Museen im Nationalsozialismus
Museen im Nationalsozialismus – Akteure – Orte – Politik, hg. v. Baensch, Tanja/Kratz-Kessemeier/Wimmer, Dorothee. Böhlau, Köln 2016. 411 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Museum als ursprüngliches Heiligtum der griechischen Schutzgöttingen der Künste und Wissenschaften wird bereits in der ausgehenden griechischen Antike die Sammlung kulturell interessanter Gegenstände, die in der Neuzeit wieder aufgegriffen wird. Seine Aufgabe ist die sachgerechte Aufbewahrung, Erforschung und öffentliche Zugänglichmachung von Vergangenheit bis hin zu der jeweiligen Gegenwart. Nicht vorrangiges Ziel des Museums ist damit die Beeinflussung der allgemeinen Politik, doch kann die Politik stets auch das Museum für die Verwirklichung ihrer Ziele instrumentalisieren.
Mit dieser Thematik in der Zeit des Nationalsozialismus befasst sich der vorliegende, aus einer internationalen Tagung der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte und des Deutschen Historischen Museums in Berlin im Juni 2013 hervorgegangene, bereits für 2014 angekündigte, in den Veröffentlichungen der in Berlin 1994 gegründeten Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e. V. erschienene, auf dem Umschlag mit Bildern der Ausstellung „Der Kampf der NSDAP“ im Kunstpalast Düsseldorfs im Mai 1934 geschmückte gewichtige Sammelband. Nach einer sachkundigen Einleitung Tanja Baensch enthält er 20 Einzelstudien aus rund 100 Angeboten, die in fünf Gruppen zusammengefasst sind. Sie betreffen die Museumspolitik, Akteure im Museum, Ausstellung, Propaganda, Publikum, Kunst und Ideologie sowie Symbolorte.
In der Museumspolitik setzt sich zwar der Deutsche Museumsbund im Nationalsozialismus für die Erkämpfung einer neuen Museumskultur ein, doch bleibt der Protest gegen die nationalsozialistische Museumspolitik auf einer von dem Reichserziehungsministerium veranstalteten ersten Tagung deutscher Museumsdirektoren in Berlin im November 1937 gegen die nationalsozialistische Steuerung beschränkt. Anschließende Einzelbeispiele betreffen etwa Berlin, Lüneburg, Wien, Krakau, Würzburg, Breslau, Zagreb, Weimar, Detmold oder Carnac und Vannes während der deutschen Besetzung der Bretagne von 1940 bis 1944. Als besonders bedeutsame Sachgegenstände werden vor allem das Verhältnis des Nationalsozialismus zur Modernität, die „freiwilligen“ Abgaben moderner Kunst durch deutsche Museen nach 1933, die Schließung bestehender und die Eröffnung neuer Museen sowie die Diskriminierung des von dem Nationalsozialismus Abgelehnten behandelt und durch umfangreiche Verzeichnisse aufgeschlossen, wodurch insgesamt ein vorläufiges vielfältiges weiterführendes Mosaik von den Museen im Nationalsozialismus zwischen Instrumentalisierung und Freiraum sowie zwischen Anpassung und Ablehnung geboten wird.
Innsbruck Gerhard Köbler