Ludes, Sebastian, Die Reichsnotariatsordnung

- Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Notariat - unter besonderer Berücksichtigung der Osnabrücker Notariatsinstrumente. Kovač, Hamburg 2016. XXXVII, 177 S. Besprochen von Werner Schubert.

Ludes, Sebastian, Die Reichsnotariatsordnung - Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Notariat - unter besonderer Berücksichtigung der Osnabrücker Notariatsinstrumente. Kovač, Hamburg 2016. XXXVII, 177 S.  Besprochen von Werner Schubert.

 

In Teil 1 seiner Untersuchungen beschäftigt sich Ludes mit den „Faktoren, die für die Etablierung, Entwicklung und Ausbreitung des Notariats europaweit und speziell im deutschen Herrschaftsgebiet eine Rolle gespielt haben“ (S. 2). Zunächst stellt Ludes die Entwicklung und Stellung des Notariats vor 1512 dar (S. 11-65). Herausgearbeitet werden die Vorläufer des Notariats im römischen Recht, die Ernennungen kaiserlicher und päpstlicher Notare, die entweder durch Hofpfalzgrafen oder den Papst erfolgten, die verzögerte Übernahme des Notariats in Deutschland bis zum 15. Jahrhundert, der öffentliche Glaube (deutscher) Notariatsinstrumente und die Probleme des Notariats im Spätmittelalter. Dieser Teil der Untersuchungen ist eine kompakte und kritische Darstellung der bisherigen Forschungen zum mittelalterlichen Notariat. Insgesamt hätte vielleicht noch etwas ausführlicher die Entwicklung des Notariats in den italienischen Städten herausgestellt werden sollen (vgl. S. 63f.). Wichtig ist die Feststellung, dass das Notariat in Deutschland bis zum 15. Jahrhundert vornehmlich von apostolischen Notaren wahrgenommen wurde. Wichtig ist auch der Hinweis, dass während des Mittelalters die Siegelurkunde der „beherrschende Urkundentyp in Deutschland“ war (S. 39). S. 32 geht Ludes den Gründen nach, weshalb sich in Deutschland keine Notariatskorporationen wie in Italien herausgebildet haben.

 

Im folgenden Abschnitt beschäftigt sich Ludes mit der Entstehung und dem Inhalt der Reichsnotariatsordnung (RNotO) von 1512 (S. 67-108). Nach einer Erläuterung der allgemeinen Bestimmungen der Reichsnotariatsordnung (Person des Notars, Formvorschriften, Protokollpflicht) stellt Ludes fest, dass die Reichsnotariatsordnung keine „in sich geschlossene Ordnung des Notariatswesens in den Kernpunkten der Ausbildung, Prüfung und des Ernennungsverfahrens sowie der Amtsausführung“ erkennen lässt (S. 93). Nach Ludes brachte die Reichsnotariatsordnung zwar eine „lückenhafte Regelung und fragwürdige Schwerpunktsetzung“ (S. 99), war jedoch „weniger misslungen“, da sie „das unter damaligen staatspolitischen Machtverhältnissen Machbare“ widerspiegele, „ohne dass die unmittelbare Gefahr bestand, dass eine Verdrängung des Reichsgesetzes durch das Partikularrecht stattfand“ (S. 102).

 

Im dritten Teil seiner Untersuchungen wendet sich Ludes der Entwicklung des Notariatswesens im Hochstift Osnabrück zu. Es werden zunächst behandelt die bischöfliche Landesherrschaft und die Gerichtsorganisation im Hochstift Osnabrück (S. 109ff., 123ff.). Im Abschnitt über das Notariat in Osnabrück (S. 131ff.) geht Ludes nicht auf die Zeit vor Erlass der Reichsnotariatsordnung ein. Bischof Franz Wilhelm erließ 1656 eine Ausführungsverordnung, in der festgesetzt wurde, dass sämtliche Notare, die „nach fürstlicher Erlaubnis an der Landeskanzlei beeidet und immatrikuliert wurden, von der Kanzlei einen sogenannten ‚Receptionsschein‘ erhalten sollten“ (S. 137). Mit der Registrierung und der Kontrolle der Legitimierung einzelner Notare habe die Verordnung von 1656 ein „durchdachtes System“ geschaffen, „mit welchem man wenigstens diejenigen Notare aussondern konnte, welche sich auf gar keine Legitimation berufen konnten“ (S. 139). Gerne hätte man noch mehr darüber gelesen, wie das Inskriptionsregister gehandhabt wurde und wie die Qualifikation der Notare im Einzelnen überprüft wurde. Nichts gesagt ist darüber, ob die Notare mit eventuellen Stadtschreibern von Osnabrück konkurrierten, wie es bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in Hannover der Fall war (vgl. Tobias Roeder, Das Notariat, sein Recht und seine Geschichte im „Land Hannover“, Göttingen 2015, S. 88ff.). Zum Schluss untersucht Ludes Notariatsinstrumente vornehmlich aus dem beginnenden 17. Jahrhundert daraufhin, ob diese den formalrechtlichen Anforderungen der damaligen Zeit genügten (S. 140ff.). Analysiert werden Urkunden über einen Testamentswiderruf, die Versteigerung eines Hausanteils und über eine Parition sowie Urkunden über Appellationen und Insinuationen. Die analysierten Urkunden werden im Anhang als zum Teil stark verkleinertes Simile wiedergegeben. Die Analyse der Notariatsurkunden ergibt, dass die „allermeisten Instrumente der Form und dem Aufbau nach“ nicht zu beanstanden sind, so dass die Klagen des Osnabrücker Kanzleidirektors Glontz im Jahre 1717, die Urkunden wiesen „mangelnde sprachliche Fähigkeiten der Juristen und ungenügendes Fachwissen“ auf (S. 156), relativ werden müssten. Abschließend stellt Ludes fest, die Untersuchung der Urkunden habe bestätigt, dass die Reichsnotariatsordnung in Osnabrück „die Basis für das Notariat“ dargestellt habe (S. 156). Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf das Notariat auf „europäischer Ebene“ (S. 159ff.).

 

Mit dem Werk von Ludes liegt ein lesenswerter zusammenfassender Überblick über das Notariat in Deutschland zum Erlass der Reichsnotariatsordnung vor, wozu immer noch eine neue Gesamtdarstellung fehlt, welche die bisherigen vielfältigen Forschungsergebnisse zusammenfasst und weiterführt. Insgesamt hätte die Darstellung von Ludes noch detaillierter auf die Entwicklung des Notariats in Osnabrück eingehen sollen. Vor dem Ausblick auf das europäische Notariat vermisst der Leser einen Überblick über die Entwicklung des Notariats in Osnabrück insbesondere in der napoleonischen Zeit und unter dem Königreich Hannover bis 1850. Alles in allem hat Ludes mit seinen Untersuchungen aber die Grundlagen für eine Geschichte des Notariats im Hochstift Osnabrück geschaffen, auf denen weitere Detailforschungen aufbauen können.

 

Kiel

Werner Schubert