Deutsche Reichstagsakten Mittlere Reihe.

* Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 2 Reichstag zu Nürnberg 1487. Teil 1, Teil 2, bearb. v. Seyboth, Reinhard. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001. 1-670, VI, 671-1174 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg. ZRG GA 119 (2002)

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Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Zweiter Band Reichstag zu Nürnberg 1487. Teil 1, Teil 2, bearb. v. Seyboth, Reinhard (= Deutsche Reichstagsakten Mittlere Reihe). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001. 1-670, VI, 671-1174 S.

 

Mit der Edition der Akten zum Nürnberger Reichstag von 1487 kann die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die inzwischen fünfte Publikation der der Regierungszeit Kaiser Maximilians I. gewidmeten Abteilung vorlegen. Nach dem Erscheinen der Bände I, III, V und VI stellt der zweite Band einen weiteren wichtigen Schritt zur vollständigen Erschließung der Reichstage in der ersten Regierungshälfte Maximilians dar. Für diesen Zeitraum stehen jetzt nur noch die in Bearbeitung befindlichen Bände IV (Jahre 1491/92), VII (1500-1503) und VIII (1505) aus.

Laut Ausschreibung und Proposition Kaiser Friedrichs III. sollte es bei dem in vorliegendem Band behandelten Reichstag nur um die abschließende Erledigung der schon im Frankfurter Tag von 1486 behandelten Materien der Reichshilfe und des Reichskriegs gegen König Matthias von Hungarn gehen, eine Sichtweise, die bis heute auch die historiographische Forschung übernommen hat. Im Licht der vorliegenden Edition zeigt sich freilich, dass sich in Nürnberg schon bald eine ganze Reihe neuer Probleme und weitergreifender Verhandlungen ergab, durch die die neuerliche Reichsversammlung ein eigenes Profil gewann. Vor allem für den Rechts- und Verfassungshistoriker ist von Interesse, dass auf dem Nürnberger Tag die rechtliche Stellung der Reichsstädte auf den Reichstagen und der Abschluss einer verfassungsrechtlich wichtigen Reichskonstitution thematisiert wurden. Beobachtet werden kann außerdem der Beginn einer stabileren Institutionalisierung des Reichstags durch die Bildung von Kurien und die Festlegung eines bestimmten Verhandlungsmodus, Fortschritte, die wesentlich den Initiativen des Mainzer Kurfürsten Berthold von Henneberg zu verdanken sind. Aber auch dynastische und diplomatische Fragen der wittelsbachischen, der tirolischen, der mailändischen und burgundischen Politik kamen auf die Tagesordnung, Aktivitäten zur Gründung des Schwäbischen Bundes. Durch die in vorliegendem Band gesammelten Akten kann auch das besondere Verhältnis zwischen Friedrich III. und seinem Sohn Maximilian neu bewertet werden. Somit erweist sich auch dieser Band, wie der Reihenherausgeber Heinz Angermeier in seinem Vorwort zu Recht betont, als ein unentbehrliches Instrument zur gründlichen Erschließung der deutschen Geschichte; er „belegt eindrucksvoll, wie wenig die ständigen Rufe nach Drosselung, Kürzung und auch Übergehung von Quellen geeignet sind, dem reichen Stoff neue Wege und tiefere Erkenntnisse abzuringen“.

Angesichts der in der historischen wie auch rechts- und verfassungshistorischen Forschung der Vormoderne bekannten und beliebten Reihe der deutschen Reichstagsakten erscheint es fast überflüssig, nochmals auf Inhalt und Gestaltung einzugehen. Einige wenige Bemerkungen seien aber dennoch sinnvoll. In einem ersten Abschnitt legt der Bearbeiter seine Editionsgrundsätze ausführlich offen und geht dabei vor allem auf die Auswahl seiner Quellen, deren Gliederung und Präsentation ein. Der zweite Abschnitt ist der historischen Darstellung des Nürnberger Reichstages einschließlich seiner Vorgeschichte und seiner Hintergründe in der zeitgenössischen Reichspolitik gewidmet. Unter Verweis auf einige der abgedruckten Quellen gibt der Bearbeiter eine ungewöhnlich ausführliche und präzise Darstellung der Probleme, des Reichstagsverlaufs und der Verhandlungsergebnisse. Den Rechtshistoriker interessieren dabei vor allem die eigens angesprochenen Diskussionen um die ständischen Verfassungsprojekte, darunter vor allem das Projekt einer „Einung gegen fremde Gezünge“. Dieser Entwurf sah vor, dass sich der Kaiser und alle Reichsstände zur gemeinsamen Abwehr aller eventuellen Angriffe auf eines der Einungsmitglieder zusammenschließen und dem Bedrängten zu Hilfe kommen sollten. Daneben sollte der in Frankfurt 1486 verabschiedete Landfriede gehandhabt und die Rechtsprechung des Kammergerichts gefördert werden, und zwar gemäß dem ständischen Entwurf einer Kammergerichtsordnung von 1486. Vor allem aber spiegelt der Einungsentwurf eines der zentralen politischen Ziele Bertholds von Henneberg, dem wesentlichen Initiator des Entwurfs, wieder: Nämlich die Aufhebung des „monarchischen Prinzips“ durch den Zusammenschluss von Kaiser und Ständen als quasi gleichberechtigten Partnern auf genossenschaftlicher Basis. Auch das zweite wichtige Verfassungsprojekt des Nürnberger Tags, die „Deklaration zum Landfrieden“, beruhte auf einer Initiative der Stände. Dass dieses Projekt, bei dem eine weitgehende Einigung zustande kam, schließlich doch scheiterte, hatte vor allem mit politischen Forderungen der rheinischen Kurfürsten zu tun, die in einer Zollangelegenheit territoriale und dem Landfrieden widersprechende Ziele verfolgten. Neben Konstitution und Deklaration bildete das Kammergericht das dritte zentrale Element der monarchisch-ständischen Verfassungsdiskussion auf dem Nürnberger Reichstag. Trotz des schon 1486 sichtbar gewordenen Widerstands des Kaisers gegen jede Umgestaltung des obersten Reichsgerichts, kam es 1487 mit dem Entwurf einer neuen Kammergerichtsordnung wiederum zu einem ständischen Vorstoß, der sich an das 1486 diskutierte Konzept anlehnte. Die Reaktion des Kaisers, der es bei der Ordnung von 1471 belassen wollte, und der auf den häufigeren Zusammentritt des Gerichts in seiner Regierungszeit verwies, und der trotz des Angebots der Stände auf finanzielle Hilfsleistungen bei seiner Haltung blieb, brachte das Projekt erneut zum Scheitern.

Alle drei erwähnten Projekte, die in vorliegendem Band durch reichhaltiges Aktenmaterial dokumentiert werden, lassen erkennen, dass der Nürnberger Reichstag eine wichtige verfassungsgeschichtliche Zäsur markiert, ohne die die Verhandlungen des Wormser Tags von 1495 nicht so erfolgreich gewesen wären. Ihm war zwar noch nicht der erhoffte Durchbruch gelungen; doch hatte er zusammen mit dem Frankfurter Tag von 1486 eine Diskussion in Gang gebracht, die nur wenige Jahre später nach dem Tod des alten Kaisers unter einem flexibleren Nachfolger zu Ende geführt werden konnte.

Im Editionsteil des Doppelbandes werden zunächst die mit dem kaiserlichen Tag in Speyer Anfang 1487 und mit den seit Dezember 1486 abgehaltenen Städtetagen einsetzenden Vorverhandlungen vorgestellt. Ein zweites Kapitel ist den politischen Problemen im Umfeld des Nürnberger Reichstags gewidmet, ein drittes besonders der wittelsbachischen Expansionspolitik dieser Zeit, die auf dem Nürnberger Tag besonders thematisiert wurde. Der zwischen März und Juli 1487 abgehaltene Tag in der Reichsstadt Nürnberg ist im vierten Kapitel dokumentiert. Weitere Kapitel wenden sich den Nachverhandlungen zu, gehen auf die Gründung des Schwäbischen Bundes ein und stellen den kaiserlichen Tag in Rothenburg ob der Tauber im September/Oktober 1487 vor, bei dem es um Weinzusätze ging. In einem achten Kapitel schließlich werden unter der Überschrift „Berichte“ das reichsstädtische Protokoll sowie Gesandtschaftsberichte und -instruktionen der Fürsten sowie einiger Städte abgedruckt. Wertvolle Hilfsmittel zur Erschließung des Akteninhalts stellen das chronologische Aktenverzeichnis sowie das Register der Personen- und Ortsnamen am Ende des Bandes dar. Leider hat man sich auch jetzt - getreu der ursprünglichen Konzeption der Reichstagsreihe, zu einem Sachregister nicht entschließen können, ein Hilfsmittel, das besonders Rechts- und Verfassungshistorikern die Arbeit an den Quellen wesentlich erleichtert hätte. Desungeachtet aber bildet die vorliegende, gründliche Edition einen weiteren wichtigen Schritt zur Erschließung spätmittelalterlicher reichsgeschichtlicher Quellen.

 

Darmstadt                                                                                          J. Friedrich Battenberg