Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867. 2. Abteilung Das Ministerium Schwarzenberg. Bd. 5 4. Juni 1851-5. April 1852

, hg. v. Kletečka, Thomas/Schmied-Kowarzik, Anatol. Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2013. LXX, 739 S. Besprochen von Karsten Ruppert.

Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867. 2. Abteilung Das Ministerium Schwarzenberg. Bd. 5 4. Juni 1851-5. April 1852, hg. v. Kletečka, Thomas/Schmied-Kowarzik, Anatol. Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2013. LXX, 739 S. Besprochen von Karsten Ruppert.

 

Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867. II. Abteilung: Das Ministerium Schwarzenberg. Bd. 5: 4. Juni 1851 - 5. April 1852, bearb. v. Thomas Kletečka und Anatol Schmied-Kowarzik. Wien, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2013. LXX, 739 S.

 

Der anzuzeigende 5. Band ist der letzte mit den Protokollen des Ministeriums von Felix Fürst Schwarzenberg. Er hat noch am 5. April 1852, dem Tag, an dem er einem Schlaganfall erlag, die Sitzung geleitet. Die Sammlung dokumentiert einen außerordentlich folgenreichen Abschnitt der österreichischen Geschichte: den Übergang von der oktroyierten Verfassung vom März 1849 zu dem für die Habsburgermonarchie des gesamten Jahrhunderts so kennzeichnenden „Neoabsolutismus“. Treibende Kraft auf diesem Weg war der Präsident des „Reichsrates“ Karl Friedrich von Kübeck zu Kübau, ein aufgestiegener und 1825 nobilitierter Verwaltungsjurist, der mit den österreichischen Staatsangelegenheiten seit Jahrzehnten bestens vertraut war. Schon der 1851 eingeführte „Reichsrat“ war von ihm als erste Station zur Stärkung des Monarchen konzipiert worden. Er hatte bei seinem Vorgehen die volle Rückendeckung des jungen Kaisers Franz Joseph, der seit Dezember 1848 im Amt war. Dieser zögerte freilich aus Loyalität gegenüber den von ihm geschätzten Ministerpräsidenten, dem es zu verdanken war, dass die Monarchie den Weg aus der Revolution gefunden hatte. Denn Kübecks Vorschläge sahen unter anderem vor, dem Ministerrat von einem dem Kaiser verantwortlichen, die Richtlinien der Politik bestimmenden Organ zu einem Vollzugsorgan von dessen Willen zu machen.

 

Die Sorge war unbegründet. In der Sitzung des Ministerrats am 17. August 1851, dessen Bedeutung durch den Vorsitz des Kaisers unterstrichen wurde, stimmte jener seiner Selbstentmachtung zu. Zwar haben einige Minister rechtliche und moralische Bedenken erhoben, Schwarzenberg aber nicht. Er war schon außerhalb dieses Gremiums in Vorbesprechungen eingeweiht worden. Warum die Aufzeichnungen darüber nicht abgedruckt wurden, obwohl auch solche, die nicht dem Ministerrat entsprangen, sich im Anhang finden, bleibt rätselhaft. Auf jeden Fall hatte sich Österreich in diesen denkwürdigen Tagen nicht nur, wie Kübeck meinte, von dem „sogenannten englisch-französischen konstitutionellen Prinzip“ verabschiedet, sondern die Distanz zur mittel- und westeuropäischen Entwicklung vertieft. Obwohl damit - und auch das zeigen die Protokolle - Modernisierungen in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Handel und Sozialwesen einhergingen, drifteten politisches System und Gesellschaft immer weiter auseinander. Der österreichische Sonderweg durch den Rest des 19. Jahrhunderts war eröffnet.

 

Dieser wurde noch dadurch befestigt, dass der junge Kaiser entschlossen war, ebenfalls die oktroyierte Verfassung vom März 1849 aufzuheben. Auch dabei schritt der Reichsrat unter Kübeck voran. Der Ministerrat versuchte, Teile der Verfassung zu erhalten - doch je länger, je weniger, so dass sie an Sylvester 1851 aufgehoben wurde. Damit fielen auch die Grundrechte, da sie „mit einem geregelten Zustand des Reiches, besonders unter den gegenwärtigen Verhältnissen, nicht vereinbar seien“ (29. 12. 1851, S. 455). Auch dieses Ringen spiegeln die Protokolle des Ministerrats und insbesondere die im Anhang abgedruckten Sitzungsprotokolle eines gemeinsamen Ausschusses aus diesem und dem Reichsrat. Ein gewichtiger Band also, der sowohl das Verständnis des ab 1852 geltenden Systems auf der Grundlage der „Grundsätze für organische Einrichtungen“ fördert als auch Aufschluss über die damit verfolgten Intentionen gibt.

 

Eng mit dem Staatsumbau zusammen hängt die Neuorganisation der Bezirksämter und Statthaltereien. Darüber hinaus gibt der Band noch Aufschluss über die Reformen der Strafprozessordnung, des Forst- und Patentgesetzes. Weitere Themen der Sitzungen des Ministerrats sind Etat- und Finanzfragen, die Begnadigung von Revolutionären, Besetzung höherer Stellen der Staatsverwaltung sowie Hilfsmaßnahmen zur Linderung von Kartoffel- und Getreidemissernten 1851.

 

Der Band wird durch eine gediegene Einleitung der beiden Bearbeiter eröffnet. Es folgt dann zwar eine ausführliche Bibliographie, doch - für eine Edition schon etwas befremdlich - kein eingehenderes Verzeichnis der verwendeten Archivalien. Die Erläuterung von teils recht veralteten Ausdrücken ist ebenso hilfreich wie die chronologische Übersicht über die Protokolle und deren Beilagen. Die den Niederschriften der Sitzungen vorangestellten Regesten erleichtern die Orientierung in den teils langen Dokumenten. Die Anmerkungen zu diesen beschränken sich auf Querverweise oder den Nachweis erwähnter Archivalien. Das ist sicherlich ebenso ein Manko wie das Register, das die einzelnen Lemmata nicht näher erläutert und auch nicht allzu sehr differenziert.

 

Eichstätt                                                                                Karsten Ruppert