Przez tysiąclecia

Przez tysiąclecia: Państwo – Prawo – Jednostka [Durch Jahrtausende: Staat – Recht – Der Einzelne]. Gesamtpolnische Tagung der Rechtshistoriker. Ustroń 17.–20. September 2000, hg. v. Lityński, Adam/Mikołajczyk, Marian (= Wydawnictwo Uniwersytetu Śląskiego, Prace Naukowe Uniwersytetu Śląskiego w Katowicach 1974, 1984). Katowice 2001. Bd. 1 279 S., Bd. 2 220 S., Bd. 3 (im Druck).

Przez tysiąclecia: Państwo – Prawo – Jednostka [Durch Jahrtausende: Staat – Recht – Der Einzelne]. Gesamtpolnische Tagung der Rechtshistoriker. Ustroń 17.–20. September 2000, hg. v. Lityński, Adam/Mikołajczyk, Marian (= Wydawnictwo Uniwersytetu Śląskiego, Prace Naukowe Uniwersytetu Śląskiego w Katowicach 1974, 1984, 2002). Katowice 2001. Bd. 1 279 S., Bd. 2 220 S., Bd. 3 268 S.

 

Die vorliegende Veröffentlichung in drei Bänden fasst die Konferenzmaterialien der Tagung der polnischen Rechtshistoriker zusammen, die vom 17. bis 20. September 2000 in Ustroń bei Cieszyn vom Lehrstuhl für Rechtsgeschichte der Schlesischen Universität dank der finanziellen Unterstützung der Fakultät für Jura und Verwaltungswissenschaften und anderer Sponsoren stattgefunden hat. Die Tagung sammelte die größte Zahl der Teilnehmer in der 50jährigen Geschichte der juristischen Tagungen in Polen – über 150 Vertreter aller Generationen aus allen Wissenschaftszentren des Landes, von Senioren vom Weltrang dieser Fachrichtung, über Forscher der mittleren Generation, bis zu jüngsten Wissenschaftlern, die ihre Universitätslaufbahn erst begonnen haben, darunter sehr zahlreiche Gruppe der Jüngsten – die Doktoranden.

 

Das ausgehende Jahrhundert und das gleichzeitig zu Ende gehende Jahrtausend haben die Organisatoren dazu veranlasst, den zeitlichen Rahmen des Tagungsthemas besonders breit zu setzen, damit möglich viele Forschungsthemen umfasst werden konnten, die von den polnischen Rechtshistorikern im ausgehenden Jahrhundert untersucht wurden.

 

Die Tagungsordnung umfasste Plenarsitzungen und Sitzungen in vier Sektionen – die zwei ersten waren grundsätzlich der Geschichte der Verfassung und der politischrechtlichen Doktrinen, die zwei nächsten der Geschichte des gerichtlichen Rechts gewidmet. Die Plenarsitzungen wurden von Prof. Prof.: Juliusz Bardach, Stanisław Grodziski und Witold Wołodkiewicz, und die Sektionssitzungen von Prof. Prof.: Michał Pietrzak, Katarzyna Sójka-Zielińska, Stanisław Płaza und Henryk Olszewski geleitet.

 

Ein großes Verdienst der Organisatoren besteht darin, 56 Beiträge und Mitteilungen, sowie auch den ausführlichen Bericht über die Diskussion in Form einer Veröffentlichung zusammenzufassen. Diese wertvolle Initiative nahm die Gestalt sowohl synthetisierender als auch in Querschnitten vorgehender Bearbeitungen aus dem Bereich der Rechtsgeschichte an, die während der Plenarsitzungen und Diskussionen präsentiert wurden. Die Beiträge befassten sich mit verschiedensten Fragen, räumlich und zeitlich sehr differenziert, vom Altertum bis zur Gegenwart.

 

Band I, erster Teil, Plenarsitzungen beginnt mit dem hervorragenden, synthetisierenden Vortrag von Krystyna Sójka-Zielińska (Warschau) „Der Einzelne gegenüber dem Staat in der Tradition der politisch-rechtlichen Kultur Westeuropas“ (S. 11–23), der ein breites Panorama vom Altertum bis zur frühen Neuzeit umfasst. Die grundlegende Antinomie zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft, zwischen dem Individualismus und dem Universalismus, zwischen Liberalismus und Etatismus gab der Autorin den Anlass, die Fragen und Auseinandersetzungen aufzurufen, die die Genese des Begriffs „Menschenrechte” samt seiner ideologischen Verankerung, wie auch Umwandlungen im Bereich der Dichotomie „öffentliches Recht – Privatrecht” anbelangen.

 

Ähnlichen Charakter weist auch die Arbeit von Jerzy Malec (Krakau) auf: „Vom Krontribunal bis zum Obersten Gericht. Zur Geschichte der Gerichtsbarkeit der letzten Instanz in Polen“ (S. 24–38). Der Autor skizziert hier die Geschichte der Justiz der obersten Instanz bis auf die Zeit des Zerfalls des Kommunismus in Polen. Die Umwandlungen in diesem Bereich sind von der Geschichte des Staates selbst geprägt, der über 100 Jahre lang seiner Selbständigkeit beraubt und dem rechtlichen Regime der Besatzungsmächte unterworfen wurde. Nachdem die staatliche Souveränität wieder aufgebaut wurde, gelang es in Polen die Gerichtsbarkeit so zu gestalten, dass sie den Lösungen entsprach, die in den demokratischen Staaten angenommen wurden. An diese Tradition knüpfte man nach dem Zerfall des Kommunismus wieder an.

 

Michał Pietrzak (Warschau) hebt in seinem umfangreichen Artikel „Gewissens- und Glaubensfreiheit in Polen. Tradition und Gegenwart“[1] (S. 39-62) hervor, dass dieser Freiheit in allen Epochen der historischen Entwicklung des polnischen Staates immer eine besondere Stellung zustand. Dazu haben die historischen Bedingungen beigetragen, die die Glaubenspolitik der staatlichen Gewalt beeinflusst haben, was sich wiederum in der Gesetzgebung widerspiegelt hat. Eine reale Gestalt verlieh dieser Freiheit die Politik der Staatsregierung, die den sachlichen und subjektiven Bereich dieser Freiheit bestimmte. Der Autor hat diese Problematik auf dem Hintergrund der ersten, zweiten und dritten Republik Polen analysiert.

 

Eine sehr gelungene Synthese bietet die Bearbeitung von Tadeusz Maciejewski (Danzig) „Verfassung skandinavischer Staaten in der Geschichte“ ( S. 63–80). Der Verfasser lenkt die Aufmerksamkeit auf die differenzierte Entwicklung der staatlichen Systeme innerhalb der skandinavischen Staaten: Dänemark, Schweden und Norwegen, die ihre Staatlichkeit schon im 10. Jahrhundert zu bilden begannen, stehen Island und Finnland gegenüber, die ihre Souveränität erst im 20. Jahrhundert erlangt haben. Der Reihe nach untersucht der Autor die Formen der königlichen Macht, parlamentarische Versammlungen, monarchische Räte, Zentral- und Lokalämter wie auch Selbstverwaltunginstitutionen, und abschließend die Gerichtsbarkeit. Daraus ergibt sich ein historischer Querschnitt durch die Verfassungssysteme dieser Staaten vom 10. bis zum 20. Jahrhundert.

 

Dieselbe skandinavische Problematik – in der polnischen historischen Rechtsliteratur kaum vertreten – erörtert in seinem Beitrag Andrzej Gaca (Thorn) „Geschichte der gerichtlichen Rechtsquellen in skandinavischen Staaten (11.–17. Jh.)“ (S. 81–92). Der Autor berücksichtigt dabei vor allem die spezifische Entwicklung der Staaten Nordeuropas. Sein Beitrag bildet einen wertvollen Grundriss der Rechtsgeschichte für alle Forscher dieser Zeit.

 

Die Sitzungen der Sektionen I und II der Tagung waren der Geschichte der Verfassung und der politischen und rechtlichen Doktrinen gewidmet. Eröffnet wurden sie von Marian J. Ptak (Breslau) mit dem Beitrag „Die politische Verfassung und das Recht im Fürstentum Teschen“ (S. 95–106). Den Inhalt bildet eine historische Perspektive von der Gründung des Fürstentums im Jahr 1281 bis zum Ende der Habsburgermonarchie in Tschechien und Österreich im Jahr 1918. Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Autor den verfassungsrechtlichen Besonderheiten im Teschener Fürstentum, die erst 1848 beendet worden sind. Im Beitrag wird das breite Spektrum der politischen und gesellschaftlichen Probleme dargestellt, was das Wissen über dieses besondere politische Gebilde deutlich bereichert.

 

Einen sehr interessanten Beitrag zum Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Galizien liefert Marian Małecki (Krakau) im Artikel „Aus der Geschichte der Verhältnisse Staat – Kirche in Galizien. Abschaffung der Kirchentage und Benediktionen in der Zeit der Reformen von Maria Theresia und Joseph II.“ (S. 107–116). Nach Ansicht des Autors weisen die Vorschriften (d. h. ein Befehl Maria Theresias vom 27. 10. 1773 und Verordnungen Josephs II. vom 5. 03. 1784 und 12. 02. 1786), die die Anzahl der kirchlichen Festtage und die Feierlichkeiten während der Kirchentage streng und eingehend geregelt haben, eigentlich ökonomischen und religiösen Charakter auf. Das erste ist vor allem mit der Fronarbeit in Verbindung zu setzen, das zweite sollte den Festtagsverlauf und die Erholung der Leibeigenen Galiziens rationalisieren. Der politische Aspekt der Verordnungen der österreichischen Herrschaft soll aber dabei nicht übersehen werden; so wurden z. B. die Feierlichkeiten zu Ehren des Hl. Stanislaus als unnötige Manifestation des Polentums in den besetzten Gebieten angesehen.

 

Jarosław Dudziński (Kattowitz) hat in seinem Aufsatz „Vorläufiger Vertretungsrat – die erste Regierung im Kościuszko-Aufstand“ (S. 117–127) die Organisation, das Funktionieren und die Stellung des Vorläufigen Vertretungsrates im System der Zivilherrschaft während des Kościuszko-Aufstandes dargestellt. Der Autor vertritt die Meinung, dass der Rat ein zentrales Ausführungsorgan des Aufstandsführers Kościuszko bildete, das ihm ganz und völlig unterstellt war. Es war erste Regierung, die ihre Macht weit über Warschau hinaus ausgedehnt hat. Von ihr wurden verschiedene Ordnungsausschüsse organisiert, Rapporte abgenommen, Instruktionen weitergeleitet und Kommissare ernannt. Sie hat auch mit den Vertretern der fremden Großmächte verhandelt und die Öffentlichkeit anderer Länder über die Situation im Aufstand unterrichtet.

 

Jerzy Kolarzowski (Warschau) lenkt in seinem Vortrag „Das Politische und das Nationale in der Geschichte“ (S. 128–138) die Aufmerksamkeit auf die Rezeption der Schlussbestimmungen des Wiener Kongresses (1815), der Versailler Verträge (1918) und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki (1975) in der politischen und historischen Literatur der einzelnen europäischen Ländern. Der Autor hält es für notwendig, dass die allgemeine Geschichte der Völker und des Rechts um die Geschichte des internationalen Rechts erweitert wird, damit die nächsten Generationen der Rechtswissenschaftler sowohl umfangreicheres Wissen über Auseinandersetzungen der politischen Tendenzen mit dem Zielsetzungen der einzelnen Nationen als auch besseres Verständnis für die Handlungen auf der internationalen Ebene erwerben können. Das Übermitteln des Wissens über den Staat im breiteren Kontext der wirtschaftlichen Geschichte unseres Kontinents und der ganzen Welt könnte hingegen zum besseren Verstehen der Globalerscheinungen beitragen.

 

Władysław Ćwik (Rzeszów) berührt in seinem Vortrag „Befreiungskämpfer – Wärter der Städte im Königreich Polen (1818–1821)“ (S. 130–147) ein zwar sehr detailliertes, aber doch sehr wichtiges Problem des Schutzes der Interessen der Städte im Königreich Polen. Eine Sonderinstitution der territorialen Verwaltung – Wärter der Städte – sollte ein Mittel dazu sein. Der Name knüpft an die Zeit des Kościuszko-Aufstandes an. Nach drei Jahren ihrer experimentellen Tätigkeit haben die russischen Herrscher (wegen ihrer allzu großen Selbständigkeit) auf sie verzichtet und eine angeblich mehr rationale, in Wirklichkeit aber für sie günstigere Form der Städteaufsicht – Aufsichtsämter - eingeführt. Der Beitrag erweitert unser Wissen über das Verwaltungssystem im Königreich Polen und über seine fortschreitende Russifizierung.

 

Die Studie von Wiesław Tekely (Lublin – UMCS) „Die Stellung der Regierungskommission für Einnahmen und Staatsschatz zur Abschaffung der Zollgrenze zwischen dem Königreich Polen und dem Russischen Reich“ (S. 148–160) betrifft ein Problem, das für die Wirtschaft des Königreichs Polen und seine Beziehungen zum Russischen Reich von großer Bedeutung war. Der über ein Jahr dauernde Aufenthalt der Regierungskommission für Einnahmen und Staatsschatz in Petersburg und dort von ihr erarbeitete Projekte erwiesen sich als sehr nützlich, um die Vertreter des Finanzministeriums zu endgültigen Lösungen hinsichtlich der Einrichtung des neuen Handelssystem im Königreich Polen zu überzeugen.

 

Der Beitrag von Maksymilian Stanulewicz (Posen) „Konspirationsstaat Polen in den Jahren 1863–1864“[2] (S. 161–175) ist ein Versuch, Tatsachen und Meinungen zum Thema Struktur und Tätigkeit der sog. „Nationalen Organisation“ aus der Zeit des Januar-Aufstandes in Polen zu sammeln und zusammenzufassen, was in der polnischen Fachliteratur seit vielen Jahren Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen ist. Einige (nicht nur polnische) Forscher nennen diese Organisation „Konspirationsstaat Polen“, andere dagegen verweigern ihr diese Bezeichnung. Nach der Gegenüberstellung der verschiedenen Meinungen, sowohl der Historiker als auch Rechtshistoriker, hat der Autor die charakteristischen Merkmale der erforschten Struktur aufgezeichnet und unterstrichen, dass die „Nationale Organisation“ während des Januar-Aufstandes über alle Attribute eines Staates, im gegenwärtigen Sinn dieses Wortes, verfügte, außer der internationalen Anerkennung und breit verstandenen Unabhängigkeit.

 

Andrzej Dziadzio (Krakau) bespricht in seinem Vortrag „Schutz der bürgerlichen Rechte und Freiheiten in der Verfassungsmonarchie Österreich (1867–1914)“[3] (S. 176–187) den gerichtlichen Schutz der Freiheitsrechte in Österreich-Ungarn. Seit 1869 wurde er vom Reichsgericht ausgeübt – einer Institution, die im damaligen Europa einzigartig war. Seine Aufgabe war es, die Bürger vor dem rechtswidrigen Eingreifen des Staates in die Freiheit des Einzelnen zu schützen. Die Anerkennung, die diese Einrichtung genoss, entsprang aus der Tatsache, dass in ihrer Tätigkeit legalistisch an der strikten Anwendung der Gesetze festgehalten wurde. Dadurch erlangte sie hohes Ansehen sowohl seitens des Staatsapparates als auch seitens der Öffentlichkeit. Dank seiner Stellungnahmen bei Urteilen in politischen und ideologischen Angelegenheiten hat das Reichsgericht das Vertrauen der Bürger erworben, da es im Stande war, auch gegen Erwartungen der staatlichen Gewalt zu entscheiden.

 

Die Sitzungen der Sektion II begannen mit dem Beitrag von Arkadiusz Bereza und Grzegorz Smyk (Lublin – UMCS) „Rechtliche Stellung der Verwaltungsbeamten und der Gerichtsbeamten im Königreich Polen nach dem Januar-Aufstand“[4] (S. 191–208). Die Autoren analysieren Unterschiede und Gemeinsamkeiten im rechtlichen Status dieser formal gesonderten Fachgruppen. Der öffentlichrechtliche Charakter der Verbindungen, die zwischen ihnen und dem Staat bestanden, hat bewirkt, dass das Dienstverhältnis in beiden Fällen auf einem einseitigen politischen Staatsakt beruhte, was volle Kontrolle des Staates über Auswahl der Beamten und der Gerichtsangestellten gesichert und irgendwelche Anteilnahme der Öffentlichkeit an dem Prozess ausgeschlossen hat. Die Beförderung der Bediensteten hing nicht von der Qualität des Beamten ab, sondern viel mehr von der Länge seiner Dienstzeit und Beurteilung seiner Loyalität. Der großangelegte Bereich der Rechte und Privilegien, besonders für die Beamten russischer Herkunft, sollte zu enger Verbindung der Beamten des Königreichs Polen mit dem russischen Staatsapparat, wie auch zur schnelleren Russifizierung der Beamtenschaft führen.

 

Der Beitrag von Mirosław Sadowski (Breslau) „Aus den Studien zu Staat, politischer Macht und Verhältnis Staat – Kirche in der Doktrin des Papstes Leo XII.“ (S. 209–218) bietet eine Beurteilung der Konzeption Papst Leos XII. hinsichtlich der Entstehung des Staates, der staatlichen Gewalt und des Verhältnisses Staat – Kirche auf dem Hintergrund der Tendenzen der Epoche. Er wurde zum Befürworter der Autonomie dieser zwei Institutionen. Obwohl diese Doktrin – nach dem Autor – nicht bis ins Einzelne völlig präzis sei, enthält sie doch neue Inhalte für die Staatswissenschaft.

 

Der ausführliche Artikel von Dariusz Szpoper (Danzig) zum Thema „Politische Aspekte der Tätigkeit des Justizministers Aleksander Meysztowicz in den Jahren 1926–1928“[5] ( S. 219-248stellt die Teilnahme dieses Repräsentanten der konservativen Fraktion im Kabinett von Kazimierz Bartel nach dem Mai-Staatsstreich dar. Die Erweiterung der Gruppierung von Józef Piłsudski um die Vertreter des konservativen Lagers hat – nach Meinung des Autors – die Probleme betroffen, deren Lösung im Interesse der polnischen Großgrundbesitzer lag, so z.B. Begrenzung der sozialen Gesetzgebung, Agrarreform, Unterdrückung der kommunistischen Bewegung in östlichen Grenzgebieten, Beschränkung der Tätigkeit der ukrainischen Organisation „Hromada“ u.ä. Der Autor zeigt die Tätigkeit von Meysztowicz als Taktik der Gegenwirkung gegen Umgehung der Gesetze oder Rechtverletzung. Als Kampfmittel nutzte Meysztowicz dabei die Rücktrittsankündigung, die er im Laufe seiner Arbeit als Justizminister viermal verwendet hat.

 

Das Referat von Marek Maciejewski (Breslau) „Der Staat in der deutschen Nationaldoktrin 1918–1933“ (S. 249–266) befasst sich mit der Konzeption und mit den Zielen des Staates in der Nazi-Doktrin. Schon in der Zeit der Weimarer Republik – so der Autor – haben die Nationalsozialisten den deutschen Staat als Mittel zur Verwirklichung der rassistischen und politischen Interessen der Volksgemeinschaft angesehen, die Diktatur des Führers hingegen als beste Regierungsform. Laut der von der NSDAP angenommenen Doktrin, dass das Volk vor dem Staat Vorrang hat, konnte nur eine totale Organisation der Bevölkerung die wirksame Realisierung der vom Führer gesetzten Ziele sichern. Obwohl dem Staat eine untergeordnete Stelle zugesprochen wurde, sollte doch der Staat mittels der Infiltration und Indoktrination über Angelegenheiten des deutschen Volkes entscheiden.

 

Der Beitrag von Maciej Marszał (Breslau) zum Thema „Nationalsozialismus im politischen Denken von Jerzy Drobnik (1933–1939)“ ( S. 267–279) betrifft das Verhältnis eines der führenden Publizisten der Nationaldemokraten zum deutschen Nationalsozialismus, einer Person, die in der bisherigen Literatur unbeachtet gelassen wurde. Der Autor unterstreicht, dass Drobnik eine „totalitäre“ Richtung im polnischen politischen Gedankengut repräsentiert, obwohl es schwer fällt eindeutig zu entscheiden, ob dabei nur Nachahmung der fremden politischen Muster vorliegt. Er plädierte für die original polnische Wurzel der Nationalidee, in der sowohl antisemitische Aspekte und das Modell einer starken Einzelherrschaft als auch Antiparlamentarismus eine Rolle spielten.

 

Band II des Sammelwerkes umfasst die Materialien der Sitzungen der Sektionen III und IV der Tagung und beginnt mit der ausgezeichneten Studie von Franciszek Longchamps de Berier (Warschau) über „Einige Beispiele des Rechtsmissbrauchs im römischen Privatrecht: väterliche Gewalt“[6] (S. 11–19). Schon seit frühester Zeit ist nach dem Verfasser die Meinung vertreten, dass die Art und Weise, wie die Berechtigungen ausgenutzt wurden, manchmal den Missbrauch dieses Rechts bedeuten können, und dass man dieser Tendenz entgegenwirken sollte. Die angeführten Beispiele bestätigen, dass sich in gewissen Umständen die Tendenz offenbart, die Freiheit der Nutzung der eigenen Rechte zu begrenzen. Diese Tendenz scheint innere Gerechtigkeitgefühle zu berühren. Sie sei ursprünglicher als das Recht selbst, sogar ursprünglicher als die allgemeine Überzeugung, dass der Missbrauch der Rechte verboten werden muss.

 

Krzysztof Amielańczyk (Lublin – UMCS) mit seiner Untersuchung „Schuld als Voraussetzung der Verantwortlichkeit des Einzelnen in der Gesetzgebung des Kaisers Hadrian“ (S. 20–30) gehört zu den Romanisten, deren Forschungsergebnisse die Lücke schließen, die sich über lange Jahre hinweg deswegen gebildet hat, weil man sich vor allem auf der Untersuchung des römischen Privatrechts konzentriert hat. Die Analyse von zwei ausgewählten Reskripten des Kaisers führt den Autor zum Schluss, dass beide ein Versuch waren, die ersten gesetzlichen Regelungen betreffs der psychischen Einstellung des Straftäters als Voraussetzung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit zu schaffen; zugleich haben sie endgültig die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit des Straftäters legalisiert.

 

Der Artikel von Wojciech Organiściak „Militärartikel und militärischer Rechtsprozess des Jahres 1775 in Polen“[7] (S. 31–41) befasst sich mit den Reformen des Miltärrechts in der Zeit von König Stanisław August. Der Autor hat sich mit der Genese der Kodifikation und den Einflüssen der früheren Gesetzgebung (sowohl der einheimischen als auch der fremden) auseinandergesetzt, besonders aus der Zeit der Aufklärung und der entstehenden humanistischen Ideen. Das fand Ausdruck in den Anfängen der neuzeitlichen Prinzipien des Strafrechts (nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege) und in den Bestimmungen hinsichtlich der Strafe. Trotzdem hat man noch alte Einrichtungen beibehalten wie etwa die Analogie oder den Spießrutenlauf. Einerseits beginnen fortschrittlichen Lösungen im Prozessrecht unter Einwirkung der aufklärerischen Ideen, andererseits bleiben in der Kodifikation Folter und Prügel erhalten, um  Schuldgeständnisse des Täters zu erzwingen. Allgemein gesehen war die Reform des Militärstrafrechts im Jahr 1775 aber eine Errungenschaft in der Entwicklung des Rechts in Polen.

 

Die Absicht Wojciech Szafrańskis (Posen), des Autors des Referats „Kodex von Stanisław August – Stand der Forschung“ (S. 42–52) war es, den Stand der Forschung zu präsentieren mit besonderer Berücksichtigung dieser Problematik, die unerforscht oder in der Fachliteratur nur im geringen Grade vertreten ist. Die Übersicht beginnt der Autor mit der Darstellung der Quellenliteratur, um dann zur Primärliteratur überzugehen. Er bespricht die Arbeiten zur Grundlage der Kodifikationinitiativen, Geschichte der Kodifikationsarbeit des Vierjährigen Sejms, Kodifikationstechnik und Einfluss der westlichen Lösungen wie auch des römischen Rechts auf die polnischen Gesetzgeber. Seine besondere Aufmerksamkeit schenkt der Autor den Veröffentlichungen, die das Zivilrecht und Zivilverfahren im Entwurf des Kodexes von Stanisław August, das System der Gerichtsbarkeit und die Bearbeitung der Entwürfe des Strafrechts und des Strafprozessrechts zum Thema haben.

 

Kazimierz Baran, Małgorzata Małek und Kinga Szczurek (Krakau) haben einige englische defences  zum Gegenstand ihres sehr interessanten Beitrages gewählt: „Zur Geschichte der englischen defences: Notwehr und Notstand“[8] (S. 53–59). Bei der Analyse dieser Institution, die nicht völlige Äquivalente der kontinentalen Rechtfertigungsgründe bzw. Schuldausschließendengründe sind, haben sie die Mängel unterstrichen, die in der Statutordnung von 1967 durch das Modell des resonable man gedämpft wurden. In der englischen Fassung des Notstandes, die sich geschichtlich gesehen aus zwei Wurzeln: dures (psychischer Zwang) und necessity (ähnlich der vis maior) zusammensetzt, ist in der neueren Rechtsprechung die Tendenz zu spüren, den starren Regeln zu entkommen, die die Anwendung von dures begrenzt haben. Auch solche Handlungen werden im Lichte des resonable man beurteilt.

 

Der Artikel von Ireneusz Jakubowski (Lodz) „Romanistische Akzente im Werk von Tadeusz Czacki hinsichtlich des 200. Jahrestages der Veröffentlichung des 1. Bandes „Zu litauischen und polnischen Rechten““ (S. 60–68) sollte nach Meinung des Autors eine Anregung zur Diskussion über Tadeusz Czacki liefern, der oft in der polnischen Fachliteratur neben Jan Wincenty Bandtkie „Vater der polnischen Rechtsgeschichte“ genannt wird. Beide Rechtshistoriker haben die Diskussion eröffnet über die Rolle des römischen Rechts im polnischen Rechtssystem, die ununterbrochen bis heute andauert. Der Autor hat die Persönlichkeit von Czacki samt seiner Ausbildung und der politischen, öffentlichen und wissenschaftlichen  Tätigkeit vorgestellt.

 

Anna Zarzycka (Krakau) in ihrem Beitrag „Konzeption des geteilten Eigentums im Königreich Polen in den Jahren 1815–1830“ (S. 69–80) befasst sich mit der Genese des Rechts im Bereich des geteilten Eigentums, um dann diese Konzeption anderen Lösungen gegenüber zu stellen, die im napoleonischen Code Civil, im ABGB und im preußischen Landrecht (ALR) enthalten sind.

 

Wojciech Witkowski (Lublin – UMCS) stellt in seinem ausgezeichneten Vortrag „Aleksander This und Jan Kanty Wołowski – führende Juristen des Königreichs Polen“[9] (S. 81–92) die Gestalten zwei polnischer Rechtswissenschaftler dar, die sich für die Bildung und Pflege des Rechts im Königreich Polen besonders verdient machten, indem er ihre Persönlichkeiten, Arbeit und Anschauungen näher bespricht. Ihre juristische und politische Laufbahn wird vor dem Hintergrund jener Generation gezeigt, die in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts mit ihrer Tätigkeit begonnen hat. Eine vertiefte Analyse desr Schriften von A. Thies, besonders seiner Konzeption der Jurisprudenz, die er als jurisprudentia forensis verstand, wie auch des Werkes von J. K. Wołowski, das generell derselben Richtung angehört, bildet den Hauptteil des Artikels.

Zdzisław Zarzycki (Krakau) gibt in seinem Beitrag „Skizze zur Institution der Ehetrennung auf polnischem Territorium von 1815 bis 2000“ (S. 93–108) einen vergleichenden Einblick in die Entwicklung dieser Institution vor dem Hintergrund des kanonischen Rechts und der weltlichen Gesetzgebung in breitem zeitlichem Rahmen. Nachdem Polen seine Unabhängigkeit im Jahr 1918 wiedererlangt hate, gab es fünf Gesetze bzw. Gesetzbücher, in denen das eheliche Personenrecht geregelt war: das ABGB von 1811, das Eherecht von 1836, Svod Zakonov des Russischen Kaiserreichs von 1832, das BGB von 1896 und das ungarische Recht von 1894. Diese Systeme haben im verschiedenen Grade an konfessionelle Prinzipien angeknüpft. Im Falle des Kollidierens verschiedener Normen des Eherechts hat man auf Grund der Regeln des internationalen oder des interterritorialen Privatrechts entschieden. Die Institution der Ehetrennung, im polnischen Recht bekannt bis zur Unifizierung des Eherechts am 1. 01. 1946, wurde im polnischen Recht in der Zeit der Volksrepublik Polen abgeschafft und erst 1999 wiederhergestellt.

 

Grzegorz Zamoyski (Rzeszów) befasst sich in seinem Vortrag „Rechtsgrundsätze des Funktionierens der Kommunalsparkassen in Polen in der Besatzungszeit“[10] (S. 111–129), der die Sitzung der Sektion IV eröffnet hat, mit der Geschichte der Institution, die eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der Selbstverwaltung und des Finanzsystems auf polnischen Gebieten spielt. Der Autor lenkt die Aufmerksamkeit auf die Aspekte, wie sie funktioniert haben, auf ihre innere Struktur, Statuten der Sparkassen in Galizien und auf ihre Aufsicht, auf ihre ökonomische Lage und auf die Sicherheit der Spareinlagen. Die Sparkassen in den von Preußen besetzten Gebieten und in Galizien wurden zu Hauptinstitutionen, welche die lokale Selbstverwaltung dadurch unterstützt haben, dass sie ihr Kredite gewährten.

 

Dasselbe Thema behandelt Jan Basta (Rzeszów) in dem Beitrag „Rechtliche Grundlagen des Funktionierens der kommunalen Sparkassen in der II. Republik Polen“ ( S. 130–150). Der Autor analysiert die Gesetzgebung hinsichtlicht der kommunalen Sparkassen in der Zwischenkriegszeit in Polen, angefangen mit den Dekreten des Staatsoberhauptes von 1919 über Stadt- und Bezirksselbstverwaltung und Rundschreiben des Ministers für Innere Angelegenheiten von demselben Jahre, über darauffolgende Rechtsakte aus den Jahren 1927, 1934, 1936, bis zu ihrer Novellierung im Jahr 1937.

 

Marek Tkaczuk (Stettin) befasst sich in seiner Mitteilung „Entstehung der Abteilung Generalstaatsanwaltschaft der Republik Polen in Posen“ (S. 151–160) mit Arbeiten an der Entstehung dieser Institution auf dem ehemaligen preußischen Besatzungsgebiet, die auf die rechtlichen Hindernisse betreffs der Geltungskraft des Gesetzes vom 31. 07. 1919 über Generalstaatsanwaltschaft weisen. Ihre Posener Abteilung begann ihre Amtszeit erst am 2. 10. 1920, ein Jahr später als in den ehemaligen österreichischen und russischen Besatzungsgebieten.

 

Der Beitrag von Dorota Malec (Krakau) „Öffentliches Interesse im Gesetz über Naturschutz vom 10. März 1934“[11] (S. 161–170) befasst sich mit dem Schlüsselproblem für die Anfänge des Naturschutzes in Polen in der Zwischenkriegszeit. Die Prinzipien, die im ersten Gesetz enthalten sind, wurden einerseits an die Lösungen der übrigen europäischen Gesetzgebung in dieser Hinsicht angelehnt, mussten aber andererseits auch an die Regelungen der bestehenden Rechtsordnung angepasst werden. Trotz mangelnder Rechtsprechung in solchen Fällen, die uns das Rekonstruieren ermöglichen könnte, wie sich der Bereich des öffentlichen Interessens erweitert hatte, sind diese Regelungen, als erstes Gesetz zu diesem Problem, von großer Bedeutung.

 

In ihrem Aufsatz „Struktur der Allgemeinen Gerichte im ersten Jahrzehnt der II. Republik“[12] (S. 172–181) systematisiert Małgorzata Materniak-Pawłowska (Posen) das Wissen über das polnische Gerichtswesen von 1917 bis zum Übergang der Verwaltung der Justiz unter direkte Verwaltung des Justizministers (1922). Diese Zeit ist von großer Labilität und Differenzierung der Organisationsformen gekennzeichnet. Zahlreichen Umwandlungen unterlag auch die Gerichtsbarkeit in einzelnen Gebieten der zweiten Republik. Das ganze System lehnte sich vorwiegend an die Rechtsregelungen der ehemaligen Besatzungsstaaten an, die später an die polnischen Regelungen im unterschiedlichen Grade angepasst wurden.

 

Monika Kober (Krakau) bietet in ihrem Beitrag „Postulate betreffs der Beschleunigung des Strafrechtsverfahrens in der II. Republik Polen“ (S. 183–187) eine Übersicht der Befürwortungen und Ablehnungen hinsichtlich der Appellation nach der Verabschiedung der Strafprozessordnung im Jahr 1928. In ihrer Synthese präsentiert die Autorin die Argumentation beider Seiten und die Diskussion, die in der juristischen Literatur stattgefunden hat.

 

Mit demselben Thema befasst sich auch Józef Koredczuk (Breslau) im Aufsatz „Evolution des Rechts der Prozessparteien im polnischen Strafverfahren in der Zwischenkriegszeit“ (S. 188–195). Die Rechte der Prozessseiten teilten das Schicksal der Garantien der Bürgerrechte, wie die Strafprozessordnung von 1928 das Schicksal der Verfassung von 1921. Die Ähnlichkeiten dieser Evolution sieht der Autor darin, dass sie einerseits die Verwirklichung der ordnungsschaffenden Justiz sichern musste und andererseits verhindern musste, dass die rechtliche Stellung der Prozessparteien in der Verhandlung vor Staatsorganen nicht benachteiligt blieb. Die Normen der Strafprozessordnung spielten darin als Garantie der Gesetzlichkeit eine wichtige Rolle.

 

Andrzej Wrzyszcz (Lublin – UMCS) hat in seinem gehaltvollen Beitrag über „Besatzungsgerichtsbarkeit des totalitären Staates – das Sondergericht in Radom 1939–1945“[13] (S. 196–207) versucht, die deutsche Gerichtsbarkeit auf polnischen Gebieten und ihre Nomenklatur in der polnischen rechtgeschichtlichen Literatur zu systematisieren. Die Analyse der Aktensammlung des Sondergerichts in Radom, wie auch der anderen Archivmaterialien, hat es ihm ermöglicht, die rechtliche Grundlage der Anklageschriften, der Urteilssprüche der Gerichte, der Arten der vor diesem Gericht entschiedenen Fälle und verhängten Strafen zu bestimmen. Der Autor hat die Besetzung des Sondergerichts in Radom samt aller Beamten bzw. Angestellten (Richter, Staatsanwälte, Kanzleibeamten, Anwälte und Notare) rekonstruiert. Der beschränkte Rahmen des Konferenzbeitrages erlaubte es ihm freilich nicht, die strafrechtliche Analyse der gefällten Urteile durchzuführen, was die wesentliche Tätigkeit dieses Gerichts wiedergeben könnte.

 

Der Aufsatz von Piotr Fiedorczyk (Białystok) „Das System der von der Sonderkommission für Kampf gegen wirtschaftlichen Missbrauch und Wirtschaftsvergehen  erlassenen Strafen“ (S. 208–220) befasst sich mit den Strafmitteln, die von dieser Kommission in den Jahren 1945–1954 angewendet wurden, und die nach dem 16. 11. 1946 mit weiteren Novellen ergänzt wurden. Der Autor hat ein wichtiges Problem aufgegriffen, da in der bisherigen Fachliteratur die Rechtsgeschichte des ersten Jahrzehnts der Volksrepublik Polen nur als Einleitung in die weitere Forschung angedeutet wurde. Die Feststellungen und die Postulate des Autors sind erwähnenswert, besonders betreffs des Verhältnisses zwischen dem Strafensystem der Sonderkommission und den Regelungen des Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1932 oder betreffs das Problem der Anwendung der Strafen in der Rechtsprechung der Sonderkommission.

 

Band III, der die Vorträge der Plenarsitzung beinhaltet, eröffnet Janusz Sondel (Krakau) mit seinem Aufsatz „Römisches Recht als Quelle der Inspiration“ (S. 11-27), wo der Autor auf die Notwendigkeit hinweist, die Forschungsbereiche zum römischen Recht zu erweitern, die er in imposanter Zahl darstellt. Er beginnt mit der direkten Anwendung des römischen Rechts im Recht im allgemeinen und seiner subsidiären Rolle im Magdeburger Recht und behandelt dann Rezipierung mehrerer Institutionen des römischen Privatrechts, Anerkennung dieses Rechts als Grundlage der Kodifikationsarbeiten, Übernahme der römischen Systematik des Privatrechts, seine Einflüsse auf die Redaktion und auf den Wortschatz der Rechtsammlungen, bis zur Rolle des römischen Rechts als Basis für die Rechtswissenschaft im Sinne der neuzeitlichen Rechtstheorie oder für die Schule des juristischen Denkens. Nicht zu übergehen ist auch seine inspirierende Funktion für die darauffolgende Gesetzgebung auf jeder Ebene und auf jeder Stufe der Entwicklung des Rechts überhaupt, das gegenwärtige Recht nicht ausgeschlossen.

 

Ewa Borkowska-Bagieńska (Posen) stellt mit ihrem anschaulichen Beitrag „Zum Nutzen der Forschung an der Rechtskultur“ (S. 28-40) ein breites Spektrum der methodologischen Probleme dar, das zugleich ein Versuch einer Systematisierung in dieser Hinsicht ist. Die Bestimmung der gemeinsamen Forschungsbereiche im Rahmen der verschiedenen Rechtsdisziplinen, darunter auch Rechtsoziologie, spricht für die Zweckmäßigkeit der Anwendung solcher Kategorien wie Rechtskultur im alten und gegenwärtigen Recht. Die Reflexion über europäischen Rechtskultur ist von großer Bedeutung sowohl für die rechtsgeschichtliche, als auch für die dogmatische und theoretische Teilbereiche des Rechts. Wertvoll sind dabei die Integrationswerte der Rechtskulturforschung auf der internationalen Ebene, was im Prozess des sich vereinigenden Europa besonders wichtig scheint.

 

Auch Wacław Uruszczak (Krakau) schenkt in seinem Beitrag „Typologisierung der politischen Staatssysteme in der polnischen rechtsgeschichtlichen und geschichtlichen Wissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert“ (S. 41-55) die Aufmerksamkeit den methodologischen Problemen. Die bisherigen Versuche in der polnischen Fachliteratur, die Staatssysteme zu typologisieren, hat der Autor kritisch beurteilt. Zugleich hat er aber angedeutet, dass es notwendig wäre, das Festhalten der polnischen Wissenschaft an den alten Konzeptionen zu durchbrechen. Dabei könnten die Errungenschaften der modernen europäischen Wissenschaft über Gesellschaft und Staat behilflich sein.

 

Grzegorz Górski (Thorn, Lublin – KUL) hat in seinem breit konzipierten, aber sehr kurzen (7,5 Seiten) Beitrag „Staat – Recht – Kirche – der Einzelne an der Wende des ersten zum zweiten Jahrtausend“ (S. 56-62) die Umwandlungen und das Verhältnis zwischen dem Staat und der Kirche angedeutet, die nach seiner Meinung die Stellung des Einzelnen stark beeinflussen können. Sehr allgemein stellt er die Voraussetzungen dar, die zur Ausbildung der neuen lateinischen Zivilisation in Westeuropa beigetragen haben. Eine besondere Rolle in diesem Prozess hat er den Kluniazensischen Reformen im ausgehenden ersten Jahrtausen beigemessen.

 

Ein hervorragender Vortrag von Stanisław Grodziski (Krakau) und Henryk Olszewski (Posen) zum Thema „Rechtsgeschichtliche Kreise in Polen (1991–2000)“[14] (S. 62-85) bietet ein allseitiges Panoramabild der aktuellen Lage der rechtsgeschichtlichen Disziplinen in vier Bereichen: I – Struktur und Besatzung, Universitätslehrer, II – Organisationsstrukturen, III – Forschungsthemen, IV – Didaktik. Eine Ergänzung zu oben dargestellten Themenkreisen bildet die Bearbeitung der Antworten auf die gesamtpolnische Umfrage, die an akademische Zentren gerichtet wurde, zusammengefasst von Krystyna Sikorska-Dzięgielewska (Posen) in ihrem Aufsatz „Rechtsgeschichtliche Wissensdisziplinen an den Fakultäten für Jura und Verwaltungswissenschaften. Struktur – Besatzung – Forschungsrichtungen – Didaktik“[15] (S. 86-123). Beide zusammenhängende Beiträge geben uns ein fast vollständiges Bild der Errungenschaften und Probleme der rechtsgeschichtlichen Kreise in Polen wieder Unterstrichen wurde die Tatsache, dass die Rechtshistoriker in vielen Gesellschaften und Organisationen tätig sind, und auch ihr Engagement für Rechtsreformen in Polen, z. B. hinsichtlich des Entwurfs der neuen polnischen Verfassung. Kritisch äußerten sich die Autoren zur Abwesenheit der polnischen Forscher bei internationalen Konferenzen und Tagungen. Als notwendig wurde die nähere Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Zentren der ehemaligen Sowjetunion bezeichnet. In der Zusammenfassung der Diskussion wurde festgestellt, dass die Umwandlungen des Staatssystems die Kreise der polnischen Rechtshistoriker nicht erschüttert haben, was zu gewissem Optimismus führen kann.

 

Leszek Ćwikła (Lublin – KUL) „Staat – Recht – Kirche – Der Einzelne in der altrussischen und russischen systemrechtlichen Tradition“ (S. 127-134) eröffnet die Publikationen der Sektion I der Tagung. Die Absicht des Autors war es, in diesem ziemlich kurzen (8,5 Seiten), skizzenhaften Beitrag, die wichtigsten Komponenten darzustellen, die die Bestandteile dieser Tradition sind.

 

Maciej Chmieliński (Lodz) gibt in seinem Aufsatz „Politische Vision der Gesellschaft in Ansichten von Wilhelm v. Humboldt“ (S. 135-144) einen Einblick in die intellektuelle Silhouette W. v. Humboldts und die Rezeption seines wichtigsten Werkes „Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“; weiter stellt er die Stellung der angelsächsischen und deutschen Forscher dazu dar, wie auch seine eigene Interpretation der Humboldtschen Ideen der Gesellschaft mit Hervorhebung ihrer Vorteile.

 

Tomasz Scheffler (Breslau) präsentiert „Einige Bemerkungen zum Entwurf der Verfassung des Deutschen Reiches von 1937“ (S. 147-163). Besondere Aufmerksamkeit schenkt er dem Entwurf des rechten Oppositionskreises, der sich um Hans Oster, Mitarbeiter des Abwehrdienstes, gruppierte. Dieses Dokument, 1937 von Friedrich Alfred Schmid-Noerr, dem Philosophen und Schriftsteller, verfasst, wurde bisher weder in der polnischen noch in anderer fremdsprachigen Fachliteratur erwähnt. Es enthält eine Alternative sowohl zur Konzeption des Staatssystems der Nationalsozialisten als auch der Weimarer Republik. Einige von Schmid-Noerr vorgeschlagene Lösungen, z. B. hinsichtlich der Bildung der Fachkörperschaften, fanden ihre Verwirklichung – obwohl indirekt – in modernen europäischen Staaten.

 

Andrzej Drogoń (Kattowitz) „Schlesische Autonomie in der Politik der Fraktion der Christlichen Demokraten in Sejm von Schlesien“ (S. 164-180) äußert Zweifel an der Richtigkeit der Meinung, dass die Christlichen Demokraten verschiedene Stellungen gegenüber Schlesiens Autonomie vertreten haben. Es gibt viele Hinweise, dass sie für die Autonomie sowohl vor dem Mai-Staatsstreich als auch danach gestimmt haben. Die Christdemokraten waren eine Gruppierung, die in Sejm sehr konsequent die Idee der schlesichen Autonomie verteidigt hat, im Gegensatz zum Separatismus der antipolnischen Gruppierungen. Nach dem Piłsudski-Staatsstreich entsprang ihre Stellung den Anstrebungen der legal handelnden Opposition zur Mai-Regierung.

 

Witold Wołodkiewicz (Warschau) und Jerzy Krzynówek (Warschau) haben mit ihrem Vortrag „Mos Italicus Iura docendi – Einführungsbemerkungen“ (S. 191-198) die Sitzungen der Sektion II eröffnet. Die Thesen zur Diskussion befassten sich mit zwei Behandlungsweisen hinsichtlich des römischen Rechts, die in seiner Rezeption in der Rechtsgeschichte von großer Bedeutung waren; sie haben auch die Entwicklung der Lehre vom römischen Recht weitgehend beeinflusst. Neben der Meinung, dass das römische Recht die Rechtskultur vermittelt, wird auch die Ansicht vertreten, dass es ein fester Bestandteil der Wissenschaft über die antike Welt ist. Die Autoren erinnern an den im 19. und 20. Jahrhundert herrschenden Wettkampf der Pandektistik mit der Interpolations-Schule oder an gegenwärtige Auseinandersetzungen in der italienischen Wissenschaft zwischen sog. „antiquisti“, für welche das römische Recht mit der altertümlichen Geschichte und mit der klassischen Philologie in Verbindung zu setzen ist, und den Rechtshistorikern, die dem Dialog der Romanisten mit den Vertretern des positiven Rechts entgegensehen.

 

Piotr Nieczyporuk (Białystok) in dem Artikel „Bedingung des Witwenstands im römischen Recht“ (S. 199-214) stellt die Entwicklung der Institution der Vermögenszuwendung dar, der die Bedingung zugefügt wurde, dass die Frau im Witwenstand bleiben muss. Besprochen wurden die Regelungen von Mucianus, Augustus und Justinian.

 

Während der Sitzungen der einzelnen Sektionen wurden auch Kommunikate über folgende Dissertationen vorgestellt: Edyta Jamróz (Lodz) „Rechtsvollstreckung oder Rechtsreform“ (S. 181); Ewa Turska-Woźniak (Lodz) „Kreditgesellschaft der Stadt Lodz“ (S. 182); Tomasz Oleksiak (Lodz) „Verfassungsverletzung in der II. Republik Polen“ (S. 186-188); Maciej Rakowski (Lodz) „Zur Forschung am Wahlrecht zu Deputiertenkammer des Königreichs Italien“ (S. 183-186); Magdalena Podgórska (Lodz) „Zur Forschung am polnischen Grenzenrecht“ (S. 215-216); Teresa Iwona Nowak (Lodz) „Gefängnisstrafe im Königreich Polen“ (S. 216); Mariusz Gołecki „Der Begriff synallagma im klassischen römischen Recht und die Theorie des Vertrages im System common law“ (S. 217-218); Jolanta Bazan (Krakau) „Zur Geschichte der Polizei in föderalistischen Staaten Westeuropas“ (S. 221-228).

 

Den Band III schließt ein 38 Seiten umfassender Bericht aus der Diskussion sowohl nach der Plenarsitzung, wie auch in den einzelnen vier Sektionen der Tagung (S. 229-267). Er ist ohne weiteres die wertvollste Frucht der gesamtpolnischen Tagung der Rechtshistoriker in Ustroń vom 17. bis zum 20. September 2000. Werden nämlich zwar die einzelnen Referate, Beiträge und Artikel in verschiedener Form danach veröffentlicht und somit in irgendeiner Form dem Leser zugänglich, bleiben aber die Stimmen der Forscher in der direkten Diskussion nicht erhalten, so werden sie nur in kleinen Fragmenten – gewissermaßen nur in kleinen Wissensbrocken aus dem großen Gelehrtenmahl – mündlich den Interessierten weitergegeben. Darum verdienen alle Mitarbeiter, die die Diskussion so sorgfältig zum Druck vorbereitet haben, besonderen Dank: Elżbieta Kaznowska, Aleksandra Kozioł, Joanna Ożarowska, Anna Stawarska-Rippel, Andrzej Drogoń, Marian Mikołajczyk und Wojciech Organiściak.

 

Besondere Anerkennung gebührt schließlich den Redaktoren aller drei Bände der Tagungsmaterialien – Prof. Adam Lityński und Marian Mikołajczyk – für ihre erfolgreichen Bemühungen, diese monumentale Veröffentlichung zum Druck zu bringen.

 

Lublin                                                                                                 Marian Lech Klementowski

[1] Gedruckt auch in Czasopismo Prawno-Historyczne, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 117.

[2] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 231.

[3] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 263.

[4] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 245.

[5] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 263.

[6] Gedruckt auch  in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 159.

[7] Gedruckt auch  in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 177.

[8] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 169.

[9] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 141.

[10] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 213.

[11] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 315.

[12] Gedruckt auch  in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 275.

[13] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 327.

[14] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 9

[15] Gedruckt auch in „Czasopismo Prawno-Historyczne“, Bd. LIII, H. 1, Posen 2001, S. 33.