Hagemann, Hans-Rudolf, Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach
Hagemann, Hans-Rudolf, Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach. (= Basler Rechtskultur zur Zeit des Humanismus II). Schwabe, Basel 2001. 253 S.
Im Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte[1] wird Bonifacius Amerbach von H. Winterberg in einem kurzen Artikel behandelt. Seit Hans Thiemes Aufsatz „Die beiden Amerbach, Ein Basler Juristennachlass der Rezeptionszeit"[2] weiß man auch außerhalb Basels, dass neben Bonifacius Amerbach auch dessen Sohn Basilius ein hervorragender Rechtsgelehrter gewesen war, der zwar, wie sein Vater, keine nennenswerte Publikation, dafür aber Gutachten hinterlassen hat, die europäische Beachtung fanden. Eines dieser Gutachten hat denn auch Hans Thieme beschrieben und analysiert[3]. Dieses Gutachten hat nun der Verfasser im Anhang des besprochenen Buches veröffentlicht.
Wie bereits die Gutachtertätigkeit des Vaters (Bonifacius Amerbach)[4], ist auch die Gutachtertätigkeit des Basilius Amerbach vom Verfasser monographisch gewürdigt worden. „An Basilius Amerbach“, schrieb 1960 Alfred Hartmann[5], der Herausgeber des Briefnachlasses der beiden Amerbach[6], „dem einzigen Sohn des Bonifacius hat die Forschung noch einiges gutzumachen“. Dies ist nun mit der vorliegenden Monographie geschehen.
Diese beginnt mit der Biographie Basilius Amerbachs. Dazu hält das Historisch-Biographische Lexikon der Schweiz[7] fest: „Geboren 1534, gestorben 25. VI. 1591. Wurde wie sein Vater nacheinander Baccalaureus und Magister artium, sodann Jurist unter seinem Vater und seinem Schwager Ulrich Iselin, studierte weiter in Bologna und erwarb dort den Dr. jur. Um 1560 kehrte er in die Heimat zurück und erhielt hier 1562 die Professio codicis, dann 1564 als Nachfolger seines Schwagers die eigentliche Professur über römisches Recht und die Stelle eines Stadtkonsulenten wie sein Vater. Fünfmal (1561, 1566, 1573, 1580, 1586) bekleidete er das Rektorat“.
Bonifacius und Basilius Amerbach haben „nur“ Rechtsgutachten verfasst. Von Basilius sind deren 120 überliefert. Diese Rechtsgutachten erhielten aber „das Ansehen und die Funktion von Präjudizien höchstrichterlicher Entscheidungen“[8]. Hagemann behandelt die Gutachtertätigkeit Amerbachs unter folgenden Gesichtspunkten: Anzahl und Arten, Auftraggeber und Sachgebiete, Arbeitsweise, Gestaltung und Sprache, Ansehen und Einfluss. Die Gutachten selbst werden nach folgenden Kriterien systematisiert: 1. Rechtsquellen und Rechtsanwendung d. h. Göttliches und natürliches Recht, die Gemeinen Rechte (Kaiserliche Rechte, Kanonisches Recht, Juristische Literatur), Partikuläres Recht (Allgemein, Basler Stadtrecht, Eidgenössisches Recht), Gemeines und Partikuläres Recht; 2. Ausgewählte Sachbereiche, nämlich Staat und Kirche, Familie und Erbe, Straf- und Strafprozessrecht. In einem dritten und letzten Kapitel behandelt Hagemann den Prozess zwischen Bischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee[9] und der Stadt Basel, der mit dem unter dem Namen „Badener Vertrag“ bekannten Vergleich von 1585 abgeschlossen wurde. Die Gutachten Amerbachs dazu werden im Anhang veröffentlicht. Diesen folgt eine Liste aller Gutachten.
Die Rechtsgutachten von Basilius Amerbach aber auch jene seines Vaters Bonifacius sind für die Rechtsgeschichte von unschätzbarem Wert, weil sie nicht nur das verbriefte geltende Recht und das Statutarrecht wiedergeben, sondern auch deren Anwendung in der Rechtswirklichkeit und die zeitgenössischen Rechtsvorstellungen bekannt machen. Dies ist umso wichtiger für eine Zeit des Übergangs wie es jene vom Mittelalter in die neuere Zeit und von den lokalen und gefundenen Rechtsgewohnheiten zum verwissenschaftlichten gemeinen Recht darstellt. Das gemeine Recht bestand nämlich nicht nur aus dem wieder entdeckten römischen Recht, wie es von den Glossatoren und den Postglossatoren verarbeitet worden ist, sondern auch aus dem kanonischen Recht, dem Lehensrecht, der Carolina sowie der Reichsgesetzen. Das sog. Reichsrecht, das mehrheitlich als öffentliches Recht qualifiziert werden kann, konnte zur Not über das lokale Gewohnheitsrecht gestülpt werden, dagegen musste das gemeine Privatrecht mit dem lokalen Gewohnheitsrecht harmonisiert werden, was eine vertiefte Kenntnis beider Rechte voraussetzte. Diese Harmonisierung ist denn auch den beiden Amerbach in hohem Masse gelungen, was wohl zu deren Reputation beigetragen hat. In wie weit diese Harmonisierung sich auf die nachfolgende Rechtsentwicklung ausgewirkt hat, lässt der Verfasser offen. Diese Frage kann nur durch eine ins Einzelne durchgeführte Gegenüberstellung der beiden Rechtsgebiete beantwortet werden. Die Grundlagen hierfür hat nun der Verfasser geliefert. Auch der Rezeptionsgeschichte gibt das besprochene Werk neue Impulse.
Winterthur Theodor Bühler
[1] 1. 1. (1964) Sp. 165f.
[2] zuletzt publiziert in „Ideengeschichte und Rechtsgeschichte“, Gesammelte Schriften Bd. 1 in Forschungen zur Neueren Privatrechtsgeschichte 25/I (1986) S. 397ff.
[3] unter der Überschrift „Statutarrecht und Rezeption“, Ein Basler Fakultätsgutachten für Breslau in Ideengeschichte und Rechtsgeschichte a. a. O. S. 436ff.
[4] Die Rechtsgutachten des Bonifacius Amerbach. Basler Rechtskultur zur Zeit des Humanismus (Basel 1996).
[5] In „Professoren der Universität Basel aus fünf Jahrhunderten“ (Basel 1960) S. 50.
[6] Die Amerbachkorrespondenz, herausgegeben von Alfred Hartmann und Beat Rudolf Jenny Bd. I bis X,2 (Basel 1942ff.)
[7] Bd. 1 (1921) S. 338.
[8] Ferdinand Elsener, Konsilien der deutschen Juristenfakultäten als Quellen der historischen Volkskunde insbesondere auch der Rechtlichen Volkskunde, in Festschrift für Robert Wildhaber (Basel und Bonn 1972) S. 93.
[9] Über ihn André Chèvre, Jacques Christophe Blarer de Wartensee, prince-èvêque de Bâle, in Bibliothèque jurassienne (Delémont 1968).