Strauch, Dieter, Mittelalterliches nordisches Recht
Strauch, Dieter, Mittelalterliches nordisches Recht. Eine Quellenkunde, 2. Aufl. (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde 97). De Gruyter, Berlin 2016. XXXIX, 912 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Das nordische Recht, dessen räumlicher Bereich sich nach dem Vorwort des Verfassers im Norden von Grönland und Irland über Island, die Inseln der Hebriden mit Man, die Faröer, Shetlands und Orkneys, Norwegen, England, die Normandie, Dänemark, Schweden und Finnland bis Russland (Altladoga, Nowgorod, Smolensk und Kiew) erstreckt gehört seit langem ganz lose zu den Randbereichen der deutschen Rechtsgeschichte. Dementsprechend hat es unter deren Vertretern immer wieder besondere Sachkenner der nordischen Rechtsgeschichte gegeben. An ihrer Spitze steht derzeit Dieter Strauch in Köln, der 1933 in Brandenburg an der Havel geboren wurde, 1959 bei Ernst von Hippel über Recht, Gesetz und Staat bei Friedrich Carl von Savigny promoviert und sich 1972 über mehrheitlichen Rechtsersatz habilitierte, nachdem er 1971 das nordische Recht erstmals in der Form des Ostgötenrechts bearbeitet hatte.
Nach zahlreichen vielfältigen Untersuchungen über ganz unterschiedliche Sachgegenstände veröffentlichte er 2010 ein opus magnum über das mit ihnen wandernde Recht der Nordmänner, das zwar jeweils besonders ausgeformt war, sich jedoch in den Grundzügen gleich und je nach den Verhältnissen weiterentwickelte. Ihre Begegnung mit dem Christentum und ihre Christianisierung verwandelten nicht nur ihr Leben und ihr Selbstverständnis, sondern veränderten auch ihr Recht. Es stand nunmehr neben dem mittelalterlichen lombardischen, kanonischen und römischen Recht und musste Überkommenes an Neuem messen.
Dieter Strauch meisterte die riesige, ihm im Rahmen des umfassenden Reallexikons der germanischen Altertumskunde gestellte Aufgabe einer Quellenkunde des mittelalterlichen nordischen Rechts bis ca, 1500 in souveräner Weise. Sein Ergebnis stieß auf allergrößtes internationales Interesse der gesamten rechtsgeschichtlichen Forschung. Nur so lässt es sich erklären, dass der gewichtige Band der ersten Auflage bereits nach etwa vier Jahren vergriffen war. Dementsprechend erwies sich eine Neuauflage als erforderlich, in die der zwischenzeitliche Fortschritt elegant zeitnah eingearbeitet werden konnte.
Nach dem kurzen Vorwort dieser zweiten Auflage konnte der Text völlig überarbeitet werden und ließen sich die Literaturnachweise vermehren. Erhebliche Veränderungen ergaben sich bei Jyske Lov, in dem älteren Västgötalag und in dem jüngeren Västgötalag sowie im schwedischen Landslag. Die Bedeutung von Reim und Vers blieb ebenso in der Diskussion wie bei dem umstrittenen Datum des Forsarings die literarischen Beiträge darzustellen waren.
Die Neuerung des kanonischen Rechtes in Norwegen musste ebenso wie das Gewicht des crimen laesae maiestatis in Schweden breiter dargestellt werden. Neu sind die Ausführungen über die Runensteine als Rechtsquellen, die Eroberungen der Dänen und Schweden in Estland und im übrigen Baltikum einschließlich ihrer Verwaltung. Daneben waren neue Forschungen zu Schreibern und zur Genese von Yngre Västgötalagen aufzunehmen und waren die Rolle der kirchlichen Landbücher Norwegens, der Begriff „Folklande“ im Uppland und der Einfluss der Chassaren in Russland auf die Herrschaft der Waräger sorgfältig zu bedenken.
Insgesamt hat sich durch diese vielen Einarbeitungen der Umfang des Gesamtwerks deutlich erhöht. Die der Einleitung folgende Gliederung in geographisch geordnete Kapitel konnte beibehalten werden. Dementsprechend werden nacheinander Norwegen (mit Färöer, Orkneys, Shetlands, Hebriden, Man und Irland), Island und Grönland, Dänemark, Normandie, Schweden, Finnland und das skandinavische Recht in Russland behandelt, ehe Quellen und Literatur sowie Register den mit 26 anschaulichen Karten bereicherten Band abschließen.
Mit dieser Leistung hat Dieter Strauch die Quellenkunde des mittelalterlichen nordischen Rechtes umfassend auf den aktuellen Stand gebracht. Dafür hat ihm die gesamte Rechtsgeschichte sehr zu danken. Möge es ihm beschieden sein, sein Werk noch lange zu betreuen und auf optimalem wissenschaftlichem Stand zu halten.
Innsbruck Gerhard Köbler