Morgenbesser, Ernst Gottlob, Beiträge zum republikanischen Gesetzbuche

* enthalten in Anmerkungen zum allgemeinen Landrechte und zur allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten. Königsberg 1798, hg. v. Schild, Wolfgang. Haufe, Freiburg 2000. 344 S. Besprochen von Friedrich Ebel. ZRG GA 119 (2002)

EbelMorgenbesser20010917 Nr. 10409 ZRG 119 (2002) 43

 

 

Morgenbesser, Ernst Gottlob, Beiträge zum republikanischen Gesetzbuche enthalten in Anmerkungen zum allgemeinen Landrechte und zur allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten. Königsberg 1798, hg. v. Schild, Wolfgang. Haufe, Freiburg 2000. 344 S.

 

Wohl nur drei Exemplare der zwei Auflagen des von der Zensur seinerzeit verbotenen Buches von Ernst G. Morgenbesser sind erhalten; schon allein deshalb ist der Nachdruck, den Wolfgang Schild veranstaltet hat, verdienstvoll. Er bietet Gelegenheit, frühes durchaus revolutionäres Staatsdenken in Preußen in der Spanne zwischen 1789 und den Befreiungskriegen kennenzulernen. Um dies zu ermöglichen, bietet der Herausgeber noch eine 170 Druckseiten umfassende Analyse, einen ebenso ungewöhnlichen wie lobenswerten Annex zum Nachdruck.

„Aufklärung“ radikal ist es, was hier vorgeführt wird. Diese Aufklärung ist nicht demokratisch (so aber Schild S. 178f.), sondern republikanisch. Das Buch ist eine Art Gegenentwurf zu Allgemeinem Landrecht und Allgemeiner Gerichtsordnung Preußens; seinem „Gesetzbuch“ verleiht Morgenbesser Konstitutionscharakter: Die Republik sei die allein denkbare (d. i. wohl sinnvolle) Staatsform. Nach einer so aufbereitenden Einführung in den Komplex „Aufklärung“ wird Leben und Werk Morgenbessers vorgeführt (* 1755, Studium in Frankfurt und Halle, wirkte am ostpreußischen Obertribunal, arbeitete 1794 am Entwurf eines ostpreußischen Provinzialrechts mit und wurde 1819 [trotz seines Buchs] Präsident des Oberlandesgerichts Königsberg; gestorben 1824).

Die „Beiträge“ erschienen 1798 in erster, 1800 in zweiter Auflage. Noch 1846 kann Varnhagen von Ense bemerken: „Merkwürdig, was damals gedruckt werden durfte“ (S. 199). 1830 war das Buch allerdings verboten und eingezogen worden. Der Wechsel des politischen Klimas wird hier evident. Schild stellt dann zeitgenössische Rezensionen vor, anschließend neuere Stimmen ‑ E. v. Meier 1908: „halbverrückt"; Hermann Conrad verurteilt Morgenbesser 1961, J. Heuer sieht Ansätze zu einem sozialistischen System. Heute wird Morgenbesser selten genannt.

Wichtig ist vor allem die Vorstellung des Werkes im Rahmen der preußischen Gesetzgebung und der kantischen Philosophie. Dem schließt sich eine Darstellung der tragenden Prinzipien des Morgenbesserschen Buchs (S. 247ff.) an. Es übernimmt den kantischen Republikbegriff. Diese Modelle werden eher aus der Empirie bezogen. Signifikant sei die Abschaffung des Strafrechts hervorgehoben (die Schild als Strafrechtshistoriker und Rechtsphilosoph natürlich besonders interessiert), dann die Ablehnung ständischer Ungleichheit, gar die des Erbrechts.

Eine Wertung „Hoch‑Mut“ beschließt die Darstellung, die viel mehr ist als eine Einführung in die Edition. Sie sei hier nicht wiedergegeben. Die Frage ist nun, ob eine so umfangreiche (kenntnisreiche, vertiefte und belehrende) Abhandlung Platz in einer Edition haben sollte. Äußerlich hat dies der Verfasser geschickt dadurch unterdrückt, daß er mit der Gestaltung nicht als Einleitung, sondern als „Anhang“ den Leser erst einmal auf den Nachdruck lenkt. Sachlich ist es umgekehrt: Schild hat eine vorzügliche, gut lesbare und gelehrte Abhandlung verfaßt, deren verifizierender Anhang als Hauptteil deklariert wird. Sei's drum! Dank für die Edition als solche, und respektvolle Anerkennung für die Analyse.

 

Berlin‑Dahlem                                                                                                  Friedrich Ebel