Zwischen Wien und Czernowitz
Zwischen Wien und Czernowitz. Rechts- und Staatswissenschaftliche Karrierewege um 1918, hg. v. Staudigl-Ciechowicz, Kamila/Ehs, Tamara/Olechowski, Thomas (= Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 2/2014). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2015. 217-317 (= 101) S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Gegensatz zu dem bei der Ersterwähnung von Ostarrihhi im Jahre 996 genannten, in der weiteren Entwicklung unter den Babenbergern und Habsburger zu dem heutigen Österreich ziemlich bedeutungslos gebliebenen Neuhofen, bilden Wien und Czernowitz wichtige Markierungen insofern, als Wien zur österreichischen Metropole in Europa geworden ist und das 920 Kilometer entfernte Czernowitz in Galizien erkennbar macht, dass Österreich in vergangenen Zeiten weit über seinen heutigen Umfang hinausragte. Dementsprechend bildete der Rechtsraum der österreichisch-ungarischen Monarchie bis zu dem Ende des ersten Weltkriegs im Jahre 1918 die Möglichkeit weiter akademischer Karrierewege. Ihnen widmet sich der vorliegende, aus einer von der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs, dem Forum Zeitgeschichte der Universität Wien und dem Hans Kelsen-Institut gemeinsam veranstalteten Tagung im Senatssaal der Universität Wien am 24. Oktober 2013 hervorgegangene zweite Teil des vierten Jahresbands der Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs.
Am Beginn seiner insgesamt acht, Eröffnungsworten Clemens Jabloners vom Hans-Kelsen-Institut und Friedrich Stadlers vom Forum Zeitgeschichte sowie dem Vorwort der Herausgeber folgenden Beiträge bietet dabei Kamila Staudigl-Ciechowicz einen Überblick über die acht Universitäten Österreichs zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Wien, Graz, Innsbruck, Prag böhmisch, Prag deutsch, Lemberg, Krakau und Czernowitz, wobei sie ermittelt, dass in Czernowitz am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert mit 381 Studierenden nur etwa ein Zwanzigstel der gleichzeitigen Studenten Wiens immatrikuliert war. Christoph Schmetterer zeigt am Beispiel Karl Friedrich Adlers, wie man dann am erstrebten Weg von Czernowitz nach Wien scheitern kann, während Thomas Olechowski Hans Kelsens Berufungen nach Graz, Czernowitz und Wien in den Jahren 1916-1919 in den Blick nimmt. Im Hinblick auf Slowenien widmet sich Marijan Pavčnik dem rechtswissenschaftlichen Klassiker Pitamic und verbindet Tamara Ehs politische Neuordnung und akademische Migration aus der Krain über Wien nach Slowenien.
Gegenstand des Beitrags Johannes Feichtingers ist der Beginn des wissenschaftlichen Braindrains aus Österreich mit dem Jahre 1918. Thomas Keller behandelt das zwischen Politik und Wissenschaft stehende Werk des in Zwettl 1878 geborenen Volkstumskämpfers und Historikers Hans Hirsch, der 1918 nach Prag und 1926 nach Wien berufen wurde. Abgeschlossen wird der vielfältige, interessante, auf ein Sachregister verzichtende Teilband mit polnischen Richtern des alten Verwaltungsgerichtshofs Österreichs in der Gerichtsbarkeit der zweiten Republik Polen zwischen 1918 und 1939.
Innsbruck Gerhard Köbler