Großekathöfer, David, „Es ist ja jetzt Gleichberechtigung“
Großekathöfer, David, „Es ist ja jetzt Gleichberechtigung“. Die Stellung der Frau im nachehelichen Unterhaltsrecht der DDR (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 2). Böhlau, Köln 2003. 234 S.
Die zum Staatsziel der Deutschen Demokratischen Republik erhobene Gleichberechtigung von Frau und Mann erfuhr im sozialistischen Deutschland in der Gesetzgebung wie in der Rechtswirklichkeit eine ganz andere Interpretation und Prägung als in der westlichen Bundesrepublik. Großekathöfer hat das nacheheliche Unterhaltsrecht der geschiedenen Frau in der DDR herausgegriffen, um aufzuzeigen, dass formale Gleichheit nicht notwendigerweise den Schutz des ökonomisch schwächeren Ehegatten mit sich bringt.
Als Fazit kann der Autor mitteilen, dass die Unterhaltsansprüche von Frauen zurückgeschraubt wurden, obwohl sie – trotz ihres bekanntlich stärkeren Einbezugs in die Berufswelt der Werktätigen - wirtschaftlich gesehen in der Regel nach einer Scheidung die größeren Nachteile trugen. Diese Erkenntnis ist nichts Neues; die Arbeit setzte sich wegen des engen Zuschnitts des Themas aber auch nicht zum Ziel, etwa unter Einbeziehung des „BRD“-Unterhaltsrechts, nach den maßgeblichen Komponenten für den Grad der Ausprägung bestimmter Schutzgedanken durch den Gesetzgeber zu suchen.
Die vorgelegte Dissertation zieht vielmehr eine Linie von den Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die das Ideal der bürgerlichen Ehe festhalten, über das Ehegesetz von 1938, das in der DDR bis 1955 galt, über die DDR Eheverordnung 1956 bis hin zum Familiengesetzbuch der DDR, das von 1966 bis wenige Tage vor der Wende 1989 galt. In einem Anhang, der sämtliche relevanten Normen enthält, findet sich sogar das 1. Familienrechtsänderungsgesetz vom 20. Juli 1990, das nur wenige Tage in Kraft war, inhaltlich kurz kommentiert. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt wohl in der für die DDR-Zeit maßgeblichen Auswertung der im Bundesarchiv lagernden Quellen des Ministeriums der Justiz sowie einigen DDR-Presseartikeln aus dem Jahre 1954 und der offenbar ansonsten zum Thema vorzufindenden DDR-Literatur, ohne dass dies näher erläutert wird.
Das Verständnis der DDR-Führung von der erzieherischen Wirkung des Ehe- und Familienrechts kann in den oftmals wörtlich wiedergegebenen Zitaten aus den protokollierten Fachdiskussionen vom Leser sehr plastisch nachvollzogen werden. Dies bedarf dann auch kaum noch einer zusätzlichen Kommentierung. Der Autor beschränkt sich demnach auf Zusammenfassungen wie beispielsweise: „(…) führte die Rücksichtnahme auf ideologisches Gedankengut zu einer unpraktischen und manchmal auch grob unbilligen Rechtsprechung (…)“ (S. 121).
Immer wieder verblüffend (hierzu S. 171): In der DDR-Rechtswirklichkeit der Siebziger Jahre hatte sich der leitende Gedanke des Scheidungsfolgenrechts, dass mit der Scheidung grundsätzlich alle wirtschaftlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander enden, auch im Bewusstsein der DDR-Bevölkerung verankert. Vielen Frauen war daher unbekannt, dass es nach dem Gesetz – wenn auch nur eingeschränkt – überhaupt einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gab. Nennenswerte rechtswissenschaftliche Diskussionen fanden nicht statt, vielmehr wiederholte das Oberste Gericht bei seiner „Ausgestaltung“ der unterhaltsrechtlichen Regeln nur die von der Politik vorgegebenen Rechtsansichten.
Das nacheheliche Unterhaltsrecht des heutigen für ganz Deutschland geltenden Bürgerlichen Gesetzbuches kennt auch den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit der geschiedenen Ehegatten, allerdings wird dieser durchbrochen von einer ansehnlichen Reihe von Ausnahmen, allen voran der Aspekt zugleich zu schützender Kindesinteressen (Betreuungsunterhalt). Gerade in jüngster Zeit werden die sonstigen Ausnahmen in der Öffentlichkeit erneut stärker kritisch unter die Lupe genommen. Thematisiert wird aber weniger die Gleichberechtigung der Frau, sondern eher deren „Übervorteilung“ durch den Gesetzgeber. Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung interessiert am Ende die tatsächliche Frage, ob dies in den neuen Bundesländern mit anderen Augen gesehen wird.
München Ute Walter