Thorau, Peter, König Heinrich (VII.),

*Thorau, Peter, König Heinrich (VII.), das Reich und die Territorien. Untersuchungen zur Phase der Minderjährigkeit und der „Regentschaften“ Erzbischof Engelberts I. von Köln und Herzog Ludwigs I. von Bayern (1211) 1220-1228 (= Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich [VII.], Teil 1). Duncker & Humblot, Berlin 1998. Besprochen von Arno Buschmann. ZRG GA 118 (2001)

BuschmannThorau20000330 Nr. 1141 ZRG 118 (2001)

 

 

Thorau, Peter, König Heinrich (VII.), das Reich und die Territorien. Untersuchungen zur Phase der Minderjährigkeit und der „Regentschaften“ Erzbischof Engelberts I. von Köln und Herzog Ludwigs I. von Bayern (1211) 1220-1228 (= Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich [VII.], Teil 1). Duncker & Humblot, Berlin 1998. 403 S.

Die vorliegende Saarbrücker philosophische Habilitationsschrift aus dem Wintersemester 1995/96 ist entstanden im Zusammenhang mit den Arbeiten des Verfassers zu Leben und Herrschaft des spätstaufischen Königs Heinrichs (VII.) im Rahmen der „Jahrbücher der Deutschen Geschichte“, an deren Weiterführung die Bayerische Akademie der Wissenschaften unbeirrt festhält. Den Auftrag zur Bearbeitung erhielt der Verfasser vom inzwischen verstorbenen Helmut Beumann, der das Erscheinen des ersten Teilbandes, der die Zeit von 1220 bis 1228 umfaßt, leider nicht mehr hat erleben können. Der zweite Teilband steht noch aus. Es ist zu hoffen, daß er in absehbarer Zeit vorliegen wird, damit ein Gesamturteil über die Darstellung des Verfassers abgegeben werden kann.

König Heinrich (VII.) gehört zu jenen staufischen Herrschern, denen sich die Forschung bisher nur zögernd und vor allem nur im Zusammenhang mit seinem übermächtigen Vater, Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen, zugewandt hat. Abgesehen von einer insgesamt wenig brauchbaren, vom Verfasser zu Recht als apologetisch eingestuften Arbeit von E. Franzel aus dem Ende der Zwanzigerjahre haben sich die meisten Heinrich betreffenden Untersuchungen nur mit dem wichtigsten Ereignis in der Regierungszeit dieses Herrschers, dem Konflikt mit seinem kaiserlichen Vater, befaßt und die gesamte Deutung und Einordnung seiner Person in den geschichtlichen Gesamtzusammenhang nur unter diesem Gesichtspunkt vorgenommen[1]. Erst in jüngster Zeit scheint sich hier eine Änderung anzubahnen, für die nicht nur die vorliegende Arbeit des Verfassers, sondern auch die Arbeiten von W. Stürner und unlängst eine eigens der Person Heinrichs gewidmete Tagung der Gesellschaft für Staufische Geschichte Ende 1999 Zeugnis ablegen[2].

In der Tat genügt es bei der Beschäftigung mit Heinrichs Leben und Regierungszeit nicht, sich auf die Untersuchung des Konflikts mit dem kaiserlichen Vater zu beschränken. Mindestens ebenso wichtig ist – neben seiner Kindheit – die ausführliche Erörterung der Zeit der „Regentschaft“ nach der Wahl Heinrichs zum deutschen König im Jahre 1220 und die Auswirkung dieser „Regentschaft“ auf Politik und Verfassung innerhalb des Deutschen Reiches, wobei, wie der Verfasser zutreffend bemerkt, überhaupt das Problem des „Kindkönigtums“ im Mittelalter, das in der Person Heinrichs freilich nicht zum ersten mal auftaucht, nicht aus den Augen gelassen werden darf. Aus den Augen verlieren darf man auch nicht – und auch hier hat der Verfasser Recht – den Zusammenhang zwischen den reichspolitischen Vorstellungen und den territorialen Absichten des Kaisers auf der einen und den Zielen der „domini terrae“, d.h. der Reichsfürsten, auf der anderen Seite. All dies hat der Verfasser zu berücksichtigen versucht und hierbei die bekannten und eingefahrenen Pfade der bisherigen Forschung vielfach verlassen, namentlich die reichspolitischen und territorialen Absichten von Kaiser und König nicht getrennt behandelt, sondern, wie erforderlich, zusammenhängend erörtert.

Entsprechend diesen Gesichtspunkten beginnt der Verfasser seine Darstellung in einem ersten Teil mit einer Schilderung der Situation des Reiches, aber auch des Königreiches Sizilien nach dem plötzlichen Tod Kaiser Heinrichs VI. im Jahre 1197, der dänischen Expansion im Norden des Reiches, den politischen, insbesondere territorialpolitischen Maßnahmen Friedrichs II. von Hohenstaufen im Reich, der Erhebung Heinrichs zum Herzog von Schwaben, seiner Ernennung zum Rektor von Burgund und schließlich der Wahl Heinrichs zum deutschen König. Der zweite Teil der Arbeit ist der Zeit der „Regentschaft“ Engelberts von Köln bis zu dessen Ermordung im Jahre 1225 gewidmet, wobei der Verfasser zunächst die Zusammensetzung der Berater des Königs unter der Leitung des „Regenten“ Engelbert und danach namentlich dessen Stellung als „gubernator“ und „provisor“ des Reiches beschreibt, um im Anschluß daran die wichtigsten Ereignisse dieser „Regentschaft“ bis zur Vermählung des Königs und dem Eintritt des Königs in die Volljährigkeit zu erörtern. Der dritte Teil der Arbeit schließlich behandelt die verhältnismäßig kurze Zeit der „Regentschaft“ Ludwigs I. von Bayern bis zum Krieg im Elsaß und dem Bruch zwischen Ludwig und dem jungen König im Jahre 1228.

Es ist hier nicht der Ort, die Darstellung des Verfassers in allen Einzelheiten zu kommentieren oder mit kritischen Anmerkungen zu versehen. Der Verfasser hat mit großer Sorgfalt und Sachkenntnis die überlieferten Quellen, insbesondere die Urkunden, ausgewertet und einer kritischen Analyse unterzogen, wobei er nicht selten zu vom bisherigen Forschungsstand abweichenden Resultaten gelangt. In unserem Rahmen kann nur auf einige spezifisch rechtshistorische Fragen eingegangen und können auch diese nur andeutungsweise behandelt werden.

So nimmt der Verfasser etwa in der Beurteilung der Confoederatio von 1220, die vielfach noch immer – fast muß man sogar sagen – wider besseres Wissen als Dokument des Ausverkaufs der königlichen Rechte an die geistlichen Reichsfürsten bezeichnet wird, zu Recht an, daß von einem solchen Ausverkauf keine Rede sein kann, vielmehr die königlichen Rechte nicht nur nicht in Frage gestellt, sondern sogar im Grundsatz bekräftigt worden sind. Dies ergibt sich, so wird man hinzufügen müssen, im übrigen auch aus der Tatsache, daß die Regalienhoheit des Königs fünfzehn Jahre später im Mainzer Reichslandfrieden von 1235 noch einmal ausdrücklich betont wurde. Die in Rede stehenden Rechte waren, wie sich aus dem Text der Urkunden – beim Mainzer Reichslandfrieden vor allem aus der überlieferten lateinischen Fassung – entnehmen läßt, den Reichsfürsten nur zur Ausübung überlassen, nicht hingegen im Wege eines Rechtsverzichtes übertragen worden. Etwas anders verhält es sich mit der Aussage des Verfassers, daß Friedrich II. von Hohenstaufen die Reichsinsignien als Symbol seiner allgemeinen Anerkennung im Reich in seinen Besitz habe bringen wollen. Tatsächlich sah sich Friedrich II. von Hohenstaufen gezwungen, die Reichsinsignien nach seiner Wahl und Krönung zum deutschen König in seine Hand zu bekommen, da die „echten“ Insignien Legitimationsvoraussetzungen für die Ausübung der königlichen Herrschaft waren, nicht hingegen bloße Anerkennungssymbole. Nur wer die „echten“ Reichsinsignien in seinen Händen hielt, war über jeden Zweifel an der Legitimität seines Königtums erhaben. In der Frage der Rechtsstellung des Erzbischofs von Köln und den diesem beigegebenen Personenkreis vertritt der Verfasser zu Recht die Auffassung, daß es sich hierbei im Ansatz um das später in Erscheinung tretende „consilium regis“ gehandelt habe, dem der Erzbischof von Köln als „gubernator“ vorgestanden sei. Man könnte allerdings auch die Ansicht vertreten, daß in der Einsetzung des Kölner Erzbischofs eine Regelung begegnet, wie sie uns später in Gestalt des Reichsvikariats „absente rege“ entgegentritt.

Mit diesen zugegebenermaßen wenigen Bemerkungen muß es hier sein Bewenden haben. Insbesondere kann nicht in extenso darauf eingegangen werden, welche rechtliche Bedeutung die in den Quellen im Zusammenhang mit der „Regentschaft“ anzutreffenden Termini wie „gubernator“, „provisor“, „curator“ oder „custos“ im Einzelnen gehabt haben werden. Richtig ist, daß der Verfasser etwa für die Bezeichnung „curator“ die privatrechtliche Deutung, die sich zuweilen in der Forschungsliteratur findet, ablehnt, zumal diese, jedenfalls wenn man die Regelung des spätrömischen Rechts zugrundelegt, ohnehin nicht den römischrechtlichen Kriterien genügt haben dürfte.

Insgesamt jedoch handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um ein Werk, das schon jetzt die Position eines Standardwerkes über diesen ebenso schwierigen wie zugleich reizvollen Gegenstand erobert haben dürfte. Man darf auf den zweiten Teil gespannt sein.

Salzburg                                                                                                         Arno Buschmann

[1] Vergl. Franzel, E., König Heinrich VII. von Hohenstaufen. Studien zur Geschichte des „Staates“ in Deutschland, Prag 1929 (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte, 7).

[2] Vergl. Stürner, W., Der Staufer Heinrich (VII.) 1211-1242, Zs. f. Württ. Landesgeschichte 52 (1993) S. 13 ff; Geschichte der Staufer – Gestalten der Geschichte. Der Staufer Heinrich (VII.), Symposion der Gesellschaft für Staufische Geschichte e.V. Göttingen am 20.11.1999.