Schüler, Hans Christian, Die Entstehungsgeschichte der Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961

* (= Rechtshistorische Reihe 221). Lang, Frankfurt am Main 2000. 440 S. Besprochen von Christian Neschwara. ZRG GA 119 (2002)

NeschwaraSchüler20010912 Nr. 10322 ZRG 119 (2002) 87

 

 

Schüler, Hans Christian, Die Entstehungsgeschichte der Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961 (= Rechtshistorische Reihe 221). Lang, Frankfurt am Main 2000. 440 S.

 

Die vorliegende Arbeit behandelt die Entstehung der deutschen Bundesnotarordnung (BNotO) von 1961. Das Manko einer monographischen Abhandlung über diesen Gegenstand hat den Autor veranlaßt, mit seiner Darstellung „diese Lücke“ zu schließen, und zwar „insbesondere durch Auswertung unveröffentlichter Quellen“ (S. 27). Und darin liegt auch ihr besonderer Wert: Der Autor hat der Forschung bislang unbekannte Materialien aufbereitet, neben solchen aus zahlreichen öffentlichen Archiven (s. S. 417ff: Quellenverzeichnis), vor allem auch solche aus dem Archiv der Bundesnotarkammer.

Das Ergebnis seiner Bemühungen ist eine minutiös-pointilistisch erarbeitete Dokumentation der Gesetzgebungsgeschichte der BNotO. Sie konzentriert sich – wie die der Darstellung vorangestellte „Zeittafel“ erahnen läßt – auf eine im wesentlichen chronologischen Kriterien folgende Beschreibung der „Entstehung der BNotO ...“ (S. 83ff.) im Jahrzehnt von 1950–1961; sie beschränkt sich dabei auf den institutionellen Rahmen und den äußeren Ablauf der Gesetzgebungsarbeiten. Ein „weiterer Hauptteil“ (28) behandelt dann einzelne „Kernfragen im Rahmen der Entstehung bedeutsamer Vorschriften des NotMaßnG ... 1961 bzw. der BNotO“ (S. 201ff.). Der Rechtsgeschichte des Notariats widmet die vorliegende Arbeit lediglich eine knappe „Rückblende“ (S. 27), die sich vor allem auf „die Wiederaufnahme der Bemühungen um ein einheitliches Reichsnotariat“ (S. 32) in der Weimarer Republik seit Mitte der 20er-Jahre konzentriert, nachdem ähnliche Bestrebungen um die Beseitigung der zersplitterten Notariatsverfassungen während der Zeit des Kaiserreiches gescheitert waren. Inwieweit diese Intention dann mit der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus 1937 zustandegebrachten Reichsnotarordnung (RNotO), nämlich als einheitliche Notariatsverfassung das Nurnotariat durch das allmähliche Auslaufen des Anwaltsnotariats zu etablieren, erreicht worden sind, bleibt offen. Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Regelungen der RNotO springt die Arbeit sofort auf die „Entwicklung des Notarrechts in Deutschland nach 1945 bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes ... 1949“ (S. 53ff.). Ein Überblick zeigt zunächst die Entwicklung des Notarrechts der RNotO und ihrer Änderungen aufgrund von Maßnahmen zum Wiederaufbau des Notariats in den westlichen Besatzungszonen und den dort neu entstandenen Ländern (55ff), wobei der Blick insbesondere auf jene fällt, wo das Nurnotariat bestand. Während diese Bemühungen in Rheinland-Pfalz mit dem Erlaß einer Landes-Notariatsordnung 1949 erfolgreich waren, wurden entsprechende Pläne in Bayern nach der Entstehung des Grundgesetzes und der damit verbundenen Verlagerung der Gesetzgebungs-Zuständigkeiten nicht mehr weiterverfolgt. Darüber hinaus hatten aber vor allem die bis dahin von den Zonenbehörden bzw. den Ländern im Bereich des Notarrechts gesetzten Maßnahmen die RNotO in Teilbereichen erheblich abgeändert, so daß die vor 1945 noch bestehende Zersplitterung der Notariatsverfassung sich noch weiter verstärkte. Einer zentralistischen Gestaltung der Notariatsverfassung durch die Einführung des Nurnotariats im Sinne der RNotO war aufgrund der seit 1949 bestehenden konkurrierenden Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern im Bereich des Notarrechts der Weg abgeschnitten. Die 1950 von der Bundesregierung zu seiner Neugestaltung eingeleiteten Vorbereitungsarbeiten zielten daher von vorneherein nicht auf eine grundlegende Umgestaltung, sondern auf eine Harmonisierung der Normen des Notarrechts ab. Nach Abschluß der mehr als ein Jahrzehnt dauernden Diskussion um die Reform des Berufsrechts der Notare sind von der mit dem „Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Notarrechts“ (NotMaßnG) als BNotO 1961 neukundgemachten RNotO freilich bloß zehn Bestimmungen unverändert geblieben, so daß ein neues Gesetz vorlag. Dennoch war mit ihm eine Gesamtreform des Notarrechts weder intendiert noch tatsächlich zustandegekommen, denn das von der RNotO verfolgte Ziel der schrittweisen Einführung des Nurnotariats konnte nicht fortgeführt werden; es blieb beim status quo von 1945/49.

In der wechselvollen Gesetzgebungsgeschichte tritt neben gegensätzlichen Interessenlagen des Nurnotariats, vertreten von der Gemeinschaft des Deutschen Notariats, und des Anwaltsnotariats, vertreten durch die (Arbeitsgemeinschaft der) Rechtsanwaltskammern, vor allem das Verhalten der Länder hervor, die im Hinblick auf ihre Kritik an einzelnen von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelungen oft ohne erkennbare, fundierte Linie agierten; insbesondere in bezug auf den Hauptstreitpunkt der Reform, die Frage der Gestaltungsform des Notariats im Hinblick auf das Verhältnis Nurnotariat und Anwaltsnotariat. Die von der Bundesregierung für Länder mit gemischter Notariatsverfassung ins Auge gefaßte fakultative Abschaffung des Anwaltsnotariats als Alternative zum status quo fand keine Akzeptanz. Diese für den Ausgang der Notarrechtsreform wesentliche Frage hat der Autor in einem Exkurs (S. 219ff.: „Kontroversen um landesinterne Vereinheitlichung des Notariats“) auch besonders herausgehoben. Darüber hinaus sind noch andere Vorschriften des NotMaßnG bzw. der BNotO, die im Bundesrat, dem durch die gebündelte Vertretung der Länderinteressen eine Schlüsselposition bei der Notarrechtsreform zukam, besonders umstritten waren, in systematischer Darstellung behandelt, und zwar vor allem jene über den Aufbau und die Organisation der Notarkammern sowie des Disziplinarrechts und jene über die Frage von konkurrierenden Zuständigkeiten im Beurkundungswesen neben den notariellen Einrichtungen. Die vom Autor ausgewählten „Kernfragen“ der Notarrechtsreform machen es besonders deutlich, daß das deutsche Notarrecht eine der Zustimmung der Länder bedürftige Gesetzesmaterie darstellte; ihre Regelung konnte auch nur im Wege von Kompromissen durch die Einräumung von entsprechenden Vorbehalten zugunsten der Länder gelingen. Die Diskussion um die Neugestaltung der Notariatsverfassung wurde in der Bundesrepublik Deutschland nach 1961 zwar fortgeführt (s. S. 327ff.), freilich ohne zu wesentlichen Rechtsänderungen (s. S. 321ff.) zu führen. Bemerkenswert ist auch, daß nach dem Anschluß der Länder der DDR an die BRD keine umfassende Diskussion über die Neuordnung der Notariatsverfassung stattgefunden hat. Die Ablösung des DDR-Rechts als partielles Bundesrecht im Sinn des Einigungsvertrags erfolgte 1998 im Wege der Ausdehnung der BNotO auf die neuen Länder: In Kontinuität zum DDR-Recht besteht dort – von Berlin abgesehen – das Nurnotariat als einheitliche Notariatsverfassung.

Wien                                                                                                              Christian Neschwara