Bellabarba, Marco, La giustizia ai confini.

* Il principato vescovile di Trento agli inizi dell’età moderna (= Annali dell’Istituto storico italo-germanico Monografia 28). Società editrice il Mulino, Bologna 1996. 449 S. Besprochen von Frank Theisen. ZRG GA 119 (2002)

TheisenBellabarba20001009 Nr. 887 ZRG 119 (2002) 47

 

 

Bellabarba, Marco, La giustizia ai confini. Il principato vescovile di Trento agli inizi dell’età moderna (= Annali dell’Istituto storico italo-germanico Monografia 28). Società editrice il Mulino, Bologna 1996. 449 S.

 

Der Verfasser stellt in seinem Buch die Beziehung zwischen dem alten Reich und dem Fürstentum Trient vor. Weiterhin beschreibt er die Strukturen innerhalb dieses Reichsterritoriums, insbesondere bezieht er sich dabei auf die Grenzgebiete zu Venedig. Bei seinen Ausführungen bezieht sich Bellabarba auf das 15. und 16. Jahrhundert. Mittelpunkt seiner Darstellung ist einerseits das Fehdewesen zwischen verschiedenen Adelsfamilien Tirols und Trients sowie die bischöfliche Gerichtsbarkeit, die in diese Streitigkeiten ab dem Ende des 15. Jahrhunderts vermehrt eingriff.

Zunächst geht der Autor auf die momentane Forschungslage, bezogen auf die Herrschaftsbildung in Trient, ein, um sich dann in seinen Ausführungen dem Fehdewesen zu widmen. Das erste Kapitel des Buches führt in die besondere Problematik eines Territoriums ein, das in einer Grenzregion liegt. Als Exempel werden hier Adlige herangezogen, deren Lehen und Eigenbesitzungen nicht nur in Trient, sondern auch in Tirol und im Herrschaftsgebiet von Venedig liegen. Bezogen auf das Fehdewesen und dessen Bekämpfung erläutert Bellabarba Ausführungen des Fürstbischofs von Brixen, Nikolaus von Kues, zu diesem Thema und bezieht sich dann insbesondere auf die Ausarbeitungen Bartholomaeo Cipollas, der verschiedene consilia zu diesen rechtlichen und politischen Auseinandersetzungen (47-51) verfaßte. Cipolla wurde nicht alleine vom Fürstbischof, sondern ebenfalls von städtischen Gremien beauftragt, juristische Ratschläge in den Rechtsstreitigkeiten der verschiedenen Trienter Adligen zu erteilen (62-63). Nicht nur sein Ruf prädestinierten ihn zu dieser Aufgabe, auch seine Herkunft aus dem benachbarten Verona trug dazu bei.

Die enge Nachbarschaft zu den Habsburgern erlaubte es den Fürstbischöfen und dem Adel nur sehr eingeschränkt frei zu agieren. Die Habsburger achteten darauf, daß keine Italiener als Dignitäre im Domkapitel eingesetzt und daß kein Angehöriger dieser Nation Bischof von Trient wurde. Die Abhängigkeit Trients war folglich sehr groß, so daß es zu mehrherrigen Gebieten kam. Dies ist aber keine Besonderheit, wie Bellabarba darstellt (era una circostanza di normale anomalia nel raggio dell’episcopato, 78), sondern in vielen Regionen des Reichs Realität: Die Kondominien sind beispielsweise in den zersplitterten Territorien östlich des Mittelrheins und des Westerwalds häufig anzutreffen; ganze Herrschaftsbezirke waren seit dem Spätmittelalter bis zur Auflösung des Reichs unter der gemeinsamen Herrschaft verschiedener Landesherren, der dortige Adel und die Bauern hatten demnach Verpflichtungen gegenüber mehreren Herren. Weitere Belege ließen sich beliebig für andere Territorien finden. An dieser Stelle hätte eine differenziertere Bewertung des mittelalterlichen Eigentumsbegriffes die vorliegende Arbeit weiter optimiert (79). Gerade die Glossatoren entwickeln ein geteiltes Eigentum, das die dogmatische Grundlage für das Feudal- und Erbpachtrecht darstellt. Der Eigentumsbegriff wurde seitdem stark erweitert, so daß der Lehnsnehmer und Erbpächter wie der Eigentümer agieren konnte.

Interessant erläutert Bellabarba, wie die Rückforderung von ausgegebenem Land zu Fehden führen konnte, da der Vasall davon ausging, seine Familie habe weiterhin das Recht an der Sache (81). Wichtig ist weiterhin der Hinweis auf den Studienort der späteren Fürstbischöfe. Allesamt waren an der Universität in Padua tätig und hatten demnach in einem stark juristisch geprägten Umfeld ihre Ausbildung erhalten (105). Auch sind die Ausführungen zu den städtischen Funktionsträgern in Trient von Bedeutung, da diese sehr oft einschlägige Karrieren innerhalb der Stadt durchlaufen haben, bis sie dann das Amt des Konsuls übernahmen. Die von Bellabarba gewählte Darstellungsform verdeutlicht die verschiedenen Gerichtsfunktionen innerhalb der Stadt. Der Autor stellt sehr gut heraus, daß es zwischen den Statuten der Stadt Trient und der bischöflichen Gesetzgebung große Unterschiede gab. Ähnlich wie diese zwischen dem Stadtrecht und dem Landrecht existierten, was sich in divergierenden Jurisdiktionsbereichen und Zuständigkeitsstreitigkeiten niederschlug. Hinzu kamen lokale Gebräuche und Gewohnheiten, die schwerlich mit dem geschriebenen Recht korrespondierten. Außerdem waren die Rechte und Freiheiten der Stadt Trient zu berücksichtigen, die sich die Stadt seit dem 14. Jahrhundert erkämpft hatte (262-263). Jedoch blieb Trient weiterhin dem Fürstbistum unterstellt und konnte so keine unabhängigere Stellung erlangen. Deutlich hebt der Verfasser hervor, daß in weitreichenden Bezirke, in die das ius commune vorgestoßen war und die es durchdrungen hatte, das ius proprium trotzdem beeinflussend auf weiteBereiche des ländlichen Rechtslebens wirkte[1]. Erwähnenswert ist dies deshalb, weil der Adel und das städtische Patriziat, die eng miteinander verbunden waren, immer öfter eine universitäre juristische Vorbildung (meistens in Padua) erworben hatten. Das Eigenrecht manifestierte sich in den Statuten und Gewohnheitsrechten, die von denen anderer Territorien stark abwichen. Bellabarba geht von einer Vielzahl von Rechten und Jurisdiktionen aus, die im gleichen Kontext, in derselben Sphäre und im selben sozialen Umfeld angesiedelt waren, so daß sich dadurch Konkurrenzen ergaben. Der Verfasser zeigt deutlich, die Zuständigkeitsfragen standen sehr oft mit politischen Zielsetzungen in Verbindung, wodurch Streitigkeiten vorprogrammiert waren. So appellierten beispielsweise Tridentiner Lehnsleute an den Kaiser als Reichsoberhaupt; was ihnen jedoch Friedrich III. 1484 verbot, da dies nach dessen Dafürhalten eine Umgehung der Zuständigkeit des Fürstbischofs darstellte. Bellabarba interpretiert jenes Schreiben des Kaisers dahingehend, der Kaiser habe dezidiert auf ein Hofgericht hingearbeitet (267-268). Der Brief des Kaisers ist allerdings nach meinem Dafürhalten als ein negatives privilegium de non appellando zu verstehen. An dieser Stelle wäre es erforderlich gewesen, den Kontext der Ablehnung genauer zu untersuchen, da das „Warum“ des kaiserlichen Verbotes bei einem Territorium, welches an die österreichischen Erblande grenzt, nicht ganz einleuchtend ist. Dem Kaiser wäre es als benachbartem Territorialherrn möglich gewesen, in die Geschicke des Fürstbistums einzugreifen. Eine Erörterung der Appellationsproblematik hätte diese Fragestellung näher erläutert.

Die aktuelle deutsche Forschung zu dieser Thematik ist eng mit Bernhard Diestelkamp[2], Friedrich Battenberg[3] und Jürgen Weitzel[4] verbunden. Diese Forscher haben vor allem die politischen Hintergründe für eine Verweigerung der Appellation an das Reichsoberhaupt oder an die höchsten Gerichte des Reiches dezidiert herausgearbeitet. Die betreffenden Fürsten, welche Gerichtsstandsprivilegien oder das privilegium de non appellando zugesprochen bekamen, hatten aber ein höchstes Gericht für ihr Territorium zu schaffen, damit den Einwohnern ein möglicher Instanzenzug nicht abgeschnitten wurde[5]. In diesem Zusammenhang widmet sich Bellabarba den Ideen der Reichsreform und den Überlegungen zu einem immerwährend Landfrieden gegen Ende des 15. Jahrhunderts. So geht er auf die strafrechtlichen Sanktionen ein und beschreibt, wie es zu der zeitlich frühen Tiroler Malefizordnung von 1499 kam. Ausführlich wendet er sich dann dem Strafprozeß im Trentino im 15. Jahrhundert zu. In einer ausführlichen Einleitung beschreibt er die Rezeption des Strafprozesses und seine Hintergründe. Anhand von verschiedenen lokalen Beispielen versucht er nun die Übernahme des römisch-kanonischen Rechtsim weltlichen Bereich nachzuweisen. Kapitel 5 des Buches ist somit eine wichtige Auseinandersetzung mit der ländlichen und städtischen Gerichtsbarkeit, wobei die strafrechtlichen Zuständigkeiten und prozessualen Voraussetzungen im Vordergrund stehen. Zu Beginn erläutert der Verfasser einführend die zivilrechtliche Problematik.

Im sechsten Kapitel geht Bellabarba der Frage nach, inwiefern der (ortsansäßige) Adel im Fürstbistum Trient und in der Stadt selbst seinen Einfluß geltend machte. Zunächst weist er ausführlich auf die Bedeutung des consilium sapientis hin[6], das auch in Trient mindestens ab dem 14. Jahrhundert eine wichtige Funktion für die Rechtsprechung hatte, um dann die Rolle des Adels für die Gerichtsbarkeit herauszustellen. Dabei waren die Verbindungen dieses Standes besonders wichtig, da der Adel sehr viele Lehen in der habsburgischen Grafschaft Tirol besaß und dadurch auch am dortigen Landtag und folglich an den Gerichtssitzungen beteiligt war. Ähnliches ist im Südosten festzustellen, wo verschiedene Familien Eigentum oder eigentumsähnliche Besitzungen im Gebiet von Venedig hatten, das an das Fürstbistum angrenzte. So wurde seitens des Adels teilweise versucht, eine eigenständige unabhängige Herrschaft aufzubauen, was nur in der Peripherie und für kurze Zeit möglich war. Im siebten Kapitel stellt der Verfasser die Stadt Trient, ihre Gesetzmäßigkeiten und die tragenden Gruppierungen einander gegenüber. Er erläutert dann die Bedeutung der Notare für die Rechtspflege. Weiter erörtert er die Entwicklung der Gesetzgebung in der Stadt sowie deren strafprozessuale und strafrechtliche Komponente, die von außen stark beeinflußt worden war.

Abschließend ist festzuhalten, daß ein äußerst vielseitiges, informatives Buch vorliegt, das die Problematik eines Territoriums im Spannungsfeld zwischen dem alten Reich und einer in nächster Nähe herrschenden Großmacht aufzeigt, aber auch die engen Verbindungen zu der oberitalienischen Umgebung, vor allem die ins Veneto, nachzeichnet. Gerade die Einwirkungen seitens der Habsburger sind durch die Ernennungen der Fürstbischöfe nicht immanent genug einzuschätzen.

Hingewiesen werden muß jedoch auf zwei Ungenauigkeiten: Die Kurfürsten sind nach der Goldenen Bulle neben den drei geistlichen Fürsten von Köln, Trier und Mainz, der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Zu streichen wäre bei Bellabarba (141-142) der Herzog von Bayern, der erst im 17. Jahrhundert im Zuge der Auseinandersetzung mit Friedrich V. von der Pfalz ebenfalls die Kurwürde erhielt. Der zweite Hinweis bezieht sich auf die „Grafenkönige“, die gegen Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts regierten, also nicht nur im 14. Jahrhunderts.

Die kleinen Hinweise sollen das Verdienst der Arbeit nicht schmälern. Dem Verfasser gelingt es, die historische Entwicklung mit den rechtlichen Problemen des betrachteten Zeitraumes geschickt zu verknüpfen. Dabei stellt er die Bedeutung der Kommentatoren für das Tridentiner Rechtswesen und die Rechtsstreitigkeiten heraus. Bellabarba legt somit eine interessante Abhandlung vor, die unsere rechtshistorische Kenntnis für den Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit hinsichtlich eines wichtigen Territoriums erweitert. Das Buch ist daher uneingeschränkt zu empfehlen.

 

Leipzig                                                                                               Frank Theisen

[1] Zu diesem Themenkomplex vergleiche M. Bellomo, Probleme der juristischen Geschichtsschreibung: ,Ius commune’ und ,Ius proprium’ im Europa des Mittelalters, in: F. Theisen/W. E. Voß (Hrsg.), Summe-Glosse-Kommentar, 2000, 9-22.

[2] B. Diestelkamp, Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation im weltlichen Prozeßrecht Deutschlands, 1998.

[3] F. Battenberg, Die Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige bis zum Jahre 1451, 2 Bände, 1983.

[4] J. Weitzel, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht: zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland, 1976.

[5] Vergleiche dazu näher J. Weitzel, Wege zu einer hierarchisch strukturierten Gerichtsverfassung im 15. und 16. Jahrhundert, in: D. Simon (Hrsg.), Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 333-345.

[6] Siehe zu dieser sehr aktuellen Problematik nunmehr den Sammelband von M. Ascheri/I. Baumgärtner/J. Kirshner (ed.), Legal Consulting in the Civil Law Tradition, 1999.