Kerth, Sonja, Der landsfrid ist zerbrochen.

* Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jahrhunderts (= Imagines Medii Aevi. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung 1). Dr. Ludwig Reichert Verlag, Wiesbaden 1997. IX, 356 S. Besprochen von Wilfried Fiedler. ZRG GA 119 (2002)

FiedlerKerth20010227 Nr. 1012 ZRG 119 (2002) 30

 

 

Kerth, Sonja, Der landsfrid ist zerbrochen. Das Bild des Krieges in den politischen Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jahrhunderts (= Imagines Medii Aevi. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung 1). Dr. Ludwig Reichert Verlag, Wiesbaden 1997. IX, 356 S.

 

Die aus einer Würzburger Dissertation hervorgegangene Arbeit widmet sich einem fast vergessenen Zeitraum, nämlich der Epoche vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. Die lesenswerte Einleitung (S. 1ff.) grenzt den Gegenstand der Arbeit wissenschaftlich hervorragend ab und schafft so die Voraussetzungen für die folgenden Ausführungen. Dabei wird deutlich, daß nicht nur in jener entfernten Zeit der Krieg in unterschiedlicher Weise dargestellt wurde, sondern, daß auch Ausflüge in die Gegenwart am Platze sind, wie etwa die Anknüpfung an E. M. Remarque mit seinen Darstellungen des ersten Weltkrieges oder die Erwähnung von Habermas in Bezug auf den Wandel der Öffentlichkeit (S. 285) und die Bezugnahme auf den Golf-Krieg 1990/1991 (S. 320). Auf diese Weise bleibt die Darstellung trotz der fernliegenden Periode der Untersuchung stets wirklichkeitsnah. Das gilt auch für die wissenschaftliche Einkleidung, die Bezug nimmt auf die Sammlung von Rochus von Liliencron aber auch auf andere Autoren. Bei ihren Bezugnahmen bleibt die Verfasserin stets kritisch- distanziert, keineswegs überheblich. Das Bild des Krieges wird auf diese Weise gut herausgearbeitet und in den notwendig naheliegenden Kontext gestellt. Dabei zeigt sich u. a. auch die Notwendigkeit, das Bild des Krieges zu wandeln. Jedenfalls tritt es in den 3 Jahrhunderten, die diese Arbeit abdeckt, in einem sich stets verändernden Gewande auf.

Wenn die Verfasserin von „politischen Ereignisdichtungen“ spricht, so orientiert sie sich an bestimmten Konstellationen und Konflikten historischer Art. Die Arbeit beginnt mit den Stadt-Adels-Konflikten (S. 12ff.) und geht danach zu den eidgenössischen Kriegen (S. 44ff.) über, bevor sie die inhaltlichen Konflikte aufgreift (S. 88ff.). Weitere Schwerpunkte der Arbeit bilden die Hussitenkriege (S. 122ff.), der Bauernkrieg (S.135ff.), aber auch die Türkenkriege (S. 155ff.) und der Schmalkaldische Krieg (S. 189f.). Allgemeineren Fragen sind die Abschnitte 8 und 9 gewidmet, bevor eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit den Schluß bildet (S. 317f.). Alle Kriege und Konflikte folgen in der Reimdichtung der Zeit einem bestimmten Muster, das von der Selbstdarstellung über das Feindbild zu den Kriegsgründen führt. Hinzu kommen, wenn es gut geht, die rechtlichen und die religiösen Argumentationen, die sich in den Reimsprüchen niederschlagen. Der funktionale Aspekt tritt besonders in dem Abschnitt über die Türkenkriege (S. 155f.) hervor, aber auch in dem abschließenden neunten Abschnitt (S. 265ff.). Für den Juristen spielte seit langem die Bezugnahme auf den „gerechten“ Krieg eine Rolle, doch bleibt der Jurist nach der Lektüre des Buches einigermaßen ratlos, denn was „gerecht“ im konkreten Falle bedeuten soll, wird von den Parteien unterschiedlich dargestellt.

Auch die Gegenwart zeigt ein sich veränderndes Bild des Krieges, doch ist die Analyse nicht mehr auf die Zufälligkeiten der Reimdichtung angewiesen. Nach der Zusammenfassung finden sich verschiedene Verzeichnisse, aber kein Sachverzeichnis. Bei dem Register der Texte (S. 341ff.) wird unterschieden zwischen Textsammlungen und einzeln publizierten Texten. Nützlich ist das Register der Personennamen (S. 351ff.). Insgesamt handelt es sich um eine sehr aufschlußreiche Arbeit, die vor allem den funktionalen Aspekt ernst nimmt. Lobenswert ist auch die Verbindung zwischen theoretischen Ausführungen und praktischen Beispielen. Eine sehr bemerkenswerte Arbeit.

 

Saarbrücken,                                                                                                 Wilfried Fiedler