Riem, Andreas, Was sollten die Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu sichern?
LaufsRiem20010809 Nr. 10208 ZRG 119 (2002) 01
Riem, Andreas, Was sollten die Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu sichern? Mit einem Nachwort hg. v. Welker, Karl H. L. Wehrhahn, Hannover 2000. 126 S.
Der 1749 im pfälzischen Frankenthal geborene, 1814 verarmt und vergessen zu Speyer verstorbene reformierte Prediger, Aufklärer und unermüdliche Autor von ungefähr hundert selbständig veröffentlichten Werken, publizierte den hier angezeigten Text 1798 in der von ihm zwischen 1795 und 1799 in zwölf Heften herausgegebenen Zeitschrift „Europens politische Lage und Staats-Interesse“. Er richtete sich an die „Regenten“ der deutschen Territorialstaaten; die Pflichten der Territorialherren stehen im Vordergrund. Im November 1795 als ebenso unliebsamer wie unerschrockener Kritiker der öffentlichen Zustände aus Preußen abgeschoben, publizierte Riem fortan als heimatloser Reisender. Zu seinem 250. Geburtstag erschien ein Aufsatzband, der den Autor als Theologen, Kunst-, Roman- und Reiseschriftsteller, auch als Publizisten und Finanztheoretiker vorstellt, nachdem Walter Grab an ihn erinnert hatte. (Karl H. L. Welker, Hrsg., Andreas Riem. Ein Europäer aus der Pfalz, 1 999).
Die Schrift gibt der Überzeugung Ausdruck, daß Gesetze, denen sich ein Regent unterwirft, das wirksamste Schutzmittel gegen Revolutionen bilden. Diese Einsicht hatten ihm die preußischen Reformer und deren Kodifikationswerk vermittelt. „Ein Staat, in welchem der Regent darauf mit strenger Aufmerksamkeit wacht, daß die Gesetze mit Unpartheylichkeit gehandbabt werden, ein Staat, wo alle Glieder desselben ohne Ansehen der Person, einem und eben demselben Gesetz ohne Unterschied unterworfen sind, und von den Vorzügen der Geburt oder des Standes kein Vortheil zu erwarten haben, sobald sie vor dem Gesetz stehen; ein solcher Staat ist frey, auch als Monarchie, und läßt dem Staatsbürger nur noch weniges zu wünschen übrig, wo das Gesetz nicht ausdrücklich redet. Denn frey ist jeder, der kein Gesetz übertretten will, wo er auch sey“ (S. 91). Dem Adel stand Riem ablehnend gegenüber; in dessen Vorrechten erkannte er „ein Einleitungs-Mittel zu Revolutionen“. Im Kampf gegen die Privilegien zeigte sich seine Neigung auch zu ausfälliger Polemik: „Und nun sitzt der Baron von Donderstrauckshausen auf seinem Schlosse, frißt, säuft, hurt, jagt, reutet und schindet die Bauern, die ihm das Geld zum Prassen im sauerstem Schweisse ihres Angesichts erwerben müssen; und dieß unbesorgt, ob sein Erwerber für sich und die Seinen einen Brocken übrig behalte oder nicht“ (S. 32).
Der Reiz des Büchleins besteht darin, daß es dem Leser einen frühen Vordenker des Rechtsstaates und des bürgerlichen Zeitalters vorstellt und näher bringt. Bedenkenswert auch, in welch hohem Maße kritische Publikationen in Deutschland unmittelbar nach der Revolution sein konnten.
Heidelberg Adolf Laufs