Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen,

* hg. v. Althoff, Gerd/Schubert, Ernst (= Vorträge und Forschungen 46). Thorbecke, Sigmaringen 1998. 459 S. Abb. Besprochen von Jürgen Weitzel. ZRG GA 119 (2002)

WeitzelHerrschaftsrepräsentation20010507 Nr. 1232 ZRG 119 (2002) 24

 

 

Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, Gerd/Schubert, Ernst (= Vorträge und Forschungen 46). Thorbecke, Sigmaringen 1998. 459 S. Abb.

 

Der Sammelband enthält 11 Beiträge zu einer Tagung, die vom 22.-25. März 1994 stattfand. Dem Band geht es darum, „das Spezifische ottonischer Herrschaftsausübung“ (Klappentext) von Seiten der Kunstgeschichte und der allgemeinen Geschichte zu erarbeiten. Es werden unterschiedliche Zeugnisgruppen - Reichsinsignien, Bauten, Gemälde, Skulpturen und Texte - als Ausdruck von Herrschaftsrepräsentation betrachtet. Sie stammen zumeist aus dem ostsächsischen Harzgebiet als der zentralen Landschaft des ottonischen Königtums und Reiches. Herrschaft manifestiere sich im 10. Jahrhundert vornehmlich in Akten der Repräsentation. Ihr Sinn sei zu entschlüsseln, sie dürften nicht als „leeres Zeremoniell“ missachtet werden. „Öffentliche Auftritte der Herrscher und des Herrschaftsverbandes, ihrer örtlich und baulichen Voraussetzungen, der Stellenwert von Zeremoniell und Ritual, das Zusammenwirken geistlicher und weltlicher Elemente und ihre Umsetzung ins Bild werden diskutiert mit dem Ziel, den jeweiligen Beitrag zum Funktionieren mittelalterlicher Ordnung neu zu ermessen“ (Klappentext). Wer über das interdisziplinäre Konzept „Herrschaftsrepräsentation“ mehr wissen möchte, der lese zuerst die von Hagen Keller stammende Zusammenfassung (431-452). Der Leser erfährt, dass hier eine spezifische Form der Herrschaftsrepräsentation untersucht wird, die im Übergang der Herrschaft von den Karolingern auf die Liudolfinger einen „wichtigen Wandel sowohl im Verständnis des Königtums wie in der Stellung des Königs zu den Großen des Reiches und zum Reich selbst“ (432, 450-452) zum Ausdruck bringe. Das gegenüber der Karolingerzeit in der Repräsentation Neue bleibt dann aber doch auffallend bescheiden. Genannt werden die Herrschermemoria und in Verbindung mit ihnen das nunmehr einen öffentlichen Ort suchende Herrschergrab, die Grablege, sowie mit dem Ausdruck einer gewissen Unsicherheit der veränderte Umgang mit Reliquien. Vieles andere setzte die karolingische Tradition fort, z. B. wollte Otto der Große unzweifelhaft Magdeburg nach dem Vorbild Aachens zur Zentrale des Reiches ausgestalten (Ernst Schubert, Imperiale Spolien im Magdeburger Dom, S. 9-32). Die neue Repräsentationsforschung setzt im Gegensatz zur älteren Arbeit Percy Ernst Schramms über Herrschaftszeichen und Staatssymbolik vom 3. bis zum 16. Jahrhundert (1954-1956) stärker auf das Geschehen von Interaktion und Kommunikation. Der Gegenstand erschöpfe sich nicht in einer „Außenansicht“, sondern erfasse insbesondere den „Vollzug, in dem alle Beteiligten eine unverzichtbare Rolle spielen und mitspielen müssen“, der König und die Großen, der „das Bewusstsein einer Gesellschaft“ konstituiere und „zugleich eine Ordnung zur Darstellung“ bringe (437). Eine Erweiterung des behandelten Gegenstandes findet auch insoweit statt, als am Beispiel Quedlinburgs und der kirchlichen Neuorganisation im ottonischen Sachsen Fragen des Verhältnisses der Repräsentation königlicher Herrschaft einerseits, der Repräsentation der sächsischen Adelsherrschaften andererseits aufgeworfen werden (441f., 446; Gerd Althoff, Magdeburg-Halberstadt-Merseburg. Bischöfliche Repräsentation und Interessenvertretung im ottonischen Sachsen, S. 267-293).

Zur Methode ist der eindringliche Hinweis, dass mit den Schriftquellen kritisch umzugehen, dass nach ihrer Zielsetzung und nach dem, was sie nicht ausdrücklich sagen, zu fragen sei (446f.) als erneute Einschärfung beherzigenswert. Andererseits klingt in der Aussage, dass sich im Geschehen der Herrschaftsrepräsentation „und allem, was mit ihm verbunden ist, nahezu alle Faktoren der ’Herrschaftsverwirklichung‘ verbinden“ (434) - wenn auch in sehr weicher Formulierung - , jene Überbewertung an, die Gegenständen der historischen Kommunikationsforschung derzeit gern zugemessen wird. Herrschaftsverwirklichung erfordert denn doch wesentlich mehr als nur Repräsentation.

 

Würzburg                                                                                                        Jürgen Weitzel