Behörden- und Ämterwesen enthält einzelne Kapitel über den Hof- bzw. über den landesfürstlichen Behördenapparat, dann über die landschaftlichen Behörden, die Bezirksämter und schließlich über das Wesen der Behörden und Ämter im allgemeinen. Die beiden umfangreichsten Abschnitte sind einzelnen Sachgebieten der politischen Verwaltung sowie der Geschichte des Finanzwesens gewidmet. Stolz faßt den Begriff Verwaltung sehr weit und geht nicht nur auf den Polizei- oder Sicherheitsdienst ein, sondern befaßt sich auch eingehend mit dem Sanitätswesen, der sozialen Fürsorge und der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und mit Wohnraum. Beim Finanzwesen konnte Stolz auf seine zahlreichen Untersuchungen zur Geschichte des Tiroler Steuer- und Zollwesens zurückgreifen. Hingegen werden andere Regalien des Tiroler Landesfürsten, wie das Berg-, Jagd- und Fischereiregal, eher kursorisch behandelt. Dies gilt besonders für die Tiroler Bergrechtsentwicklung. Stolz beschränkte sich hier im wesentlichen auf eine Aufzählung der Tiroler Bergordnungen, ohne auf ihren Inhalt näher einzugehen. Interessant sind jedoch seine Ausführungen über die sogenannten „Dörcher und Karrner“. Es handelt sich hier um Familienverbände, die vom 18. bis zum 20. Jahrhundert als Landfahrer in Tirol verschiedenen Erwerbsmöglichkeiten nachgingen.

Der letzte Abschnitt des Buches ist der Geschichte der Landesverteidigung und des Heerwesens in Tirol gewidmet. Das Schwergewicht liegt hier auf der für Tirol typischen Wehrverfassung. Die weiteren Kapitel enthalten viele Details, wie z.B. über Zeughäuser, Kasernen, Einquartierungen und Vorspanndienste. Die angeschlossene Übersicht über die Kriegsgeschichte Tirols ist freilich nur fragmentarisch ausgeführt.

Auf die Darstellung folgt ein umfangreiches Verzeichnis der wiederholt benützten Literatur und der gedruckten Quellen. Der Anhang enthält ein Verzeichnis sämtlicher Veröffentlichungen von Otto Stolz, das von seinem langjährigen Mitarbeiter Friedolin Dörrer zusammengestellt wurde. Mehrere Register erleichtern den Zugriff auf die einzelnen Sachgebiete. Im Rückblick bietet sich dem Leser, um eine treffende Formulierung von Louis C. Morsak zu gebrauchen, „ein Tiroler Verwaltungsbild in archivalischer Breitbandigkeit“ an. Die Verwaltungsgeschichte von Otto Stolz ist daher nicht nur ein hervorragendes Dokument der österreichischen Wissenschafts- und Rechtsgeschichte, sondern sie kann durch ihre Fülle an Details auch heute noch zu neuen und weiterführenden Fragestellungen anregen.

Graz                                                                                                           Helfried Valentinitsch