Baker, John H., The Common Law Tradition.

* Lawyers, Books and the Law. Hambledon Press, London 2000. XXXIV, 404 S. Besprochen von Susanne Jenks. ZRG GA 119 (2002)

JenksBaker20000927 Nr. 10162 ZRG 119 (2001) 31

 

 

Baker, John H., The Common Law Tradition. Lawyers, Books and the Law. Hambledon Press, London - Rio Grande/Ohio 2000. XXXIV, 404 S.

 

Dieser Sammelband enthält 18 Aufsätze und Vorträge des bekannten Cambridger Rechtshistorikers, die in den Jahren 1970 bis 1998 veröffentlicht wurden, sowie zwei bislang ungedruckte, bearbeitete Vorträge. Für den Neuabdruck wurden nur offensichtliche Fehler korrigiert und zwischenzeitlich erschienene Werke in den Anmerkungsapparat aufgenommen. Das Buch ist durch einen Namens- und Sachindex erschlossen.

„The Third University of England“ (S. 3-28) geht auf die Anfänge der Inns of Court (Gray´s Inn, Inner Temple, Middle Temple, Lincoln´s Inn) im 14. Jahrhundert ein und beschreibt die dort gepflegte Art der Juristenausbildung. Die Inns of Chancery, die zusammen mit den Inns of Court die „Third University of England“ bildeten, werden nur beiläufig erwähnt, obwohl beide „may fairly be said to have helped create the common law“ (S. 28). Im folgenden Aufsatz (S. 29-36) spricht sich Baker gegen eine „Division of the Temple: Inner, Middle and Outer“ z. Z. Henrys VI. aus und argumentiert, „that the lawyers had from the outset taken separate leases of the two portions of the Temple and lived as two distinct societies.“ (S. 34) Die Möglichkeit des Outer Temple als einer dritten „legal society“ wird eingeräumt, wobei betont wird, daß ihr allerdings ein geringerer Stellenwert zukommt. In „The Inns of Court and Legal Doctrine“ (S. 37-51) argumentiert Baker, daß die Inns of Court zur Entwicklung des Common Law im 15. und 16. Jahrhundert beitrugen. Die Readers der Inns of Court „established a tradition as to what was received learning and what was dubious“ (S. 43), und das Strafrecht der frühen Tudorzeit „was reduced to a coherent and sophisticated science, and in that sense made, by the inns of court“. Diese Rolle endete in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Motivation für den sehr speziellen Essay „The Judges as Visitors to the Inns of Court“ (S. 53-67) war ein Urteil des Divisional Court aus dem Jahr 1992. Bakers Ausführungen führten dazu, daß die Entscheidung aufgehoben wurde. In „The Degree of Barrister“ (S. 69-76) wird die These aufgestellt, daß „the two degrees of barrister and bencher are directly descended from the two principal degrees of learning in the medieval inns of court, which corresponded exactly with those of bachelor and master in the universities“ (S. 71). „Audience in the Courts“ (S. 77-88) beleuchtet den Grad der Ausbildung, der von advocatis in den verschiedenen Zentralgerichten verlangt wurde und weist daraufhin, daß die modernen barristers und solicitors ein Äquivalent in den mittelalterlichen serjeants und attorneys hatten. In „The Rank of Queen´s Counsel (S. 89-103) wird die Geschichte dieses Amtes erläutert und insbesondere auf den Ernennungsmodus eingegangen. „Case Law in England and the Continental Europe“ (S. 107-15) betont, daß die traditionelle Differenzierung zwischen der Arbeitsweise der englischen Juristen (induktiv) und ihrer kontinentalen Kollegen (deduktiv) nicht zutrifft. „English medieval lawyers did have a body of doctrine - in the true sense of received learning, as expounded in law schools“ (S. 107) und „the practice of courts was ... a source of law on the Continent as in England“ (S. 108). Die Anfertigung offizieller Gerichtsprotokolle, in denen die Entscheidungen der Gerichte festgehalten sind, und „reports“, in denen die Argumente und Hintergründe dieser Entscheidungen notiert wurden, begann in England, griff dann allerdings - in abgewandelter Form - auf den Kontinent über. Den Grund hierfür sieht Baker in der Entstehung von „superior courts with professional, legally trained judges“ (S. 112). „Dr Thomas Fastolf and the History of Law Reporting“ (S. 117-31) geht auf die Geschichte des zur East Anglian Law School um William Bateman gehörenden Thomas Fastolf ein, bei dem es sich um den ersten identifizierbaren Reporter der decisiones rotae handelt. Seine Fälle stammen aus den Jahren 1336-7, und „the fact that our early Avignon reporter was an Englishman does raise the intriguing possibility that the first canon-law reporters were conscious of the Westminster tradition“ (S. 125). Wer sich schnell über die Year-Books informieren möchte, sollte „Case-Law in Medieval England“ (S. 133-64) lesen. Kurz und bündig werden die verschiedenen Theorie zu Autorenschaft und Year-Book Produktion vorgestellt, der Wandel innerhalb der Year-Books beleuchtet und auf ihr Verhältnis zu den Gerichtsprotokollen eingegangen. „Some Early Newgate Reports, 1316-28“ (S. 165-86) zeigt, daß es für einen Zeitraum von 10-15 Jahren kontinuierliche Reports von Strafrechtsfällen gab und Jurastudenten somit auch an diesem Aspekt des Rechts interessiert waren. Den Grund für die offenkundige Einstellung dieser Berichterstattung sieht Baker „in the fourteenth-century reorganisation of legal education which resulted from collegiate decentralisation.“ (S. 170) Neben diesen allgemeinen Bemerkungen werden die Informationen zu den Anklageformen, der Prozeßfähigkeit der Parteien und insbesondere zum Klerikerprivileg erwähnt, die den 70 Newgate Fällen zu entnehmen sind. In „John Bryt´s Reports and the Year Books of Henry IV“ (S. 187-206) wird zunächst der Frage nachgegangen, warum sich im Mittelalter anscheinend niemand für die Verfasser der Year Books interessierte, und vermutet, daß die Berichte „were ... evaluated merely on their intrinsic merits as books of potential arguments and procedural moves“, weshalb eine Identifizierung des Autors eher bedeutungslos war (S. 187). Dann wird aufgrund der Handschrift CUL MS Gg.5.8. mit John Bryt junior, dem Sohn des Bailiffs von Bishopstone (Downton), der in der Zeit Henrys IV. kurzzeitig tätig war, der bislang früheste Year Book Reporter genannt. „Editing the Sources of English Legal History“ (S. 207-22) beschreibt die Geschichte der Editionen der Year Books von den Black Letter Editions über die Rolls Series bis hin zu den Selden Society Bänden und verweist darauf, daß einige Handschriften als Microfiche bzw. Microfilm zugänglich sind. Der Einfluß der englischen, lateinischen und französischen Sprache auf die Rechtssprache wird in „The Three Languages of the Common Law“ (S. 225-46) beleuchtet, „Westminster Hall, 1097-1997“ (S. 247-62) behandelt die Baugeschichte der 1099 fertiggestellten Hall vor dem Hintergrund der Gerichte, die das Bauwerk beherbergte (u. a. Exchequer, Common Bench, Chancery, Star Chamber). Aufgrund der „Personal Actions in the High Court of Battle Abbey, 1450-1602“ (S. 263-85) stellt Baker die Auffassung in Frage, daß die Zunahme der Prozesse in den königlichen Gerichten in der frühen Tudorzeit mit einer Abnahme der Verfahren vor den lokalen Gerichten in Zusammenhang steht. Er vermutet den Grund vielmehr in der Zunahme der Mobilität und der Unfähigkeit dieser Gerichte, Personen, die sich außerhalb ihres Zuständigbereichs aufhielten, zur Rechenschaft zu ziehen. „The Use of Assumpsit for Restitutionary Money Claims, 1600-1800“ (S. 287-317) zeigt „an excellent insight into the working of fictions in the pre-Victorian common law, and of the way in which common lawyers could nudge the old formulary system into new areas without the need for legislative reform or sophisticated supporting theory“ (S. 317), insbesondere am Beispiel von quantum meruit (wo Dienste geleistet worden waren, für die kein fester Preis vereinbart worden war), quantum valebant (wo die Rückzahlung von Geld gefordert wurde, das auf ausdrückliche Bitte des Beschuldigten ausgelegt worden war) und indebitatus assumpsit (wo der Beschuldigte versprochen hatte, dem Kläger eine bestimmte Summe zurückzuzahlen). Von allgemeinerem Interesse dürfte dagegen der Aufsatz „Personal Liberty under the Common Law, 1200-1600“ sein (S. 319-47). Hier wird argumentiert, daß „the common-law system“ - und hier insbesondere die Jury - „rather than ... parliamentary institutions“ (S. 324) das Ende der Leibeigenschaft herbeiführte. Der andere Aspekt, der beleuchtet wird, ist der Schutz vor ungerechtfertigter Inhaftierung, für den die Prinzipien, daß niemand über dem Gesetz steht und die Justiz unabhängig ist, Grundvoraussetzungen waren. Beide Prinzipien zeigten sich in der Entwicklung des habeas corpus-Writs als des Mittels, „whereby the humblest subject could challenge the greatest ministers of the crown in the courts“ (S. 321). „Funeral Monuments and the Heir“ (S. 349-64) schildet den Ursprung der Doktrin, daß der Besitzer eines Mausoleums derjenige ist, der es erstellt, dass aber der Besitz nach dessen Tod auf die Erben der Person übergeht, zu deren Ehren es erbaut worden war. „Sir John Melton´s Case: Cockermouth Castle and the Three Silver Luces“ (S. 365-82) geht auf einen für die Geschichte des „contingent remainder“ wichtigen Falles aus dem Jahr 1535 ein, in dem sich Sir John Melton  und Henry Percy, sixth earl of Northumberland als Parteien gegenüberstanden und dessen Grundlage ein final concord aus dem Jahr 1384 war.

 

Fürth                                                                                                  Susanne Jenks