Strothmann, Jürgen, Kaiser und Senat.
RichterStrothmann20001121 Nr. 1127 ZRG 119 (2002) 30
Strothmann, Jürgen, Kaiser und Senat. Der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom zur Zeit der Staufer (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 47). Böhlau, Köln – Weimar- Wien 1998. 498 S.
Wer sich mit der Reichsgeschichte des 12. Jahrhunderts und der Herrschaft des Kaisers Friedrich Barbarossa befasst, wird auf einen Konflikt stoßen, der den Stauferkaiser über eine lange Zeit seiner Herrschaft beschäftigt hat: Die Auseinandersetzung mit der Stadt Rom. Rom stand mit Beginn der renovatio senatus im Jahre 1143 als politische Kraft zwischen Kaiser und Papst. Zeitgenössische Quellen wie die Gesta Frederici Ottos von Freising und Rahewins haben sich mit Rom auseinandergesetzt und den Anspruch der Stadt auf die Vergabe der Kaiserkrone dargestellt. Unklarheit herrschte jedoch über die Frage, auf welcher Grundlage, in welchem Zusammenhang und mit welchen Konsequenzen dieser Herrschaftsanspruch begründet wurde und wie die Römer versuchten, ihn gegenüber den staufischen Kaisern durchzusetzen. Der Beantwortung dieser Fragen widmet sich S t r o t h m a n n in seinem umfangreichen Werk, einer Bochumer Dissertation (F. S e i b t). Der Verfasser greift auf eine Vielzahl von Quellen zurück, bei denen es sich um für den römischen Herrschaftsanspruch aussagekräftige editierte Senatsurkunden aus der Zeit von 1143 bis 1262 handelt. Die Stadt Rom vermochte im Mittelalter als einzige neben Kaiser und Papst ihre Legitimation auf ihre Vergangenheit und die antiken Kaiser stützen. Dazu war jedoch ein entsprechender Herrschaftswille der Stadt erforderlich, der seinerseits die Rezeption der Antike voraussetzte. Diese Rezeption wird vom Verfasser detailliert und gründlich ausgearbeitet. Er legt aber auch Wert auf eine ausführliche Darstellung der Bedeutung, die die römische Bürgerschaft in der Entwicklung der Stadt hatte. Gerade dies ist ein besonderer Reiz des Buches, da sich Arbeiten über das mittelalterliche Rom bisher im wesentlichen auf das Papsttum und einige vornehme Familien bezogen. Dabei spielt die Bürgerschaft für die Ermittlung der inneren Struktur Roms und ihrer Beziehungen außerhalb der Stadt eine entscheidende Rolle. Die Bürgerschaft Roms und ihre gedankliche Konzeption, auf die sie ihren Herrschaftsanspruch begründete, bilden das zentrale Thema der Arbeit und werden von dem Verfasser in ausführlicher und ansprechender Weise herausgearbeitet. Dabei stellt der Verfasser klar, daß der Titel seiner Arbeit ‑ der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom ‑ keineswegs bedeutet, daß die Bürgerschaft mit dem Papst in Verbindung gebracht werden soll, ähnlich wie es bei Kaiser und Reich der Fall ist. Vielmehr arbeitet der Verfasser heraus, daß die Bürgerschaft Roms in der Stauferzeit eine dritte, eigene Kraft im Gefüge der universalen politischen Ideen darstellte. Die Untersuchung beginnt mit der Herausbildung der römischen Bürgerschaft, beschreibt den Kampf um die Anerkennung durch Kaiser und Papst und den Wandel ihrer gedanklichen Konzeption im Rahmen des Möglichen. Prägend für das Herrschaftsverständnis der römischen Bürgerschaft war die Renovatio Senatus, die Etablierung eines Senats nach antikem römischem Vorbild. Dieser Vorgang, dem der Verfasser den ersten Abschnitt der Arbeit widmet, ereignete sich zwischen 1143 und 1155. Weiterhin beschreibt der Verfasser im zweiten Abschnitt der Arbeit die Entwicklung der städtischen Gesellschaft zwischen 1155 und 1220 und beleuchtet dabei auch den durch den Senat artikulierten Herrschaftsanspruch. Für den Rezensenten ist dabei aufgrund seiner rechtshistorischen Untersuchung der Gesta Frederici Ottos von Freising und Rahewins besonders das Verhältnis zwischen Rom und Friedrich Barbarossa von Interesse.[1] Der Staufer, so berichtet es uns Otto von Freising, kam selbst in Kontakt mit dem Herrschaftsanspruch Roms, als ihm die Bürgerschaft der Stadt in Tradition zur Antike die Kaiserwürde verleihen wollte. Friedrich lehnte das Ansinnen der Römer ab und ließ sich vom Papst krönen. Hintergründe dieses Vorfalls werden von dem Verfasser anhand von Senatsurkunden detailliert untersucht und besprochen (S. 137 ‑ 153). Der dritte und abschließende Teil der Arbeit widmet sich der Regierungszeit Friedrichs II., in der der Herrschaftsanspruch Roms nach den langen, bisweilen kriegerischen Auseinandersetzungen mit Friedrich Barbarossa, eine Renaissance erlebte. Die Untersuchung endet mit dem Zeitpunkt, an dem die römische Bürgerschaft in der Mitte des 13. Jahrhunderts an Bedeutung verliert. Insgesamt hat der Verfasser eine gründliche, detaillierte und sehr ausführliche Darstellung der Bedeutung Roms im 12. und 13. Jahrhundert vorgelegt. Der Arbeit ist zu wünschen, daß sie zu einem Standardwerk für die römische Geschichte des Mittelalters wird, nicht zuletzt deshalb, weil der Verfasser die bislang kaum beachtete römische Bürgerschaft in den Mittelpunkt seiner Untersuchung gestellt hat.
Berlin Klaus Richter
[1] Klaus Richter, Friedrich Barbarossa hält Gericht, Köln, Weimar, Wien 1999.