Bräunig, Christoph, Herbert Dorn (1887-1957)
Bräunig, Christoph, Herbert Dorn (1887-1957). Pionier und Wegbereiter im internationalen Steuerrecht (= Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 90). Mohr Siebeck, Tübingen 2016. XVI, 392 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Im Laufe seiner Geschichte hat der Mensch die Steuer als eine Möglichkeit entdeckt, mit deren Hilfe er auf Einkünfte und Vermögen der Mitmenschen grundsätzlich ohne Einsatz körperlicher Gewalt oder Wegnahme zur Erreichung von Zielen zugreifen kann. Da ohne diese Steuer kein Staat die von ihm gewünschten Mittel zur Verfügung hätte, hat sich die Besteuerung weltweit inzwischen so stark durchgesetzt, dass die Entscheidungsträger dem Einzelnen bis zur Hälfte der Erträgnisse entziehen, um sie in irgendeiner Weise umzuverteilen, wobei sie ihr eigenes Wohlergehen nicht aus dem Blick verlieren. Da die einzelnen Staaten letztlich wie Individuen in Wettbewerb miteinander stehen und die allgemeine Globalisierung auch zu zahlreichen grenzüberschreitenden Vorgängen führt, ist allmählich neben dem sonstigen internationalen Recht auch ein internationales Steuerrecht entstanden.
Nach dem kurzen Vorwort des vorliegenden, von Ekkehart Reimer angeregten und im Wintersemester 2014/2015 von der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommenen Dissertation des 1981 geborenen, in Augsburg, Heidelberg sowie Bologna ausgebildeten und seit 2014 als Richter des Landgerichts Hamburg tätigen Verfassers wurzelt das moderne internationale Steuerrecht in den besonderen Fortschritten der 1920er Jahre, während derer das Deutsche Reich nur wenige Jahre nach dem Ende des ersten Weltkriegs bei der Bekämpfung der internationalen Steuerflucht einerseits und der internationalen Doppelbesteuerung andererseits weltweit eine Vorreiterrolle einnahm. Führend war dabei der in Berlin am 21. März 1887 als einziger Sohn eines von dem Judentum zum Christentum übergetretenen Sanitätsrats geborene, in Berlin, Freiburg im Breisgau, München und nochmals Berlin mit gutem Erfolg in der Rechtswissenschaft ausgebildete Franz Dorn, der rasch zu einem Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium des Deutschen Reiches und später zu dem Präsidenten des Reichsfinanzhofs aufstieg. Sein Leben und Wirken zeichnet die sorgfältige Untersuchung bestmöglich an Hand der verfügbaren Quellen in insgesamt fünf Kapiteln nach.
Sie betreffen Herbert Dorns Werdegang bis 1919, die Phase des Aufbruchs zwischen 1920 und 1924 unter besonderer Berücksichtigung von Dorns Beteiligung an den ersten deutschen Abkommen des internationalen Steuerrechts mit der Tschechoslowakei (1921) und der Schweiz (sowie Danzig) und Dorns Beitrag zur wissenschaftlichen Entfaltung des (internationalen) Steuerrechts als Dozent der Handelshochschule Berlin und als Mitherausgeber der Zeitschrift Steuer und Wirtschaft, die fruchtbarsten und erfolgreichsten Jahre zwischen 1925 und 1933 (Abkommen mit Russland, Italien, Dänemark, Schweden, den Niederlanden, der Schweiz, Luxemburg, England und den Vereinigten Staaten von Amerika), den Verlust aller Ämter infolge der nationalsozialistischen rassistischen Politik einschließlich der Emigration über die Schweiz und Kuba in die Vereinigten Staaten von Amerika und schließlich die bedingte Rückkehr nach Deutschland nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. In fünf Punkten bündelt dabei der Verfasser am Ende die bleibenden Verdienste Dorns. Der Anhang schließt die einschlägigen Schriften Dorns zwischen 1912 und 1957 (Der Prozessvergleich als Grundlage des Eigentumserwerbs an Grundstücken, Diss. jur. Würzburg 1914) ebenso benutzerfreundlich auf wie die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen seit 1869, so dass insgesamt ein überzeugendes Bild eines bedeutenden deutschen Steuerjuristen geschaffen ist.
Innsbruck Gerhard Köbler.