Hagner, Udo Manfred, Zwischen Heimbürge und Schultheiß, Hegemal und Instruction
Hagner, Udo Manfred, Zwischen Heimbürge und Schultheiß, Hegemal und Instruction. Die Dorfgemeinde und ihre Verfassung im Territorium der Fürstentümer Reuß bis zum Erlass der Gemeindeordnungen von 1850 (Reuß j. L.) bzw. 1871 (Reuß ä. L.). Beier & Beran Archäologische Fachliteratur, Langenweissbach 2014. V, 462 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Reuß ist die nach dem um 1292 gestorbenen Henricus Ruthenus oder Heinrich Reuß benannte Grafschaft im Heiligen Römischen Reich die nach dem Zwischenspiel des Deutschen Bundes am 1. Mai 1920 in dem neu gebildeten Land Thüringen aufgeht. Heimbürge und Schultheiß sind seit dem Mittelalter Bezeichnungen für Träger meist dörflicher Gemeindeämter. Eine eigene Untersuchung über Heimbürge und Schultheiß in Reuß fehlte bisher.
Die damit verbundene Fragestellung beschäftigte den Autor nach seinem kurzen Vorwort auf Grund genealogischer Interessen seit mehr als 30 Jahren. Ausgehend von seinem ersten rechtswissenschaftlichen Studiensemester in Halle-Wittenberg bei Rolf Lieberwirth im Jahre 1982 hat er sie über eine einschlägige Jahresarbeit, die rechtshistorische Diplomarbeit des Jahres 1986 und viele weitere Veröffentlichungen bis zu der schließlich von Gerhard Lingelbach erfolgreich betreuten und in Jena am 6. März 2014 verteidigten Dissertation verfolgt. Gegliedert ist das schließliche Ergebnis nach einer kurzen Einleitung in vier Sachkapitel über die historische Entwicklung der reußischen Territorien, die Dorfgemeinde als Institution, die Dorfgerichtspersonen und Wechselwirkungen der bäuerlichen Gemeinderverfassung (!), an die erfreulicherweise ausführliche Nachweise, Anlagen und Register angeschlossen sind.
Im Ergebnis seiner umfangreichen sorgfältigen Suche geht der Verfasser davon aus, dass das reußische, ursprünglich von Slawen besiedelte Gebiet im 12. und 13. Jahrhundert von Thüringern, Flamen, Franken und Bayern ausgebaut wurde. Dementsprechend ordnet er Heimbürgen den Thüringern, Vierer den Franken und Schulzen den Flamen zu. Für die spätere Zeit spürt er unter Verwendung zahlreicher Archivalien vielfältige Quellen (darunter viele Dorfordnungen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts) auf, während er ein Bedürfnis nach einer allgemeinen Landgemeindeordnung für die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend stabilen Dorfgemeinden vor dem 19. Jahrhundert nicht erkennen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler