Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen

, hg. v. Eichler, Ernst/Walther, Hans, bearb. v. Eichler, Ernst/Hellfritzsch, Volkmar/Walther, Hans/Weber, Erika (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 21) Bd. 1 A-L, Bd. 2 M-Z, Bd. 3 Apparat und Register. Akademie-Verlag, Berlin 2001. XL, 634, 681, 397 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 121 (2004)

Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, Ernst/Walther, Hans, bearb. v. Eichler, Ernst/Hellfritzsch, Volkmar/Walther, Hans/Weber, Erika (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 21) Bd. 1 A-L, Bd. 2 M-Z, Bd. 3 Apparat und Register. Akademie-Verlag, Berlin 2001. XL, 634, 681, 397 S.

 

Das gesprochene Wort der vorschriftlichen Zeit ist ohne erkennbaren Rückstand verhallt. Demgegenüber sind natürliche Gegebenheiten über lange Zeit nur wenig verändert worden. Namen von Siedlungen, Gewässern oder Gebirgen reichen deshalb vielleicht oft vor die Zeit ihrer ersten Aufzeichnung zurück.

 

Aus diesem Grund erfreuen sich Ortsnamensbücher seit langem besonderen historischen Interesses. Sich ihm zu widmen, war auch in Sachsen nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland verstärkt möglich. Deswegen beschlossen die Herausgeber in Verwertung zahlreicher Einzelstudien ein Nachschlagewerk für den Ortsnamensschatz Sachsen, das sie im Herbst 1992 begannen und 2000 abschlossen.

 

In seiner jetzigen ansprechenden Gestalt umfasst es rund 5300 Siedlungsnamen in den Grenzen des gegenwärtigen Freistaates Sachsen. Einbezogen sind dabei erfreulicherweise auch die Namen später wüst gewordener Siedlungen. Über das heutige Sachsen greift das Werk wegen der früheren Zugehörigkeit des jetzigen thüringischen Kreises Altenburg zum ehemaligen Reichsterritorium Pleißenland und zum wettinischen Sachsen sogar noch hinaus.

 

Eine wichtige Grundlage bildete dabei Karlheinz Blaschkes Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen aus dem Jahre 1957, das freilich die seit 1815 nicht mehr sächsischen Kreise Delitzsch, Eilenburg und Torgau ausgeschlossen hatte. Seine Daten sind auf einen neueren Stand gebracht. Beide Werke ergänzen sich somit hinsichtlich der Siedlungs- und Verwaltungsentwicklung, während die Benennungsentwicklung erstmals umgreifend erfasst wird..

 

Rund drei Fünftel der Ortsnamen sind slawischer Herkunft. Die schriftliche Überlieferung beginnt von wenigen Ausnahmen der fränkischen Zeit abgesehen mit der Errichtung der deutschen Oberherrschaft über die ältere sorbische Mark in den Jahren 929/930, wobei besondere Bedeutung für die frühe Zeit der in den Jahren 1012 bis 1018 verfassten Chronik Bischof Thietmars von Merseburg zukommt. Mit dem 16. Jahrhundert sind die heutigen Ortsnamensformen im Wesentlichen erreicht.

 

In der Einführung schildern die Herausgeber kurz und klar die Quellenlage. Danach weisen sie quellenkritisch zu Recht besonders darauf hin, dass unabdingbare Voraussetzungen einer zuverlässigen Inhaltsbestimmung eines Namens die Erfassung der ältesten überlieferten Schreibungen und die Untersuchung der weiteren Entwicklung sind. Besonderes Gewicht messen sie einleuchtend dem Verhältnis von gesprochenem Wort und seiner schriftlichen Festlegung bei.

 

Bei der Darstellung der historischen Schichtung und geographischen Verbreitung der Ortsnamen heben sie hervor, dass sprachliche Überreste sehr alter Gewässernamen und Gebirgsnamen recht spärlich sind, aber doch die Anwesenheit von Indogermanen erweisen. Germanisches Namensgut findet sich im ostsaalischen Raum nur in Flussnamen und wenigen anderen Namen, während eine breite weitgefächerte neue Schicht von Namen die von Osten und Südosten in die von den Germanen aufgegebenen Gebiete eindringenden Slawen begleitete. Seit dem 10. Jahrhundert entstehen zahlreiche deutsche Neusiedlungen, während  im Spätmittelalter viele ältere Kleinsiedlungen wüst werden.

 

Ausführlich gehen die Herausgeber auf die Entwicklung der Ortsnamen ein. Dabei widmen sie sich besonders dem Ansatz altsorbischer, durch Eindeutschung veränderter Grundformen und den Namen als Zeugnissen der deutschen Sprachgeschichte. Neben Namensstrukturen und Entlehnungserscheinungen arbeiten sie soziolinguistische Merkmale besonders heraus.

 

Im Namenbuch sind die fett gedruckten 5525 Stichwörter streng alphabetisch angeordnet. Jeder Artikel gliedert sich in Titelzeile (mit heute amtlichem Namen, Wüstung durch Sterbekreuz gekennzeichnet), Belege (in Auswahl), Analyse (mit Etymologie) und Literaturangaben.

 

Der dritte Band bietet eine Reihe von Registern, die zunächst der internen Befassung dienten, nunmehr aber auch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Sie betreffen etwa die Quellen, die Literatur, Termini, häufige Namensbestandteile, Mischnamen, Namenpaare, Appellativa, Personennamen, altsorbische Grundformen, Gewässernamen, Häufigkeiten, Frühnamen, Wüstungen oder Namensveränderungen und schließen auch ein mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung leicht mögliches rückläufiges Namensverzeichnis ein. Insgesamt ist damit ein vorzügliches Standardwerk für die Landesgeschichte Sachsens geschaffen, das  sich eine Reihe ebenbürtiger Geschwister  zur Vervollkommnung wünschte.

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler