Pahlow, Louis, Justiz und Verwaltung.
PaulyPahlow20010514 Nr. 10188 ZRG 119 (2002) 45
Pahlow, Louis, Justiz und Verwaltung. Zur Theorie der Gewaltenteilung im 18. und 19. Jahrhundert (= Naturrecht und Rechtsphilosophie in der Neuzeit, Studien und Materialien 7). Keip, Goldbach 2000. IX, 416 S.
Mit seiner Gießener Dissertation spricht Louis Pahlow ein großes Thema an: das Prinzip der Gewaltenteilung. Ausgehend von dem Befund, daß „beide Kompetenzbereiche … in der Geschichte der Ausbildung staatlicher Herrschaftsstrukturen lange Zeit weder organisatorisch noch voneinander funktionell unterscheidbar“ waren, stellt er sich die Frage, „ab wann und wie Verwaltung und Justiz in der politischen Theorie unterschieden wurden und die Forderung nach ihrer Trennung erhoben wurde“ (1). Sein Untersuchungszeitraum sind die Jahre 1750 bis 1850, sein Untersuchungsgegenstand ist „der theoretische Diskurs“, wie er sich in dem zugrunde gelegten „umfassenden und auf Vollständigkeit angelegten Bestand von gedruckten Quellen der deutschen politischen Theorie von ca. 1750 bis 1850“ (6) präsentierte. Quellengrundlage der bei Diethelm Klippel entstandenen Arbeit sind also in erster Linie Darstellungen des Naturrechts, der Rechtsphilosophie, des Allgemeinen Staatsrechts und der Polizeiwissenschaft, nicht zuletzt aus dem Fundus des Forschungsprojekts „Naturrecht und Rechtsphilosophie im 19. Jahrhundert“.
Zu Beginn des ersten der drei großen Teile „Policey und Justiz in der politischen Theorie des aufgeklärten Absolutismus“ setzt Pahlow einen Akzent: Er schreibt gegen die in der Literatur verbreitete Vorstellung, daß es spätestens seit 1750 zu einer vollständigen Separation von Policey- und Justizaufgaben gekommen sei, die darüber hinaus mit rechtsstaatlichem oder liberalem Gedankengut in Verbindung zu bringen sei. Hierzu bedient er sich der Analyse zeitgenössischer Literatur zum Aufgabenbereich der etwa in der Polizeiwissenschaft die Justiz umschließenden Polizei, aber auch zur kompetentiellen Abgrenzung von Polizei- und Justizsachen einschließlich deren politischer Dimension, und ergänzt insoweit die nach wie vor grundlegende Darstellung von Peter Preu. Damit überzeugt er ebenso wie mit der Herausstellung der Zäsur um das Jahr 1790, mit der er den zweiten Teil „Die Trennung der Policey von der Zivil- und Strafrechtspflege“ eröffnet. Es ist das Jahrzehnt, in dem das Staatsziel Glückseligkeit der Untertanen von dem der Sicherung von Freiheit und Eigentum abgelöst wurde. Die seit der Zeit um 1770 zögerlich aufkommende Opposition gegen polizeiliche Bevormundung durch den Staat ohne Rechtsschutz oder allenfalls im „summarischen Prozeß“ konnte nunmehr breiteren Raum beanspruchen. Zeichneten sich in den Jahren vor 1789/90 erste Tendenzen zur Auflösung des Standesrechts ab, etwa durch die Ausrichtung der Polizeirechtsdarstellung Friedrich Christoph Jonathan Fischers (1785) am „Staatsbürger“, und wurde parallel das Verlangen nach einer zunächst noch von der Polizei zu garantierenden wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit immer stärker, gewannen diese Forderungen erst nach 1790 eine neue Qualität. Entsprechend erfolgte ein Perspektivenwandel hin auf die Rechte des Individuums. Die hiermit verbundene grundsätzliche Veränderung des Justizverständnisses schildert Pahlow in diesem zweiten Teil ebenso anschaulich wie die Verengung des Polizeibegriffs und die Integration der Polizei in die sich zunehmend festigende Staatsverwaltung. Polizei und Gerechtigkeitspflege sollten fortan deutlich geschieden sein; die neuerlichen Abgrenzungstheorien und die zugrunde liegenden politischen Interessen zeigt Pahlow ebenfalls auf. Der dritte Teil des Buches ist dann dem „Rechtsschutz gegenüber staatlicher Verwaltung im 19. Jahrhundert“, vor allem der Diskussion um die Administrativjustiz und ihre Kritik durch die sog. Justizstaatslehre gewidmet, um schließlich einen Ausblick auf die „theoretische Begründung einer rechtsstaatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach 1860“ zu geben.
Pahlows Buch ist informativ und klar geschrieben. Die „auf Vollständigkeit angelegte“ Literaturauswahl ist breit, so daß der Wunsch nach Berücksichtigung weiterer Literaturzweige, wie etwa der Polizeirechtswissenschaft des 18. Jahrhunderts, nicht im Vordergrund stehen soll. Zur Theorie der Gewaltenteilung im 18. und 19. Jahrhundert hat er jedenfalls einen weiteren Baustein geliefert.
Frankfurt am Main Johann Christian Pauly