Recht auf Wahrheit
Recht auf Wahrheit. Zur Genese eines neuen Menschenrechts, hg. v. Brunner, José/Stahl, Daniel. Wallstein, Göttingen 2016. 208 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Trotz Vorläufern in Altertum und Mittelalter werden dem Menschen als solche (gegenüber dem Staate) zustehende angeborene, unveräußerliche und unantastbare Rechte allgemein erst in der Neuzeit anerkannt. Hierfür dürfte in erster Linie die den Absolutismus ablehnende Aufklärung zusammen mit der Erweiterung des Weltbilds ursächlich sein. Dementsprechend werden 1776 fundamentale Rechte in die amerikanische, von James Mason (1725-1792) entworfene Virginia Bill of Rights aufgenommen und in Frankreich 1789 allgemeine Menschenrechte wie Freiheit, Gleichheit und Weltbürgertum proklamiert.
Auf dieser Grundlage wurde in Paris in dem Palais de Chaillot am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen eine (noch) nicht verbindliche allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit 30 Artikeln beschlossen und am 4. 11. 1950 von den Mitgliedstaaten des Europarats eine Europäische Konvention der Menschenrechte, die nach Ratifizierung seitens zehner Mitgliedstaaten am 3. 9. 1953 in Kraft trat. Damit wurde zwar eine wichtige Grundlage gelegt, die Entwicklung aber nicht abgeschlossen. Seitdem Óscar Arnulfo Romero, Erzbischof von San Salvador, in einer Krankenhauskapelle San Salvadors von einer Fuerza Armada de El Salvador erschossen wurde, begann eine Kampagne für das Recht auf Wahrheit über schwere Menschenrechtsverletzungen, in deren Rahmen die Vereinten Nationen 2010 den 24. März zum internationalen Tag für das Recht über schwere Menschenrechtsverletzungen bestimmten.
Diesem neuen Menschenrecht widmet sich der vorliegende Sammelband, der den Anfang der vom Arbeitskreis Menschenrechte herausgegebenen Schriftenreihe Menschenrechte im 20. Jahrhundert bildet. Rechtswissenschaftler, Historiker, Psychologen, Friedensforscher und Konfliktforscher betrachten die Entwicklung und Bedeutung aus ihren jeweiligen Perspektiven, wobei neben Südamerika etwa auch Südafrika oder Ostmitteleuropa untersucht werden. Ein Namensregister schließt den vielseitigen Band, dessen Inhalt entbehrlich wäre, wenn der Mensch sich nur menschenfreundlich verhalten würde, hilfreich auf.
Innsbruck Gerhard Köbler