Heppekausen, Ulf, Die Kölner Statuten von 1437.

*Heppekausen, Ulf, Die Kölner Statuten von 1437. Ursachen, Ausgestaltung, Wirkungen (= Rechtsgeschichtliche Schriften 12). Böhlau, Köln 1999. Besprochen von Franz Dorn. ZRG GA 118 (2001)

DornfranzHeppekausen20000919 Nr. 1206 ZRG 118 (2001)

 

 

Heppekausen, Ulf, Die Kölner Statuten von 1437. Ursachen, Ausgestaltung, Wirkungen (= Rechtsgeschichtliche Schriften 12). Böhlau, Köln – Weimar – Wien 1999. XX, 331 S.

Die Kölner Statuten von 1437 - vierzig Jahre nach der Umgestaltung der Stadtverfassung durch den Verbundbrief von 1396 und zu einer Zeit erlassen, in der Köln zwar faktisch freie Reichsstadt, als solche aber noch nicht anerkannt war - sind die umfassendste und bedeutendste Rechtsaufzeichnung der Stadt und blieben bis zur Franzosenzeit in Geltung. Gleichwohl hat diese Quelle in der Forschung bislang nur am Rande Aufmerksamkeit gefunden. Diese Lücke schließt nun Heppekausen mit seiner von Karin Nehlsen-von Stryk betreuten Kölner juristischen Dissertation in vortrefflicher Weise, indem er zum einen analysiert, welche Bedeutung den Statuten für die Entwicklung der Stadt, ihrer Selbständigkeit und ihres Rechts zukommt, und zum anderen untersucht, welcher Grad an Strukturierung, Systematisierung, dogmatischer Durchdringung und Verwissenschaftlichung des Rechts in ihnen im Vergleich zu anderen mittelalterlichen Stadtrechten und zu den frühneuzeitlichen Stadtrechtsreformationen erreicht wird.

Nach einer kurzen Einleitung in den Forschungsstand, die Quellenlage und die Anliegen der Arbeit, beginnt die in 13 Kapitel untergliederte Untersuchung mit einer Einführung in die Verfassungsordnung Kölns zur Zeit des Erlasses der Statuten. Die elf folgenden Kapitel setzen sich dann mit dem Regelungswerk auseinander. Dabei folgt der Verfasser dem Aufbau der Statuten, die sich zwar nicht formal, wohl aber inhaltlich in elf Sinneinheiten gliedern, und führt so dem Leser die Quelle in der ihr eigenen Struktur und Gedankenführung vor Augen. Nach einer Analyse der Vorreden, die Aufschluß über die Entstehung der Statuten, die hieran beteiligten Organe (Rat, Vierundvierziger sowie Greve und Schöffen des Hohen Gerichts) und den Geltungsanspruch der Rechtsaufzeichnung geben, werden behandelt: die beim Eintritt von König bzw. Erzbischof in die Stadt verwandten Huldigungsformeln, die Urkundenschelte, das Erbrecht, die das Hohe - d. h. das weltlich erzbischöfliche - Gericht betreffenden Regelungen, das Kummerverfahren, die Bestimmungen zur Abgrenzung von weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit und in diesem Rahmen die Vorschriften zum Ladungsungehorsam, zur Zwangsvollstreckung und zur Einschränkung des Vermögenserwerbs Geistlicher, des weiteren die strafbewehrten Vorschriften der Artt. 67-80, die Morgensprache, d. h. die im jährlichen Turnus der Bevölkerung verkündeten Strafvorschriften, dann das Kölner privilegium de non evocando und schließlich die die „auswärtigen“, d. h. die Gerichte der Neustadt betreffenden Regelungen. In den jeweiligen Kapiteln werden die einzelnen Statuten zunächst inhaltlich vorgestellt und dann eingehend analysiert. Aufgrund reichen Quellenmaterials zeichnet der Verfasser die Entwicklung der einzelnen Rechtssätze bzw. Regelungsmaterien in Köln bis zum Erlass der Statuten, teils auch darüber hinaus, nach, zeigt auf, inwieweit sie hergebrachtes, verbessertes oder gar neues Recht enthalten, illustriert ihren rechts- und verfassungspolitischen Hintergrund, beleuchtet ihren Standort im Normengefüge und dessen Anordnung und geht, soweit Anlass hierzu besteht, dem möglichen Einfluss des römischen Rechts nach. Durch den Vergleich mit anderen Stadtrechten werden zudem Übereinstimmungen und Parallelen mit anderen Städten sowie Besonderheiten des Kölner Rechts herausgearbeitet. Dabei bezieht Heppekausen auch solche Materien in die Betrachtung ein, die nicht in den Statuten geregelt sind, teils indem er Lücken unter Rückgriff auf weiteres Kölner Quellenmaterial oder durch vorsichtige Hypothesen schließt, soweit eindeutige Quellenzeugnisse fehlen (z.B. bezüglich der Frage, inwieweit der Grundsatz Hand wahre Hand gegolten hat). Teilweise gestatten auch die Statuten im Verein mit anderen Quellen Rückschlüsse auf in der Rechtsaufzeichnung nicht angesprochene Rechtsbereiche. So arbeitet der Autor etwa aufgrund der erbrechtlichen Rechtssätze die unbeschränkte Gütergemeinschaft als den regelmäßigen Kölner Ehegüterstand und aufgrund der Regelungen zum Hohen Gericht den Prozeßverlauf vor diesem Gericht heraus.

Im abschließenden 13. Kapitel bündelt der Verfasser die im Verlauf der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse zu einer Schlußbetrachtung und Schlußbewertung der Statuten. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt skizzieren: Die Statuten stellen als eigenständige und planvolle - wenn auch lückenhafte - Zusammenstellung des hergebrachten, teils neu gestalteten Kölner Rechts eine Zwischenstufe zwischen den rein mittelalterlichen Stadtrechten und den frühneuzeitlichen Stadtrechtsreformationen dar. Im Hinblick auf Strukturierung und Systematisierung sind sie - vom Goslarer Recht abgesehen - den mittelalterlichen Stadtrechten überlegen und bewegen sich insofern auf die Stadtrechtsreformationen zu. Inhaltlich zeigen sie demgegenüber eine größere Nähe zu den mittelalterlichen Stadtrechten. Trotz der Bereitschaft zur Aufnahme neuer Regeln überwiegt die Tendenz, am Überkommenen festzuhalten. Die Einflüsse des römischen Rechts bleiben marginal (eindeutig römischen Ursprungs sind lediglich die Erwähnung des Inventarrechts in Art. 14 und die dem Senatusconsultum Macedonianum entsprechende Regelung des Art. 75). Ansätze zu einer dogmatischen Durchdringung sind zwar vorhanden, bleiben aber im Gesamtgefüge der Statuten vereinzelt, so dass von einer Verwissenschaftlichung des Rechts noch keine Rede sein kann.

Die Hauptanliegen der vornehmlich verfahrensrechtlich geprägten Statuten gehen in zwei Richtungen. Zum einen soll die Macht des Rats nach innen wie nach außen, insbesondere gegenüber dem Erzbischof, der formal nach wie vor Stadtherr war und auf diese Position nie verzichtet hat, gefestigt und ausgebaut werden. Dementsprechend wird die weltliche Gerichtsbarkeit soweit wie möglich für die Stadt vereinnahmt, verfahrensmäßig ausgestaltet und ihr Kompetenzbereich zu Lasten des geistlichen Gerichts ausgeweitet. Die Amortisationsbestimmungen sollen die Ausdehnung der kirchlichen Immunitätsbezirke verhindern. Vor allem aber wird das weltliche Hohe Gericht des Erzbischofs - und dies unter Beteiligung des Gerichts selbst - in seiner Amtsführung streng reglementiert und sein Einfluss zurückgedrängt, so etwa auf dem Gebiet des Zwangsvollstreckungsrechts und des Strafverfahrensrechts. Hier beansprucht der Rat das Festnahmerecht sowie das Ermittlungsverfahren, d. h. die wichtigste Phase des Inquisitionsprozesses, für sich; die strafrechtliche Verfolgung Aufständischer einschließlich der Hinrichtung nimmt der Rat - obwohl nicht Inhaber der Blutgerichtsbarkeit - sogar völlig für sich in Anspruch. Die Zurückdrängung des Hohen Gerichts führt zudem zu einer weiteren Entmachtung der alten Patriziergeschlechter, deren Mitglieder gezwungen waren, in das Schöffenkollegium einzutreten, und so von einer Wahl in den Rat ausgeschlossen waren.

Das zweite Hauptanliegen der Statuten ist der Verkehrsschutz. Ihm dienen die Einrichtung eigener Marktgerichte mit kurzen Ladungsfristen, die Unterbindung von Rechtsverweigerung gegenüber Fremden, Arrest-, Versäumnis- und Zwangsvollstreckungsverfahren auf der Höhe der Zeit, die Fremden eröffnete Möglichkeit, Grundstücke in der Stadt und damit Kreditsicherungsmittel zu erwerben, die Abschaffung des Repressalienarrests und nicht zuletzt die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen am Geschäftsverkehr.

Insgesamt hat Heppekausen mit seiner Arbeit ein plastisches Bild des spätmittelalterlichen Kölner Rechts gezeichnet und einen wichtigen Beitrag zur Kölner und zur Stadtrechtsforschung allgemein geliefert. Die Untersuchung bietet eine Fülle aufschlussreicher Details, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Sie überzeugt durch Kenntnisreichtum des Autors, gründliche Quellenarbeit, sorgsam abwägende Argumentationsweise und nicht zuletzt durch einen anschaulichen und eingängigen Stil. Abschließend bleibt auf den Anhang hinzuweisen, in dem neben einer Übersicht über die streitige Gerichtsbarkeit in Köln eine Umrechnungstabelle für die Kölner Währungseinheiten drei bislang ungedruckte Quellen wiedergegeben werden: zwei Vorbereitungsarbeiten zum Konkordat zwischen Erzbischof und Stadt von 1506 und die Gebührenordnung eines Schultheißengerichts aus dem 15. Jahrhundert.

Trier                                                                                                                          Franz Dorn