Die Yad Vashem Enzyklopädie der Ghettos
Die Yad Vashem Enzyklopädie der Ghettos während des Holocaust, hg. v. Miron, Guy/Shulhani, Shlomit, zwei Bände. Wallstein, Göttingen 2015. 1091 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Ghetto bzw. Getto ist die Bezeichnung für das abgetrennte Wohnviertel vor allem von Juden, das in der Neuzeit den älteren und offeneren Namen der mittelalterlichen Judengassen verdrängte. Sie kommt daher, dass in Venedig 1516 allen aus dem Umland in die Stadt fliehenden Juden durch ein Dekret eine Ansiedlung auf einem ursprünglich für eine Gießerei (Ghetto Vecchio) bestimmten, von einer Mauer umschlossenen Abfallgelände (Ghetto Nuovo mit nachts verschlossenen Toren auf einer Insel) vorgeschrieben wurde. Danach wurde im Gefolge Venedigs über Ragusa und Rom Getto allmählich allgemein eine Bezeichnung für ein Judenviertel, die im 20. Jahrhundert (vor allem seit 1937/1938) eine dramatisch negative Färbung erhielt.
Insbesondere wurden unter der nationalsozialistischen Herrschaft Adolf Hitlers für Juden in dem besetzten Polen und in der annektierten Tschechoslowakei zahlreiche Gettos eingerichtet. Sie dienten als Zwischenstationen auf dem Weg in die Vernichtungslager. Ihre erstmalige Verzeichnung in einer gewichtigen, mit goldenen Lettern auf vornehmen Grund geprägten Enzyklopädie erlaubt dementsprechend künftig einen präzisen Überblick über die zahlreichen Stätten von Schrecken, Grauen, Tod und Vernichtung.
Das aus dem Englischen übersetzte, zweibändige Werk erregte unmittelbar nach seinem Erscheinen das Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Deswegen genügt es an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur großzügig unterstützte Veröffentlichung nach Vorworten Jehuda Bauers, Israel Gutmans und Michael Berenbaums und einer Vorbemerkung der Herausgeber zunächst die Entstehung jüdischer Ghettos unter der Herrschaft der Nationalsozialisten und ihrer Verbündeter schildert, danach eine allgemeine Einleitung bietet und schließlich allgemein über Fotografien aus den Ghettos als historische Dokumente berichtet. Die dem folgende Dokumentation erfasst mehr als 1100 Orte in alphabetischer Reihenfolge von Abony in Ungarn bis Żyrardów in Polen mit zahlreichen Fotografien, die nach einer Abrundung im Anhang (mit Glossar und Bibliographie sowie sechs Karten) durch einen Überblick nach Ländern und Bezirken sowie ein Ortsregister aufgeschlossen werden, so dass insgesamt ein vorzüglicher Überblick über die nationalsozialistischen Ghettos von Theresienstadt bis Kharkov und von Riga bis Odessa geboten wird,
Innsbruck Gerhard Köbler