Cobb, Paul M., Der Kampf ums Paradies
Cobb, Paul M., Der Kampf ums Paradies – Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge, aus dem Englischen von Sailer, Michael. Philipp von Zabern, Darmstadt 2015. 428 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit der Kreuzigung des mit seiner Geburt in Bethlehem eine nachträglich zunehmend beachtete Zeitenwende einleitenden Jesus Christus aus Nazareth auf der Höhe seines Lebens in Jerusalem endete zwar sein Leben, doch gewannen die auf ihn zurückgeführten Lehren ständig neue Anhänger zunächst im römischen Reich und dann weit darüber hinaus. Allerdings eroberten die dem Propheten Mohammed und seinen religiösen Offenbarungen seit etwa 622 folgenden Araber nach einer kurzen Belagerung 637 das an Ostrom bzw. Byzanz gelangte Jerusalem, mit dem sich trotz zahlreicher innermuslimischer Auseinandersetzungen bald eine besondere religiöse Bedeutung auch für sie verband. Nach herkömmlicher westlicher Ansicht rief demgegenüber Papst Urban II. in Clermont auf Bitten des von den turkmenischen Seldschuken bedrohten Kaisers Ostroms zu einer unter dem Zeichen des christlichen Kreuzes geführten Kriegsfahrt zwecks Eroberung der christlichen Gedenkstätten in Palästina auf, in deren Gefolge im Jahre 1099 Jerusalem von den Kreuzfahrern erobert werden konnte.
Der damit verbundenen christlichen Sicht dieser und weiterer Geschehnisse stellt der 1967 in Amherst/Massachusetts geborene Verfasser bewusst eine islamische Geschichte der Kreuzzüge gegenüber. Nach dem Studium der Anthropologie in Amherst und der nahöstlichen Sprachen und Kulturen in Chicago sowie Kairo wurde er im Jahre 2001 mit einer Arbeit über White Banners – Contention in Abbasid Syria (750-880) in Chicago in islamischer Geschichte promoviert. Im Anschluss hieran wandte er sich in weiteren Werken vor allem den Verhältnissen zwischen Moslems und Christen auf der Grundlage der islamischen Quellen zu, auf denen die vorliegende Untersuchung des derzeit als Professor für islamische Studien an der University of Pennsylvania tätigen Autors über The Race for Paradise (2014) aufbaut.
Sie beginnt bewusst nicht mit dem Jahre 1095, sondern deutlich früher mit dem Eindringen der Normannen in das muslimische Sizilien. In neun überwiegend blumig betitelten Kapiteln über das Haus des Krieges und das Haus des Islams, Weit über das Meer, Opfer des Schwerts, gegen die Feinde Gottes, Sie sollen unsere Macht spüren, Saladin, Aus jedem tiefen Tal, Wölfe und Löwen sowie Lasst sie unser Loblied singen führt er kenntnisreich und detailliert den Leser vom elften Jahrhundert bis zu den begrabenen Reitern durch das Mittelalter, wobei es beispielsweise für ihn typisch ist für den Wirrwarr der Loyalitäten und Motive während der frühen Jahre, dass beide Seiten den Sieg für sich reklamierten. Insgesamt kann und will zwar das um übersichtliche Karten, anschauliche Bilder und einen Anhang mit einer Anmerkung zu Namen, die (mehr als 100) wichtigsten Persönlichkeiten und Dynastien, einen bibliografischen Überblick, nachgestellte Anmerkungen und einen Index von Abaq, Nur al-Din bis Zypern benutzerfreundlich abgerundete Werk das allgemeine Wissen um das Ergebnis, dass die Christen das 1099 eroberte Jerusalem in der Folge gegenüber den Moslems nicht halten, sondern in sechs weiteren Kreuzzügen nur die islamische Rückgewinnung verzögern konnten, nicht grundsätzlich ändern, aber doch den Blick auf das Gesamtgeschehen aus islamischer Sicht erheblich erweitern und objektivieren.
Innsbruck Gerhard Köbler