Deißler, Johannes, Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung im Spiegel von Johann Friedrich Reitemeiers

* „Geschichte und Zustand der Sklaverey und Leibeigenschaft in Griechenland“ (1789) (= Forschungen zur antiken Sklaverei 33). Steiner, Stuttgart 2000. VII, 507 S. Besprochen von Cosima Möller. ZRG GA 119 (2002)

MöllerDeißler20010916 Nr. 10333 ZRG 119 (2002) 42

 

Deißler, Johannes, Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung im Spiegel von Johann Friedrich Reitemeiers „Geschichte und Zustand der Sklaverey und Leibeigenschaft in Griechenland“ (1789) (= Forschungen zur antiken Sklaverei 33). Steiner, Stuttgart 2000. VII, 507 S.

 

Die hier zu besprechende Untersuchung, die als Dissertation bei Heinz Bellen in Mainz ent­standen ist, füllt eine wissenschaftsgeschichtliche Lücke. Die von Vogt und Finley einmütig als Beginn moderner Erforschung der antiken Sklaverei gepriesene, wenig bekannte Arbeit von Johann Friedrich Reitemeier „Geschichte und Zustand der Sklaverey und Leibeigenschaft in Griechenland“ wird vom Verfasser gründlich untersucht und in den wissenschaftsgeschicht­lichen Kontext gestellt.

Nach der Lektüre des Buches ist man über die Facetten der deutschen Forschungen zur antiken Sklaverei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts umfassend und detailreich informiert. Die Wertschätzung des Reitemeierschen Werkes er­scheint in der vergleichenden Perspektive durchaus berechtigt. Die Betrachtung dieser Unter­suchung und ihres wissenschaftlichen Umfeldes vermag daher einen Spiegel dafür abzugeben, wie die antike Sklaverei in der deutschen Aufklärung erforscht und dargestellt wurde.

Die Untersuchung ist in drei etwa gleich lange Kapitel gegliedert, die durch den Gegenstand nahegelegt sind. Im ersten Kapitel (S. 9-152) widmet sich der Verfasser zunächst den Tendenzen der Sklavenforschung während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dabei erstrebt er einen umfassenden Überblick, indem er Beiträge zur Sklavenforschung aus verschiedenen Fachrichtungen – nämlich der Geschichtswissenschaft, der Altertumswissenschaft, der Jurisprudenz und der Theologie bzw. der Philosophie – beleuchtet. Er schenkt dabei auch den Forscherpersönlich­keiten und dem institutionellen Rahmen ihrer Tätigkeit Beachtung. Die für eine nähere Ana­lyse ausgewählten Werke werden unter drei Aspekten wissenschaftsgeschichtlich gewürdigt: hinsichtlich ihrer konkreten Fragestellung, hinsichtlich der Art und Weise der Behandlung des Gegenstandes sowie hinsichtlich der Gründe für die Beschäftigung mit der antiken Sklaverei.

In der Geschichtswissenschaft lag der Schwerpunkt der untersuchten Fragestellungen im römischen Sklavenrecht. Das Interesse der Historiker richtete sich vornehmlich auf die sizi­lischen Sklavenkriege und den Spartakusaufstand. Doch findet in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Wandel in der Geschichtswissenschaft statt, der von Göttinger Gelehrten ausgeht. Im Unter­schied zur vorherrschenden Darstellung äußerer Geschehnisse und der Darstellung von Herr­schern pflegen diese Gelehrten Gesellschafts- und Zivilisationsgeschichte. Unterschiedliche Nuancen sind vertreten. Zum einen die Entwicklung der Statistik als der Lehre vom Zustand eines Gemeinwesens, die Achenwall in Göttingen begründet und die Schlözer fortsetzt. Zum anderen die von Gatterer initiierte und auch von Schlözer betriebene Universalgeschichte, die sowohl historischen Begebenheiten als auch den Verfassungen der Staaten Aufmerksamkeit schenkt und ihre Darstellungen einem systematischen Anspruch unterwirft. Hier erkennt man Einflüsse der französischen und der britischen Aufklärungshistorie. Einen weiteren Aspekt steuert die Kulturgeschichtsschreibung bei, die wiederum in Göttingen durch Meiners ver­treten ist. Im Rahmen seiner Untersuchung des Verfalls des römischen Reiches erhält die Sklaverei eine Schlüsselfunktion. Meiners verfolgt darüber hinaus auch einen entwicklungs­geschichtlichen Ansatz. In seinem Grundriß der Geschichte der Menschheit untersucht er die Sklaverei in verschiedenen Epochen. Der Verfasser stellt in seiner Zusammenfassung für die Geschichtswissenschaft insgesamt ein eher geringes Interesse an der Sklaverei fest. Die griechische Sklaverei findet lediglich im Kontext der lykurgischen Verfassung und der Stellung der Heloten Erwähnung.

In der Altertumswissenschaft zeichnet der Verfasser in großen Zügen den markanten Einschnitt der Zeit, indem er auf die Wiederbelebung der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft durch Winckelmann und die Institutionalisierung der Ausbildung in diesen Fächern hinweist. Für die Ausbildung und eine umfassende Erweiterung des Forschungsfeldes ist wieder die Göttinger Universität von großer Bedeutung. Hier richtet Gesner ein philologisches Seminar ein, das unter seinem Nachfolger Christian Gottlob Heyne ruhmvolle Zeiten erlebt. Zur Altphilologie gehören im Bereich der Sachphilologie auch die antiquitates, die Altertümer, die in Staats- und Privataltertümer unterschieden werden. Unter den Privataltertümern finden sich Erläuterungen zur Sklaverei, sei es in Handbüchern, in Kompendien oder in Einzelunter­suchungen. Bevorzugtes Thema ist auch hier das römische Sklavenrecht. In den vereinzelten Darstellungen der griechischen Sklaverei fällt die Unterscheidung zwischen Athen und Sparta auf. Die Athener und ihr Umgang mit den Sklaven werden positiver beurteilt als die Sparta­ner. Der Verfasser konstatiert eine nüchtern-beschreibende Darstellung der antiken Verhältnisse. Nur in Ausnahmefällen kommt es zu einer Wertung. Als Beispiel dafür dient eine Tübinger Dissertation von Hoffmann über die Vereinbarkeit von Sklaverei und Naturrecht. Der Verfasser unter­sucht, wie an diesem Beispiel erkennbar, auch die Dissertationen und Disputationen der Zeit. Dies scheint ebenso verdienstvoll wie der Hinweis auf die Verbindungen zwischen den Uni­versitäten und den Gymnasien, deren Professoren nicht selten mit eigenen, vom Verfasser ebenfalls vorgestellten Beiträgen die Forschung bereicherten.

In der Rechtswissenschaft ist die Beschäftigung mit der Sklaverei das selbstverständliche Erbe des römischen Rechts. Das römische Recht war allerdings im 18. Jahrhundert, wie der Verfasser zutref­fend herausstellt, trotz seiner großen Bedeutung als gelehrtes und weithin angewandtes Recht der Kritik unterworfen. Den kritischen Blickwinkel ermöglichte zum einen das Naturrecht (Thomasius), zum anderen eine Neubesinnung auf das deutsche Recht und seine eigenstän­dige Bedeutung (Conring). Die Sklaverei war in der Rechtswissenschaft entweder ein Gegen­stand historischen Interesses. Dafür steht die historisch-antiquarische Beschäftigung mit dem römischen Recht, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Heineccius eine Blüte erlebte. Oder die Sklaverei wurde mit einem praktischen Interesse als Vergleichs- und Abgrenzungsgegen­stand genutzt. Es finden sich Vergleiche mit der Kolonialsklaverei, aber auch mit feudaler Knechtschaft. Interesse finden besondere Aspekte der Sklaverei. Bei einem Versuch der Be­urteilung von Bauern nach römischem Recht werden diese von den Sklaven deutlich unter­schieden und mit den coloni in Parallele gesetzt. Vereinzelt entstehen vergleichende Unter­suchungen, wie die des Hallenser Juristen Westphal über die Tortur bei Griechen, Römern und Deutschen (1785). Eine in Leipzig 1762 verfaßte Disputation von Wiesand unter der Anleitung von Meißner verfolgt den umfassenden Anspruch, über Entstehung und Ent­wicklung der Sklaverei nach Naturrecht und Zivilrecht Auskunft zu geben. Diese diachrone Betrachtungsweise ist die Ausnahme. Zusammenfassend hebt der Verfasser hervor, daß der Schwer­punkt der rechtswissenschaftlichen Forschung verständlicherweise bei den römischen Ver­hältnissen gelegen habe.

Im letzten Abschnitt des ersten Kapitels kommt der Verfasser mit der Untersuchung von Theologie, Pädagogik und Philosophie zu einem breiten Spektrum. Die Aufklärung führt zwar bei den evangelischen Theologen zu intensiviertem Bemühen um ein besseres Verständnis von Altem und Neuem Testament. Sie bedient sich dabei sowohl der Textkritik, grammatisch-histori­scher Schriftauslegungen als auch dogmengeschichtlicher Vergleiche. Das fördert das Inter­esse an den antiquitates. Doch betrifft das nicht die Sklaverei. Singulär ist insofern vom Gegenstand und von der Methode her die Untersuchung Immermanns „Vergleichung der römischen Knechtschaft mit der Knechtschaft der Christen“ von 1744. Immermann stellt die Knecht Gottes/Jesu-Terminologie des Neuen Testaments in den historischen Kontext der griechisch-römischen Antike.

Für die Pädagogik führt der Verfasser das Beispiel von Hochheimers „System der griechischen Pädagogik“ an, der die Rolle der Sklaven in der Erziehung der griechischen und römischen Jugend beleuchtet hat.

In der Philosophie, der Mutter der Aufklärung, zeigt der Verfasser die Sklaverei als Gegenstand der Geschichtsphilosophie. Iselin, der Begründer der geschichtsphilosophischen Gattung in der deutschen Literatur, veröffentlicht 1764 mit seinen „Philosophischen Mutmaßungen über die Geschichte der Menschheit“ eine Darstellung des Strebens einzelner Menschen und ganzer Völker nach einem höheren Grad an Glückseligkeit. Diese an Wolffscher Staatsphilosophie orientierte Perspektive bietet sowohl eine Rechtfertigungsmöglichkeit für die Sklaverei als auch einen möglichen Kritikpunkt. Die Sklaverei kann ein Mittel zum Zweck größerer Glück­seligkeit sein, weil sie die Kulturleistungen der Griechen und Römer ermöglicht hat. Sie ist aber eine Einrichtung, deren Überwindung angestrebt werden muß. Weil es der Antike an diesem Bestreben gefehlt habe, sind die antiken Staaten nach Iselin als barbarische Staaten anzusehen. Die vom Verfasser ebenfalls ausführlich untersuchte Schrift von Wegelin, „Politische und moralische Betrachtungen über die spartanische Gesez-Gebung des Lykurgus“ von 1763 gibt Einblick in entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen. Wegelin sieht die Sklaverei zu­nächst als Fortschritt in der Menschheitsgeschichte, da mit ihr ein Wandel in der Behandlung von Feinden stattgefunden habe. Im Rahmen eines funktionierenden Gemeinwesens habe man Feinde nicht mehr getötet, sondern versklavt. Die Stellung der Heloten betrachtet er allerdings als widernatürlichsten Fehler der spartanischen Verfassung. Bei den Römern hebt er als Mittel des Ausgleichs für die Sklaverei die Freilassungen hervor.

Eine Zusammenfassung des ersten Kapitels fixiert den Eindruck, daß die Sklavenforschung in den antiquitates neutral war, bei den Juristen der Schilderung von Rechtsinstituten diente und in der Geschichtsphilosophie wertend in eine Gesamtsicht der Entwicklung der Menschheit eingeordnet wurde. Die Untersuchung von Einzelaspekten erfaßte die Sklaverei als soziale Erscheinungsform, ihre Rolle in der antiken Wirtschaft oder im Hinblick auf Rechtsfragen. Das Hauptinteresse galt den römischen Verhältnissen. Die antiquarisch-historische Sichtweise überwog. Grundsätzlich wird eine negative Bewertung der Sklaverei erkennbar.

Im zweiten Kapitel (S. 153-290), dem Herzstück des Buches, stellt der Autor die Abhandlung von Johann Friedrich Reitemeier „Geschichte und Zustand der Sklaverey und Leibeigenschaft in Griechenland“ (1783/1789) unter eingehender Berücksichtigung der Lebens- und Bildungsgeschichte des in Göttingen geborenen und ausgebildeten Gelehrten dar. Schritt für Schritt und Mosaikstein für Mosaikstein entsteht ein Bild von dem Ausnahmecharakter dieser Ab­handlung. Sie war die Frucht eines in der wissenschaftlichen Welt damals so beliebten Preis­ausschreibens, bei dem die Kasseler Gesellschaft der Altertümer (gegründet 1777, geschlossen 1808) den Teilnehmern freie Hand bei der Wahl des Themas gelassen hatte. Reitemeier hatte mit seiner Abhandlung 1783 den ersten Preis gewonnen und die Schrift erst nach einer Über­arbeitung 1789 veröffentlicht. Der Verfasser kommt zu dem Schluß, daß die Schrift Reitemeiers nach allen im ersten Teil angelegten Kriterien als innovativ zu bezeichnen ist. Ihr Gegenstand, die griechische Sklaverei, ist bisher nicht zusammenhängend untersucht worden, die Art und Weise, eine zugleich systematische und entwicklungsgeschichtliche Bearbeitung, ist ohne Vorbild und die Gründe für die Beschäftigung mit dem Thema, bzw. die damit verfolgten Absichten sind ebenfalls neuartig. Reitemeier wollte mit seiner Schrift nach einer Abwägung auch der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile eine historisch begründete Ablehnung der Sklaverei als einer Organisationsform der Arbeit vorlegen.

Die vom Verfasser mit Fleiß und Akribie zusammengetragenen Details aus der Lebensgeschichte Reitemeiers sind in hohem Maße für die Untersuchung der Abhandlung nützlich. Reitemeier wurde als vierter Sohn eines in Göttingen zugewanderten, als Bürger aufgenommenen Bäckers 1755 geboren. Das wache Bewußtsein von den Möglichkeiten und von der Funktion des aufstrebenden Bürgertums und des Mittelstandes erklären die Wertung Reitemeiers, daß die Sklaverei in der Antike zum Verschwinden eines freien Handwerks geführt und damit die Ausbildung eines Mittelstandes verhindert habe. Darin sieht er einen Grund für den Unter­gang der griechischen und römischen Zivilisation. Noch größere Bedeutung für die Ent­stehung und den Gehalt der untersuchten Schrift hat die Immatrikulation an der Georgia Augusta in Göttingen im Jahr 1773. Der einflußreichste Lehrer Reitemeiers und sein Mentor wurde Heyne. Heyne weitete die Altphilologie zu einer alle Bereiche der Altertums­wissenschaften umfassenden Wissenschaft und machte sie zugleich zum Mittel der Gegen­wartsbewältigung. Diese Haltung erkennt man auch in der Untersuchung der griechischen Sklaverei durch Reitemeier. Verstärkt wird die Neigung, einen Gegenwartsbezug herzustel­len, vermutlich durch den Einfluß Schlözers. Auch ein Kolleg, das Reitemeier im Winter­semester 1782/83 über Universalgeschichte gehalten hat, deutet auf diesen Einfluß. Reitemeier wechselt nach einiger Zeit das Studienfach und wendet sich der Jurisprudenz zu. Die besondere Göttinger Situation schildert der Verfasser, indem er Pütter, den Vater der Staats­rechtswissenschaft, als einen Neuerer charakterisiert, der den usus modernus auf den Prüfstand gestellt wissen wollte, nach einer Unterscheidung der Rechtsquellen strebte und eine eigene, nicht der Legalordnung folgende, sondern sachbezogene Ordnung forderte. Diesen systema­tischen Anspruch suchte Reitemeier später in juristischen Publikationen zu verwirklichen. Der Conspectus iuris von 1784 und die Encyclopädie und Geschichte der Rechte in Deutschland von 1785 fanden begeisterte Aufnahme. Gustav Hugo, der Begründer der historischen Rechts­schule, hat auf den Einfluß, den die Schriften Reitemeiers auf sein Werk hatten, ausdrück­lich hingewiesen. Vor diesen juristischen Veröffentlichungen hatte Reitemeier bereits eine Abhandlung über den Luxus der Athenienser in der geschichtlichen Entwicklung und in seiner Wirkung auf den Verfall des Staates (1781) verfaßt und mit seiner Disputation über Ursprung und Grund der Folter bei Griechen und Römern (1783) den Doktorgrad erlangt. Des weiteren entstand eine Abhandlung über den antiken Bergbau im Jahr 1783, in dem Reite­meier auch die Preisschrift über die Geschichte und den Zustand der Sklaverey und Leibeigenschaft in Griechenland schrieb. Seit 1782/83 hält Reitemeier Vorlesungen in Göttingen, in denen er ein breites Spektrum von juristischen Themen und Gegenständen der Altertümer und der Universalgeschichte behandelt. 1785 wird Reitemeier Professor in Frankfurt/Oder. Die kleine Fakultät macht eine Konzentration auf juristische Fragen erforder­lich. Reitemeier wendet sich dem Staatsrecht, dem Kameral- und dem Polizeirecht zu. 1805 folgt er einem Ruf in das dänische Kiel auf eine Professur für deutsches Recht und Kriminal­recht. Bald darauf kommt es zu Streitigkeiten innerhalb der Fakultät und mit staatlichen Stel­len, die sich auch nach seiner vorzeitigen Pensionierung 1811 fortsetzen und schließlich bis zur Aberkennung der Pension und zu einer Verurteilung zu Festungshaft führen. Vor der Vollstreckung dieses Urteils flieht Reitemeier 1829 nach Hamburg, wo er 10 Jahre später stirbt.

Mit dieser, hier nur andeutungsweise wiedergegebenen Vielschichtigkeit der Reitermeier­schen Lebensgeschichte bereitet der Verfasser in vorbildlicher Weise den Boden für ein umfassendes Verständnis der nun in den Mittelpunkt gestellten und analysierten Preisschrift über die grie­chische Sklaverei. Vorab widmet er den Umständen der Werkentstehung, der Gattung der Preisschriften und der Kasseler Gesellschaft der Altertümer interessante Ausführungen. Den Inhalt der Abhandlung charakterisiert der Verfasser einleitend als eine „Kombination von gelehrter Altertumskunde und modernen Staatswissenschaften“ (S. 203). Schon die Gliederung von Reitemeiers Abhandlung bestätigt diese Einschätzung. In einem ersten Teil wird die Entste­hung der Sklaverei in der Nomadenzeit behandelt. Der zweite Teil gilt den zwei unterschied­lichen Formen der Sklaverei während der Ackerbauzeit, nämlich der persönlichen und der öffentlichen Sklaverei, und in einem dritten Teil untersucht Reitemeier die Auswirkungen von Sklaverei und Leibeigenschaft auf die griechische Nation mit Vergleichen zur Gegenwart. Man erkennt den entwicklungsgeschichtlichen Ansatz, den systematischen Zugriff und die Tendenz zur Aktualisierung ohne weiteres. Reitemeier wählt die griechische Sklaverei zum ersten Gegenstand in einer umfassenden Geschichte des Dienens, weil sie besonders beach­tenswert und zugleich bisher am wenigsten bearbeitet ist. Mit dem vorangestellten Zitat aus Montesquieus L’Ésprit: Comme tous les hommes naissent égaux, il faut dire que l’esclavage est contre la nature dokumentiert Reitemeier, daß er seine Abhandlung in der Tradition der Aufklärung sieht. Damit ist auch die politische Richtung der Schrift vorgezeichnet. Es handelt sich um ein historisch fundiertes Plädoyer gegen die Sklaverei.

Der Verfasser erschließt dem Leser die Abhandlung Reitemeiers durch eine Inhaltsangabe, die er mit erhellenden Ausführungen über die geistesgeschichtlichen Einflüsse, über die Methode Rei­temeiers und über ihren Neuheitswert anreichert. Davon seien hier die wichtigsten heraus­gegriffen. Die entwicklungsgeschichtliche Perspektive Reitemeiers hat Vorläufer in der Lehre einer evolutionären Stufenfolge oder Stadientheorie, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frank­reich und Schottland entwickelt worden ist. Reitemeier verwendet sie in der Prägung, die sie durch Adam Smith und John Millar erhalten hat. Die Stufen orientieren sich an der Sub­sistenzweise. Diese hat Auswirkungen auf die Eigentumsverhältnisse, die Rechtsform und den Grad der Institutionalisierung. So unterscheidet Reitemeier nach der Nomadenzeit und der Ackerbürgerzeit und macht eine weitere Zäsur bei der Einführung der städtischen Gewerbe. Reitemeier verwendet zum Zwecke der Systematisierung Unterteilungskriterien und gliedert die Sklaven nach Dienst- und Handwerkssklaven, nach solchen, die auf dem Land und solchen, die in der Stadt tätig sind. Er stellt möglichst umfassend Informationen über die Sklaven zusammen, über die Sklavenzahlen, die Quellen der Sklaverei, den volkswirtschaft­lichen Wert, die Lage der Sklaven, das Sklaveneigentum, die Aufsicht und die Freilassung. Insbesondere mit der Frage nach dem volkswirtschaftlichen Wert der Sklaven folgt er einer zeitgenössischen britischen Fragestellung. Diese Stelle ist nur eine von vielen, an denen der Verfasser zu Recht auf die Göttinger Verhältnisse als förderlichen Hintergrund der Abhandlung auf­merksam macht. Dies reicht über den Einfluß der Forscherpersönlichkeiten hinaus auf die Verbindungen zwischen dem britischen Königshaus und der Landesuniversität von Kur­hannover und auf die vorzügliche Ausstattung der Bibliothek sowie die nicht zuletzt durch den Bibliotheksdirektor Heyne geförderte gute Zugänglichkeit der Literatur. Die Einflüsse weist der Verfasser direkt nach, indem er die Ausleihregister der Bibliothek auswertet.

Reitemeiers Schrift beeindruckt nicht nur durch ihre entwicklungsgeschichtliche Anlage, sondern auch durch die Bemühung um eine adäquate, moderne Begriffsprägung für die Heloten in Sparta. Den Begriff „Leibeigene“ verwendet er mit der Begründung, daß es sich weder um Freie noch um Sklaven handele. Er schildert ihre Abhängigkeit als eine zweifache, gegenüber dem Staat als Eigentümer und gegenüber dem einzelnen Bürger, dem sie zur Nutzung zuge­wiesen waren. Das „eigentliche Eigentum“ und das „Nutzeigentum“ versucht Reitemeier mit einem Vergleich aus der Gegenwart zu veranschaulichen: die Heloten seien Kronbauern und Untertanen der Edelleute zugleich gewesen. Die Schilderung der Lage der Heloten bietet Reitemeier Gelegenheit, das Fehlen eines Mittelstandes hervorzuheben und mit Blick auf die harte Behandlung der Heloten zu einer negativen Bewertung der Sklaverei zu kommen. Der Schlußteil von Reitemeiers Abhandlung dient einer umfassenden Bewertung der Folgen von Sklaverei und Leibeigenschaft. Dieses Spezifikum und Novum der Untersuchung Reitemeiers würdigt der Verfasser ausführlich. Es gehört in die Tradition der Querelle des anciens et modernes, in denen seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Antike und Moderne gegenübergestellt und als aufstei­gende oder absteigende Entwicklung zueinander in Beziehung gesetzt werden. Reitemeier leistet diese Gegenüberstellung allerdings auf einem neuen Feld, nämlich dem gesellschaft­lichen und politischen. Zu diesem Zweck listet Reitemeier Vor- und Nachteile der Sklaverei auf. Dem Vorteil einer leichteren Anpassung der Population an die gegebenen Verhältnisse stellt er vier Nachteile gegenüber: die unkontrollierte Entvölkerung durch Flucht und in Kriegszeiten, die unvorteilhafte Gliederung der Stände und Verteilung der Gewerbe, den Schaden für Aufklärung und Bildung und damit für den Fortschritt und die Unterbindung einer Zirkulation der Stände. Darauf folgt eine Untersuchung möglicher Nachteile für eine Gesellschaft, die auf die Sklaverei verzichtet. Zwei Aspekte berücksichtigt Reitemeier, einen Mangel an Subordination der Bürger gegenüber dem Staat und eine größere Hilflosigkeit und Nahrungssorge bei den zahlreichen unbemittelten Familien. Die möglichen Einwände räumt er aus, weil die Sklaverei auch kein Garant der nötigen Subordination sei und weil der moderne Staat in vielfältiger Weise sowohl die nötige Unterordnung fördere als auch eine ausreichende Versorgung durch die Erschließung neuer Tätigkeitsbereiche, durch die Förde­rung der Wissenschaft und zuletzt auch durch staatliche Fürsorge für Arme und Schwache gewährleiste. Diesem positiven Bild gegenüber kann die negative Bewertung der Antike nur um so überzeugender wirken. Der Verfasser weist ganz zu Recht darauf hin, daß es sich hier um eine absichtsvolle Schwarz-Weiß-Malerei handelt. Die aktuellen Zustände werden schön geredet, damit der Kontrast um so deutlicher wird. Die „optimistische Grundhaltung“ (S. 261) hin­sichtlich der Gegenwart erklärt der Verfasser außerdem mit den persönlichen Lebensumständen Reitemeiers und mit der Staatswissenschaft Göttinger Prägung (Justi, Pütter), die es für mög­lich hielt, daß ein Zustand allgemeiner Glückseligkeit durch günstige Bedingungen und gute Organisation von Polizei-, Kameral- und Ökonomiewesen erreichbar sei. Auch mit dem negativen Griechenbild stand Reitemeier in Göttingen nicht allein. Schlözer war als regelrechter „Griechenhasser“ bekannt.

Der Verfasser verdeutlicht überzeugend die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Forschungs­richtungen, die Reitemeier geprägt haben. Die politische Ausrichtung des Antike-Moderne-Vergleichs müsse in Zusammenhang mit der von Pütter propagierten Rechtsvergleichung gesehen werden. Das neu entdeckte Feld der Rechtsvergleichung, das eigentlich dem Ziel gedient habe, Klarheit über die in Deutschland geltenden Rechte zu gewinnen, habe so Eingang in die tradierte Form der Querelle gefunden. Die moderne Statistik von Achenwall und Schlözer mit ihrem Schwerpunkt auf wirtschafts-, sozial- und kulturhistorischem Gebiet sei einerseits eine „stillstehende Geschichte“ gewesen, die eine Bestandsaufnahme versucht, zum anderen aber eine Disziplin, die ihren Blick auf die Wohlfahrt des Staates richtet und das Glück und Unglück der Völker mißt. Mit seiner Schilderung des Zustands der Sklaverei habe Reitemeier den Anspruch der Statistik auf die Antike übertragen. Die politische Funktion der Untersuchung ruht auf diesem Fundament. Der Verfasser ordnet den Ausklang von Reitemeiers Abhandlung, eine Lobpreisung der allgemeinen Freiheit, der bürgerlichen Emanzipations­bewegung des 18. Jahrhunderts und dem deutschen Frühliberalismus zu.

In einer Zusammenfassung bietet der Verfasser eine verdichtete Rekapitulation der spannenden wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhänge (S. 286-290).

Das dritte Kapitel (S. 291-439) dient einer Untersuchung der Reaktionen auf Reitemeiers Schrift in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit und einem Ausblick auf die Entwicklung der Sklavenforschung in Deutschland nach Reitemeier. Der Verfasser nutzt die Darstellung der acht Be­sprechungen von Reitemeiers Abhandlung gleichzeitig zu informativen Betrachtungen über die Rezensionskultur der Zeit. Die Rezeption von Reitemeiers griechischer Sklavengeschichte ist zunächst von Anerkennung und Interesse gekennzeichnet. Insbesondere die Rezension Heynes in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen ist ein Beleg hierfür. Heyne zitiert darüber hinaus in einer Schrift über den Sklavennachschub der Griechen und Römer (1789) die Ana­lysen Reitemeiers zu den Folgen der Sklaverei zustimmend. Doch dieser positiven Aufnahme folgt in der Altertumswissenschaft eine lange Periode nahezu vollständiger Vergessenheit.

Der Verfasser untersucht im folgenden, leider ohne seine Ausführungen durch eine äußere Gliederung zu strukturieren, einen „Großteil der seit 1789 entstandenen Publikationen zur griechischen Geschichte, Kultur und Sklaverei“ (S. 323). Eine historisch-hermeneutische Aktualisierung der Antike findet der Verfasser in den beiden ersten deutschen Übersetzungen der Politik des Aristo­teles von Schlosser und Garve. Insbesondere die Anmerkungen des Breslauer Gelehrten Garve zeichnen sich durch grundsätzliche Klarheit in der Ablehnung einer naturgegebenen Sklaverei und durch kluge Beobachtungsgabe bei den Vergleichen von antiken Abhängig­keitsverhältnissen und zeitgenössischen Dienstverhältnissen aus. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts berufen sich verschiedene Gelehrte in ihren Werken auf Reitemeiers Abhandlung. So der Breslauer Gymnasialprofessor Manso in seinem dreibändigen Werk „Versuch zur Aufklärung der Geschichte und Verfassung Spartas“, der Historiker und Professor am Carolinum in Braun­schweig Lueder in seinem Plädoyer für die Abschaffung der Sklaverei und der Coburger Pro­fessor Ernesti in seiner Altertumskunde. Danach gibt es eine Lücke in der Rezeption. Erst in den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wird die Abhandlung Reitemeiers wieder erwähnt. In der Rezeptionsgeschichte von Reitemeiers Abhandlung sorgte die neue Richtung in der Geschichtswissenschaft für eine Zäsur. Mit Niebuhr und Ranke wurden die philologisch-kritische Methode und der Historismus führend. Diesen modernen Ansprüchen genügte seit 1847 ein neues Standardwerk zur antiken Sklaverei, die „Histoire de l’esclavage dans l’antiquité“ von Wallon. Später finden sich nur noch vereinzelte Erwähnungen Reitemeiers, die den historischen Abstand kenntlich machen. Im Ausland hatte Reitemeiers Abhandlung kaum Resonanz. Eine interessante Rezeptionslinie weist der Verfasser zu Marx nach (S. 357ff.). In seiner Bibliothek befanden sich von Reitemeier die Abhandlungen über die griechische Sklaverei und über den Bergbau. Marx hat sie gründlich gelesen und sich bei seinen Aussagen über die Unfreiheit in der Antike auf die Ausführungen Reitemeiers gestützt. Es wäre lohnend gewesen, nicht nur den äußeren Weg der Bücher zu verfolgen, wie der Verfasser es mit gewohnter Akribie tut, sondern auch die inhaltlichen Übereinstimmungen aufzuzeigen.

Einen längeren Abschnitt widmet der Verfasser den Gründen für die eingeschränkte Rezeption der Abhandlung Reitemeiers. Der von Finley und Schulz-Falkenthal geäußerten Ansicht, daß die Monopolisierung der Altertumswissenschaft bei den Philologen dazu beigetragen habe, die Schrift Reitemeiers, der aufgrund seiner weiteren beruflichen Laufbahn als Jurist wahrgenommen wurde, zu ignorieren, setzt der Verfasser ein komplexeres Bild entgegen. Er macht als Gründe für den Rezeptionsbruch den Methodenwechsel in den einschlägigen Wissen­schaften namhaft und den zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerade in Deutschland verstärkten Philhelle­nismus (Herder, Wilhelm v. Humboldt). Die negative Bewertung der Sklaverei im antiken Griechenland durch Reitemeier habe nicht dem Zug der Zeit entsprochen. Der Verfasser macht sich insoweit selbst den berechtigten Einwand, daß der Philhellenismus die Rezeption von Rei­temeiers Schrift nicht zu allen Zeiten behindert habe. Das negative Werturteil über die Griechen sei einfach nicht erwähnt worden. So gesteht er der bereits bekannten Begründung auch eine gewisse Berechtigung zu. Es sei leichter gefallen, die Schrift zu ignorieren, weil Reitemeier sich juristischen Betätigungsfeldern zugewandt habe. Weit überzeugender ist der Hinweis des Verfassers auf den wissenschaftlichen Methodenwechsel. Die Aufklärungshistorie und die Universitätsstatistik wurden von neuen Strömungen abgelöst. Das Interesse wandte sich von der Staatenkunde wieder zur Ereignisgeschichte. Damit einher ging eine Abkehr von sozialgeschichtlichen Untersuchungsgegenständen. Vergleiche wurden als ahistorisch abgelehnt. Der Verfasser kommt daher zu dem Fazit: „Es ist die Tragik der Umstände, daß das erste Werk über die antike Sklaverei, das wirklich neue Perspektiven eröffnete, so in der Geschichtsschreibung der Aufklärung verhaftet und doch seiner Zeit so weit voraus war, daß schon die nachfolgende Gelehrtengeneration kein Verständnis mehr für die Konzeption aufbringen konnte.“(S. 387)

Der Verfasser fügt noch eine Analyse der Forschungsarbeiten zur Geschichte der Sklaverei in Rom hinzu, wobei er in bewährter Weise Schriften von Altertumswissenschaftlern, Historikern und Juristen heranzieht (S. 389-439). In den Altertumswissenschaften gibt es jenseits der üblichen Darstellung der antiquitates den Fall eines romantischen Sich-Hinein-Versetzens in die An­tike. Dem Berliner Gelehrten Moritz gelang so eine anschauliche Schilderung des Saturnali­enfestes, bei dem Herren und Sklaven die Rollen tauschten. Außerdem gibt der Verfasser einen Ein­blick in eine neue literarische Gattung. Mit einer Kombination von unterhaltsamer Lektüre und wissenschaftlichem Anspruch wurde ein neues Publikum erschlossen. Der Weimarer Schuldirektor Böttiger veröffentlichte 1803 eine Sammlung von Abhandlungen, die einen Einblick in das antike Leben vermitteln sollten, unter dem Titel: “Sabina, oder Morgenscenen im Putzzimmer einer reichen Römerin“. Der Verfasser gibt den Inhalt wieder und verweist auf die realistische Schilderung gerade auch der Situation von Sklavinnen. Bei der Bewertung der Sklaverei gibt es nach wie vor zwei Lager. Während der Altertumswissenschaftler Wolf die Sklaverei in der Antike mit der neuhumanistischen Argumentation rechtfertigt, daß anders der geistige Fortschritt und die allgemeine Kultur nicht möglich gewesen seien, schildert der Rektor des Lyzeums zu Guben, Richter den Beitrag der Sklaverei zum Sittenverfall.

Die Verbindung der Sklaverei mit dem Sittenverfall findet sich auch in den Schriften der Historiker. Weiterhin stehen die Sklavenkriege und der Spartakusaufstand im Zentrum des Interesses. Spartakus ist auch der Held einer historischen Biographie von Meißner (1793), die mit Sympathie für den Freiheitskämpfer Spartakus geschrieben ist. Der Braunschweiger Lueder untersucht in seiner Völkergeschichte (1800) die Auswirkungen der Sklaverei auf die Wirtschaft und kommt zu einer negativen Bewertung. Weiterhin typisch sind Vergleiche der Sklaverei in der Antike mit der Sklaverei in Westindien und in Nordamerika. Der Verfasser verweist in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Neuanfang der Geschichtsschreibung zur römischen Geschichte mit Niebuhr. Allerdings behandelt Niebuhr die Sklaven in seiner „Römischen Geschichte“ nur am Rande. Aus anderen Äußerungen Niebuhrs trägt der Verfasser aber Elemente zusammen, die eine Neigung zu Vergleichen mit der aktuellen Lage, eine mora­lische Bewertung und den Zug zu umfassender Einordnung erkennbar machen. Auch legt Niebuhr Wert auf eine zeitliche Differenzierung bei der Sklavenbehandlung, die in früheren Zeiten gut gewesen sei und sich dann verschlechtert habe. Niebuhr hat die Entstehung der italienischen Sprache auf die Sklaven und Freigelassenen zurückgeführt.

Abschließend geht der Verfasser auch auf die Juristen ein. Beiträge zur römischen Sklaverei findet man in Handbüchern und Dissertationen. Einen kleinen Abschnitt widmet der Verfasser dem Umbruch in der Rechtswissenschaft durch Hugo. Hinsichtlich der Sklaven wirkt sich in Hugos Lehrbuch der Geschichte des römischen Rechts die Gliederung nach historischen Phasen und die systemati­sche Gliederung des Personenrechts nach der Statuslehre aus – hier folgt er dem Beispiel Reitemeiers in dessen Encyclopädie[1]. In diesem Zusammenhang gibt es allerdings keine wertenden Äußerungen. Diese findet man, Hugos strenger Trennung von Geschichte und Philosophie entsprechend, im Lehrbuch des Naturrechts. Dort erklärt Hugo eine Erörterung der Rechtmäßigkeit der Sklaverei für überflüssig, da diese über Jahrtausende existiert habe. In einer Untersuchung des Einflusses der Sklaverei auf die Menschheit kommt Hugo allerdings bei einer Abwägung von Pro und Contra zu einer klaren Ablehnung. Der Verfasser weist darauf hin, daß sich auch in der Folgezeit Juristen mit der römischen Sklaverei beschäftigten, und zwar sowohl Vertreter der historisch-antiquarischen Richtung als auch Vertreter der historischen Rechtsschule[2].

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse (S. 440-446) macht es dem eiligen Leser leicht, die Quintessenz der Untersuchung kennenzulernen. Dem ausdauernden Leser bietet sie die Gelegenheit, sich die unterschiedlichen Aspekte dieser reichhaltigen Untersuchung noch einmal vor Augen zu rücken. Abschließend kann man den Verfasser zitierend sagen: „In Reitemeier ver­banden sich die jeweiligen Stärken eines Philologen, Juristen und Historikers.“ (S. 291) Zugleich liegt hier ein weiterer Grund für die Schwierigkeiten bei der Rezeption seines Werkes.

 

Göttingen                                                                                                       Cosima Möller

[1] Diese wichtige Verbindung erläutert der Verfasser lediglich in einer Fußnote. Über die optimale Verteilung des Textes in Haupttext und Fußnoten könnte man gelegentlich anderer Meinung als der Verfasser sein.

[2] Eine neue Inspiration für die Beschäftigung mit der römischen Sklaverei waren die entdeckten Quellen, insbesondere die 1816 von Niebuhr in Verona entdeckten Gaius-Institutionen. S. zur Entdeckungsgeschichte, dem wissenschaftlichen Umfeld und den Folgen der Entdeckung jetzt vorzüglich Cristina Vano, „Il nostro autentico Gaio“. Strategie della scuola storica alle origini della romanistica moderna, Napoli 2000.