Kaiser, Reich und Reichsstadt

in der Interaktion. Dritte Tagung des Mühlhäuser Arbeitskreises für Reichsstadtgeschichte Mühlhausen 16. bis 18. Februar 2015., hg. v. Lau, Thomas/Wittmann, Helge (= Studien zur Reichsstadtgeschichte Band 3). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2016. 327 S., 75 Farbabb., 5 S/W-Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

Kaiser, Reich und Reichsstadt in der Interaktion. Dritte Tagung des Mühlhäuser Arbeitskreises für Reichsstadtgeschichte Mühlhausen 16. bis 18. Februar 2015., hg. v. Lau, Thomas/Wittmann, Helge (= Studien zur Reichsstadtgeschichte Band 3). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2016. 327 S., 75 Farbabb., 5 S/W-Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Im dritten Jahr in Folge konnte der Mühlhäuser Arbeitskreis für Reichsstadtgeschichte mit der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung die Vorträge, diesmal der Tagung 2015, im Druck vorlegen. Hatte Helge Wittmann die ersten beiden Bände als Herausgeber verantwortet, so ist ihm nun Thomas Lau (Freiburg/CH) zur Seite getreten. Der Namenwechsel des Arbeitskreises trägt der engen Verbindung zu Mühlhausen Rechnung, inhaltlich hat er nach Angaben der Herausgeber keine Auswirkungen auf die Arbeit. Das übergreifende Thema der Tagung behandelt das Verhältnis zwischen Kaiser, Reich und Reichsstadt vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, ohne sich dabei an Zäsuren, etwa vom Mittelalter zur Neuzeit, zu binden. Die Beiträge können, gerade zur Bedeutung des Kaisers als oberstem Gerichtsherrn im Reich, von den Forschungen der letzten Jahrzehnte zu Reichshofrat und Reichskammergericht profitieren und in einzelnen Aspekten die Ergebnisse lokal aktualisieren. Thomas Lau zeigt in seiner Einleitung (S. 7-12) einige der Faktoren auf, die für äußeren Einflüsse auf eine Reichsstadt Bedeutung erlangten. Mathias Kälble (Dresden) schildert in ‚Stadt, Adel und Reich – Städtische Bündnispolitik in Thüringen bis zu den Anfängen des Dreistädtebundes (1304/06)‘ (S. 13-40) ausgehend vom Rheinischen Städtebund Bestrebungen von Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen zu einer engeren Bindung. Seit den Streitigkeiten zwischen dem Haus Brabant und den Wettinern kam der städtischen Bündnispolitik gegen Angriffe der Landgrafen eine große Bedeutung zu. Hartmut Semmler (Friedrichshafen) erweist in ‚Städtebünde als Selbstbehauptungsstrategie – Die Bodenseestädte Buchhorn und Überlingen im 14. und 15. Jahrhundert‘ (S. 41-59) wie der Bund der Bodenseestädte als regionale Einung seinen Einfluss zwischen Schwäbischem Städtebund und der Eidgenossenschaft geltend machte. Gerade im Konflikt mit dem Bischof von Konstanz war das gute Verhältnis zur Eidgenossenschaft bedeutsam. Wolfgang Wüst (Erlangen/Nürnberg) stellt in ‚Reichstage und Reichsstädte – Netzwerke in Süddeutschland im ausgehenden Mittelalter und in beginnender Neuzeit‘ (S. 61-84) dar, wie im Laufe der Jahre die Präsenz des Kaisers in den Reichsstädten seltener wurde und die Reichstage für die Städte immer größeren Belastungen bedeuteten, so dass sie schließlich nur noch in wenigen Reichsstädten abgehalten wurden. Besonders am Beispiel Augsburgs, Nürnbergs und Regensburgs zeigt sich, dass ein immer kleiner werdender Kreis von Reichstädten Gewicht hatten. ‚Erfurt und das Reich bis zum Ende des 13. Jahrhundert‘ (S. 85-126) ist für Matthias Werner (Leipzig) Anlass die besondere Situation dieser wichtigen Stadt in ihrem Verhältnis zum Reich darzustellen. Erfurt wurde zu keinem Zeitpunkt eine Reichsstadt; als königlicher Ort war sie seit den Franken und Ottonen ein zentraler Ort Thüringens. Die Stellung als Sitz eines Bischofs bewirkte zwar im Reich Einfluss, jedoch gelang es zu keiner Zeit sich unmittelbar dem Kaiser untertan zu machen. Im Rahmen eines Dissertationsvorhabens an der Universität Kassel behandelt Evelien Timpener (Gießen) ‚Reichsstadt, Städtebund und Reich – Augsburg auf der Suche nach politischer Unterstützung bei regionalen Konflikten‘ (S. 127-146). Detailreich werden die regionalen Konflikte (Lechkonflikte) mit dem Bischof und den bayerischen Herzögen geschildert, in denen die Stadt Augsburg Wege zu pragmatischen und kostengünstigen Lösungen suchte. Anna Ziemlewska (Wien) beschreibt in ‚Riga und das römische Reich nach Auflösung der  livländischen Konföderation‘ (S. 147-156) den Versuch der Stadt Riga, im 16. Jahrhundert den Status einer Reichsstadt zu erlangen. Die Darstellung durch Thomas Schilp (Dortmund) ‚Königliches Privileg gegen reichsstädtische Autonomie? Überlegungen zu den Wirren um das Privileg Kaiser Ludwigs IV. für Dortmund 1332‘ (S. 157-180) gilt dem letztlich vergeblichen Versuch des Kaisers in die inneren Verhältnisse Dortmunds einzugreifen. Das Vorgehen Dortmunds, durch Fälschung des Privilegs den Status seiner Verfassung umzugestalten, führte in gleicher Weise nicht zum erstrebten Ziel. Christoph Folkens (Hannover) wirft in ‚Städtische Gesandte als Akteure im Spannungsfeld zwischen Reichsstadt, Reich und Königtum – Das Beispiel des Frankfurter Gesandten Walter von Schwarzenberg‘ (S. 181-206) einen Blick auf die Verhandlungen zwischen Reich und Reichsstadt um Zahlungen für Judenschutz und Teilnahme an einem Zug gegen die Hussiten und die Armagnaken. Schwarzenbergs Bemühungen um Streitschlichtung mit Friedberg und Hanau und ihre Verbindung mit Zahlungen, die das Reich forderte, werden in diesem Zusammenhang beleuchtet. Für seinen Einsatz für Frankfurt spricht, dass er an 20 der 27 Privilegien, die für Frankfurt zwischen 1417 und 1447 ausgestellt wurden, beteiligt war. Ulrich Hausmann (Mainz) stützt sich bei ‚Sie gehorchen dem Kaiser, wenn es ihnen beliebt‘ – Zum Verhältnis zwischen Reichsoberhaupt und Reichsstädten anhand von Untertanensuppliken am Reichshofrat im späten 16. Jahrhundert‘ (S. 207-234) auf Arbeiten seines Dissertationsprojekts. Der Kaiser war zwar kein „absoluter“ Herr der Reichsstädte, er konnte aber von Fall zu Fall seine Ansprüche auf Oberhoheit durchsetzen. Inwieweit eine erfolgreiche Vermittlung in einem innerstädtischen Konflikt oder eine mindestens teilweise Entschuldung durch eine kaiserliche Debitkommission als Erfolg des Kaisers gewertet wurde, trug dazu bei, seinen oberherrlichen Anspruch auf die jeweilige Stadt zu manifestieren. André Krischer (Münster) macht in ‚Gevatter Stadt – Patenschaften als politische Praxis in den reichsstädtischen Außenbeziehungen‘ (S. 235-252) aufmerksam auf eine Praxis, die ab dem späten 16. Jahrhundert in den Beziehungen von Reichsstädten aber auch anderen Städten, die den reichsunmittelbaren Status anstrebten, zu beobachten sind. Der Verfasser wählt zur Illustration seiner Argumente Beispiele der Städte Aachen, Braunschweig und Frankfurt. Verständlich ist es dabei, dass Städte versuchten, durch ihre Patengaben andere Paten zu übertreffen. In Thomas Laus (Freiburg/CH) ‚Fehlsteuerung – Der Reichshofrat und die  Mühlhäuser Unruhen in den Jahren 1731 bis 1733‘ (S. 253-274) werden anhand sorgfältiger Archivstudien die Reaktionen des Reichshofrates auf die Mühlhäuser Unruhen geschildert. Der Reichshofrat suchte die handlungsleitenden Schlüsse vergeblich in der Stadt umzusetzen. Hierbei stand der Reichshofrat vor dem Problem, eine reichsstädtische Kommune zu destabilisieren. Bei diesem Problem zeigte sich die entfernungsbedingte Hilflosigkeit des Gerichts in Wien bei der Umsetzung seiner Informationen in politisches Handeln. Axel Gotthard (Erlangen/Nürnberg) zeigt in ‚die Mediatisierung der Reichsstädte‘ (S. 275-306) die verschiedenen Abläufe auf, die letztlich zur Mediatisierung führten. Das Thema ist indes so vielschichtig, dass es wert ist, in einer eigenen Tagung behandelt zu werden. Die Interessen der Bewohner der Reichsstädte waren so unterschiedlich, dass nur Detailstudien das Verhältnis zum jeweiligen Umland klären können. Die Interessenlagen gegenüber Bayern, Württemberg oder Preußen waren so verschieden, dass ein gemeinsames Ziel wohl nicht auszumachen ist. Der Verfasser macht deutlich, wie sich innerhalb der Historikerzunft die Frühneuzeithistoriker als eigene Interessenvertretung der Probleme der Mediatisierung annehmen, ohne dass auch nur in Ansätzen gemeinsame Sichtweisen erkennbar werden. Matthias Schnettger (Mainz) resümiert in ‚Kaiser, Reich und Reichsstadt – eine Rückschau‘ die Tagung. In schon gewohnter Qualität schließen Ortsregister und Personenregister und der Überblick über die Autorinnen und Autoren den gelungenen Band ab. Bei dem im Personenregister genannten Elsässer Bacher handelt es sich um Théobald Jacques (Jakob) Justin (Justinus) Bacher (1748-1813). Der hannoversche Delegierte Baring ist Daniel Eberhard Baring (1690-1753).

 

Neu-Ulm                                                                                            Ulrich-Dieter Oppitz