The Enlightenment,

* ed. by Williams, David (= Cambridge Readings in the History of Political Thought 1). Cambridge University Press, Cambridge 1999. XII, 529 S. Besprochen von Ulrike Seif. ZRG GA 119 (2002)

SeifTheenlightenment20010918 Nr. 10343 ZRG 119 (2002) 43

 

 

The Enlightenment, ed. by Williams, David (= Cambridge Readings in the History of Political Thought 1). Cambridge University Press, Cambridge 1999. XII, 529 S.

 

Die von David Williams herausgegebene Anthologie politischer Schlüsseltexte der Aufklärungsphilosophen ist in neun thematische Untergruppen unterteilt: Naturrecht, bürgerliche Gesellschaft, Nationalstaat, Regierung, Menschenrechte, Krieg und internationale Beziehungen, Handel und Wirtschaft, Verbrechen und Strafe, Revolution. Innerhalb der Themenbereiche sind die Texte chronologisch geordnet. Die Quellen sind in englischer Übersetzung zusammen mit einer biographischen Einführung zum Autor, mit editorischen Bemerkungen und mit weiterführenden Literaturhinweisen wiedergegeben. Bedauerlicher­weise fehlt ein kritischer Apparat zur Übersetzung, wofür die im Vorwort ausgewiesene Orientierung am Studiengebrauch keine hinreichende Erklärung bietet.

Unter dem Abschnitt „Naturrecht“ sind Jean-Jacques Burlamaquis Principes de droit naturel (1747) in Auszügen abgedruckt (S. 85-102). In sprachlich eleganter Fassung vermitteln sie das klassische christliche Naturrecht. Die im Stil einer Vorlesung an Studenten der Genfer Akademie gerichteten Principes de droit naturel waren in Deutschland und England, nicht dagegen in Frankreich weit verbreitet und dienten in englischen Universitäten als Vorlesungsmaterialien.

Im Abschnitt „Bürgerliche Gesellschaft“ finden sich Textauszüge von Jean Jacques Rousseaus Discours sur l’Origine et les Fondements de l’Inégalité parmi les Hommes (1755) und Du Contrat social ou Principe du Droit Politique (1762). Rousseau rekonstruiert im Diskurs über die Ungleichheit (S. 105-118) die Urgeschichte der Menschheit als einen verklärten Naturzustand, in dem ein Naturmensch ohne Reflexion und gesellschaftliche Beziehung in sich selbst ruht. Dieser Naturzustand geht durch das Anerkennungsstreben des Menschen, seine Habgier nach Besitz und Eigentum verloren. In der Gründung der Gesellschaft sieht Rousseaus Contrat social die politisch-gesellschaftliche Möglichkeit, in einer zivilisierten Welt die Naturnähe zurückzugewinnen (S. 118-142). Der britische Naturforscher, Theologe und Aufklärungsphilosoph Joseph Priestley, der ab 1770 mit den Dissentern Benjamin Franklin und Jeremy Bentham in engem Kontakt stand, ist mit seinem Essay on the First Principles of Government, and on the Nature of Political, Civil and Religious Liberty (1768/1771) vertreten (S. 143-171).

Zur Thematik „Nationalstaat“ sind Textauszüge von François-Marie Arouet de Voltaires Artikel „patrie“ im Dictionnaire philosophique portatif (1764) und „homme“ in den Questions sur l’Encyclopédie par des amateurs (1771) abgedruckt (S. 175-192). Die menschliche Identität erlaubt keinen exklusiven Nationalismus, den Voltaire im Artikel „patrie“ mit Intoleranz gleichsetzt. Im Artikel „homme“ verneint Voltaire im Gegensatz zu Rousseau einen gesellschaftsfreien Naturzustand. Auch für Johann Gottfried Herder besteht der Rousseausche Gegensatz nicht. In seinen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784-91) formuliert Herder die zentralen Kategorien der Individualität, Entwicklung und Tradition (S. 193-211). Herder sieht die Entwicklung des Menschen als organisches Wachstum zur Humanität, wobei verschiedene Völker aus ihren eigenen Kulturen heraus begriffen werden sollen. Der Herdersche Nationalstaat ist Synonym für die organische Entwicklung eines Volkes. Die Briefe zur Beförderung der Humanität (1793-97) bringen Herders Überzeugung zum Ausdruck, daß der Mensch kraft seiner Freiheit und Weltoffenheit seine eigene Natur erst schafft und durch Erziehung Humanität erwerben muß (S. 211-213).

Unter der Rubrik „Regierung“ sind ausgewählte Texte aus den Political Essays (1741-77) von David Hume aufgeführt (S. 217-244). Als zentrales Axiom variieren die Aufsätze die Idee des Machtgleichgewichts, die auf den drei miteinander eng verknüpften Bereichen einer an Epikur orientierten Anthropologie (That politics may be reduced to a science [1741]), einer Institutionentheorie (Of the first principles of government [1741]) und einer evolutionistischen Geschichtsauffassung (Idea of a perfect commonwealth [1752], Of the origin of government [1777]) beruht.

Die Textauszüge aus Charles-Louis de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieus De l’Esprit des Lois (1748) dokumentieren seinen (erkenntnistheoretischen) Gesetzesbegriff (Buch I) und den Ausgangspunkt seiner Analyse bei den Prinzipien der Regierungsform (Bücher II, III). Die Beschreibung der englischen Verfassung in XI, 6 wird richtigerweise im Gesamtzusammenhang des Buches XI dargestellt, in dem Montesquieu die Beziehung des Gesetzes zur politischen Freiheit im öffentlichen Bereich untersucht (vgl. Seif, ZNR 22 [2001], 149 ff.).

Der Fürstenspiegel „Der Herr und der Diener“ (1759) von Friedrich Karl von Moser artikuliert die Forderung eines pietistisch geprägten, konfessionell engen Protestantismus, daß auch der Fürst sich an die Gebote Gottes zu halten habe, weshalb die traditionelle Legitimation der Herrschaft durch das Gottesgnadentum eben nicht eine willkürliche Herrschaftsausübung rechtfertige (S. 277-288).

Der Abschnitt „Menschenrechte“ beginnt mit den Encyclopédie-Artikeln „autorité politique“ (1751), „ville“ (1753), „citoyen“ (1753) und „droit naturel“ (1755) von Denis Diderot, in denen die Legitimation politischer Herrschaft thematisiert wird (S. 291-306). In den Réflexions sur l’esclavage des nègres (1781) wendet Marie Jean Antoine Nicolas de Caritat, Marquis de Condorcet die Menschenrechte als mathematische Gesetze auch auf die Sklaven in den französischen Kolonien an (S. 307-316). Marie-Olympe de Gouges formuliert in Les droit de la femme (1791) die Rechte der Frauen und überträgt die Figur des Gesellschaftsvertrages auf die Beziehung zwischen Mann und Frau (S. 317-328). Mary Wollstonecraft (Godwin) postuliert in A Vindication of the Rights of Woman (1792) die gleiche Moral für Mann und Frau, abgeleitet von der gleichen Vernunft der beiden Geschlechter (S. 329-352). Im Protest gegen die Rousseausche Sophie, das weibliche Pendant des Emile, beklagt sie die Vorstellung der Menschen- und Bürgerrechte als Privileg der Männer.

Zur Thematik „Krieg und internationale Beziehungen“ hat der Herausgeber Texte von Charles-Irénée Castel de Saint-Pierre, von Jean Barbeyrac und von Immanuel Kant zusammengetragen. In Un projet de paix perpétuelle (1713) entwirft Saint-Pierre eine Friedensordnung für eine „Union Européenne“ souveräner Staaten (S. 355-363). Barbeyrac übersetzt und kommentiert 1724 in cartesianischer Prägung Grotius’ De jure belli ac pacis in Le Droit de la guerre et de la paix (S. 364-374). Von diesen auf die vollkommene Weltordnung gerichteten Friedenstheorien enthält Kants philosophischer Entwurf „Zum ewigen Frieden“ (1795) eine Abkehr: Reale Friedensverträge haben die Begrenzung der Vernunft durch die schlechten menschlichen Eigenschaften (Egoimus, Ungeselligkeit) zu berücksichtigen. Im ersten Definitivartikel „die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein“ definiert Kant die Republik durch die Freiheit der Menschen als Glieder einer Gesellschaft, durch die Abhängigkeit aller von einer gemeinsamen Gesetzgebung und durch die Gleichheit innerhalb einer gestifteten Verfassung. Der zweite Definitivartikel beschreibt den Förderalismus freier Staaten und der dritte Definitivartikel schlägt vor, gegenseitiges Mißtrauen durch ein Besuchsrecht abzubauen (S. 375-393).

Zur Thematik „Handel und Wirtschaft“ ist Bernard de Mandevilles Fabel von den Bienen (1714-29) abgedruckt (S. 397-408), die in der Tradition des Hobbesianischen Systems der Selbstsucht im Egoismus die treibende Kraft der Zivilisation sieht. François Quesnays Tableau économique (1758) enthält die erste Gesamtdarstellung eines volkswirtschaftlichen Kreislaufes, der sich selbst reguliert und durch staatliche Eingriffe nicht gefährdet werden darf (S. 409-420). Adam Smith begründet mit An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations (1776) den Wirtschaftsliberalismus und entwirft eine enthierarchisierte, funktional-differenzierte Produktionsgesellschaft (S. 421-435).

Für den Themenbereich „Verbrechen und Strafe“ sind die Gedanken der Aufklärung von Cesare Bonesana Beccaria in Dei Delitti e delle pene (1794) formuliert: Willkürverbot für die Strafverfolgungsorgane, Durchsetzung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“, Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen und Abschaffung der Folter und der Todesstrafe (S. 439-467).

Die Thematik „Revolution“ behandelt Thomas Paines Common sense: adressed to the Inhabitants of America (1776), eine radikaldemokratische Rechtfertigung der amerikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen gegenüber der britischen Krone (S. 471-491). Emmanuel Joseph Siéyès liefert mit seiner Schrift „Qu’est-ce que le Tiers-État?“ (1789) die theoretischen Grundlage für die Konstitution des dritten Standes zur Nationalversammlung (S. 492-507). Siéyès’ Begriff der Nation beruht auf einer gemeinsamen Repräsentation nach staatsbürgerlicher Gleichheit statt nach ständischen Privilegierungen. Mit den Reflections on the Revolution in France and on the Proceedings in Certain Societies in London Relative to that Event (1790) verteidigt Edmund Burke in der Tradition der englischen Frühaufklärung die 1688/89 erreichte konstitutionelle Monarchie Englands gegen revolutionäre Umsturzideen von Kontinentaleuropa: Die Ursprünge der Gesellschaft liegen in einem vom Volkswillen ausgehenden Gründungsvertrag, durch den politische Macht treuhänderisch (trust) an politische Institutionen übergeben wird. Für Burke ist die kontinuierliche Repräsentanz dieses Willens in den traditionellen Institutionen der Standesgesellschaft entscheidend (S. 508-521).

Insgesamt überzeugt Williams’ Textbuch zur Aufklärung und ist auch für den akademischen Unterricht in Deutschland zu empfehlen. Lediglich für die französischen Quellen sind die fehlenden Hinweise auf die aktuellen französischen Standard-Werkausgaben zu bemängeln, wie für Rousseau die von R. Derathé (1964) und für Montesquieu die von R. Caillois (1994) besorgte Pléiade-Edition.

 

Passau                                                                                                                       Ulrike Seif