Watson, Alan, Legal History and a Common Law

for Europe. (= Institutet för rättshistorisk forskning Serien III, Rättshistorisk skrifter 2). (Distribueras AV) Rönnells Antikvariat AB, Stockholm 2001. 181 S. Besprochen von Filippo Ranieri.

Watson, Alan, Legal History and a Common Law for Europe. (= Institutet för rättshistorisk forskning Serien III, Rättshistorisk skrifter 2). (Distribueras AV) Rönnells Antikvariat AB, Stockholm 2001. 181 S.

 

Alan Watson ist ein bekannter Rechtsvergleicher und Romanist, Distinguished Research Professor and Ernest P. Rogers Professor an der Law School der University of Georgia. In den vergangenen Jahrzehnten ist er durch zahlreiche historische und rechtsvergleichende Beiträge hervorgetreten. Man möge etwa an „Legal Transplants: An Approach to Comparative Law“ (1974), an „Society and Legal Change“ (1977) sowie zuletzt an „Evolution of Western Private Law” (2000) denken. Die vorliegende Schrift geht einerseits auf seine Vorlesungen in Rechtsvergleichung an der University of Georgia, auf Vorträge, die er in den letzten Jahren in Großbritannien, Schottland, Südafrika und Italien gehalten hat, sowie auf einen Beitrag des Verfassers selbst anlässlich einer Tagung an der Universität Maastricht im Mai 2000 zum Thema „The Contribution of Mixed Legal Systems to European Private Law“ zurück. Der Verfasser hat die damaligen Ausführungen ausgebaut und vor allem mit zahlreichen Fußnoten und Quellenzitaten ergänzt und belegt. Bereits in seiner Einführung (S. 16) verdeutlicht er seine Absicht. Sein Buch unterscheidet sich von den zahlreichen anderen Publikationen der letzten Jahre zur Problematik eines „Common Private Law for the European Union“ dadurch, dass der Verfasser keinesfalls dazu Stellung nehmen will, ob eine Kodifikation des europäischen Privatrechts derzeit sinnvoll und möglich ist. Er will auch nichts zum geplanten Verhältnis zwischen der nationalen Gesetzgebung und einer europäischen Kodifikation oder zur Neugestaltung bestimmter Rechtsinstitute sagen. „My concerns“ – schreibt er (S. 16) – „are more general: the lessons that may be learned from legal history for the formation of any new ius commune”. Der Verfasser verfährt anschließend ganz unsystematisch. Die Präsentation seiner Ideen erfolgt in acht Kapiteln, die jeweils in einzelne, an sich in der Form und auch im Inhalt getrennte Abschnitte unterteilt sind. Es handelt sich um Gedanken, Überlegungen, Quellenanalysen, historische Verweise, die sich in unsystematischer Weise alle um das historische kollektive Gedächtnis des europäischen Rechts drehen. Einige kursorische Hinweise seien hier zunächst zum tatsächlichen materiellen Inhalt der einzelnen Teile angeführt. Nach einer kurzen Einführung in einem ersten Abschnitt „Confusion in fundamental sources: misunderstandings“ (S. 21-42) konzentriert sich der Verfasser auf das Verständnis des „ius naturale“ in den Justinianischen Institutionen. Im Vordergrund der Ausführungen steht § 1 pr. des Ersten Buchs der Institutionen. Es folgt ein Abschnitt unter dem Titel „Law as a reflection of society: Justinian’s Institutes and Digest, and early Byzantium“ (S. 45-57) sowie ein weiterer Abschnitt unter dem Titel „Origins, developments and unforeseen results“ (S. 59-85). Der nächste Teil wird unter der Überschrift „Authority and myth“ (S. 87-99) angeführt. Es folgt dann ein weiteres Kapitel „Legal transplants“ (S. 101-120), wo der Verfasser auf sein Buch aus dem Jahre 1974 zurückgeht. Ähnliches gilt für den darauffolgenden Abschnitt „Foreign legal thinking“ (S. 123-150). Die Schrift wird abgeschlossen durch Ausführungen zum Thema „The European Union and the prehistory of roman law“ (S. 153-162) sowie mit einigen „Conclusions and suggestion“ (S. 165-178).

 

Diese kurze Schrift des Verfassers erklärt sich vor allem aus den rechtspolitischen Intentionen desselben. Watson will dem Leser die konstitutive Bedeutung des historischen Verständnisses für die Fortentwicklung des europäischen Rechts deutlich machen. „My first conclusion“ – schreibt er auf S. 165 – „is that law is very much a matter of history. To a large extent what the law is today is the result of what the law was yesterday, and what the law is tomorrow the result of today’s law. And yesterday’s law is very largely the result of the day before yesterday. And when I use the conventional singular ,day’, I really mean the plural ,centuries’.” Eine zentrale Rolle für das historische Verständnis nehmen in der Geschichte des europäischen Rechts vor allem die Juristenausbildung und die Zeugnisse des Rechtsunterrichts ein. Watson verdeutlicht dies etwa am Beispiel der Justinianischen Institutionen. „And we should not restrict our gaze to rules of law” schreibt er auf S. 166. „The same applies to legal structures. The Roman elementary first-year students’ textbook of the mid-second century, Gaius’ Institutes, provided the overall structure of Justinian’s Institutes in sixth-century Byzantium, that in its turn became the model for very many local Institutes in Europe in the 17th and 18th centuries.” „My suggestion” – fährt er fort – „from this first conclusion is that anyone concerned with making the law whether as a legislator, judge or scholar should know the history of the existing law, including its ancient history and foreign history.” Die Schrift von Watson stellt deshalb ein engagiertes Plädoyer für die Stellung und die Bedeutung des historischen Verständnisses der Rechtsentwicklungen in Europa im Rahmen der heutigen rechtspolitischen Diskussion dar. „My suggestion“ – schließt er seine Abschlussbemerkungen (S. 168-169) – „is that for a common law for the E.U. we should not take a simplistic view of the worth of a ‚common core’. In the Age of Reason one fundamental secular view of natural law, was that it was the ,law of reason’.” „Comparative legal history” – stellt er abschließend fest – „is a necessary tool for responsible legal change in the E.U.” Die engagierte, z. T. polemische Schrift Watsons sei allen Kritikern der Präsenz der Rechtsgeschichte im heutigen Rechtsunterricht zur Lektüre und zum Nachdenken empfohlen. Sie verdeutlicht zugleich, wie unüberlegt und gefährlich manche technokratischen Reformen der Juristenausbildung im Ergebnis sind, die auf eine Entfernung der Grundlagenfächer aus dem universitären Rechtsunterricht hinauslaufen.

 

Saarbrücken                                                                                                  Filippo Ranieri