Köbler, Gerhard, Liber Exquisiti Xenii
KöblerKöbler20000805 Nr. 10163 ZRG 118 (2001)
Köbler, Gerhard, Liber Exquisiti Xenii. Lexikon frühmittelalterlicher Rechtswörter für Freunde frühmittelalterlicher Rechtsgeschichte (= Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft 46). Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft Verlag, Gießen 1999. XIV, 331 S.
Als die aus den Germanen erwachsenden Einzelstämme im Zuge der Völkerwanderung in das römische Weltreich eindrangen, kamen sie mit den Errungenschaften der römischen Zivilisation in engste Berührung. Sie sahen, dass die Römer schrieben und was sie schrieben. Das römische Vorbild wirkte so anregend, dass seit dem ausgehenden 5. Jahrhundert auch das Recht vieler bedeutender germanistischer Völkerschaften in einem liber, einem edictus, einem pactus oder allgemein einer lex schriftlich festgehalten wurde.
Da die Römer lateinisch schrieben und das richtige und damit verständliche Schreiben am leichtesten nach einer eingefahrenen, allgemeinen Übung geschieht, erfolgte auch die Niederschrift der germanistischen Volksrechte im Latein ihrer Zeit. Als früheste Zeugnisse germanistischen Rechts erweckten diese Texte seit Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem vergangenen Recht hohe Aufmerksamkeit. Sie bildeten gewissermaßen die Kronjuwelen im Hort der klassischen deutschen Rechtsgeschichte.
Mit dem Schwinden der Lateinkenntnisse im 20. Jahrhundert wurde es stiller um sie. Das Augenmerk der Forschung wandte sich neueren und bedeutenderen Gegenständen zu. Zu fremd erscheint diese versunkene Welt der Gegenwart.
Nicht um diese Entwicklung umzukehren, sondern um gleichwohl den Zugang zur Frühzeit noch etwas offen zu halten, legt der Verfasser seine früheren Einzelverzeichnisse zum Wortschatz der einzelnen Volksrechte erstmals zu einer alphabetisch geordneten, schätzungsweise 16000 Stichwörter und Verweise einschließenden Einheit verbunden vor. Auf dem Hintergrund des vom römischen Codex Theodosianus, 53 kleineren Rechtsquellen des Altertums und der lateinischen Bibel verwendeten spätlateinischen Wortschatzes werden alle lateinischen Wörter der Volksrechte der Westgoten, Burgunder, Langobarden, Salfranken, Ribvarier, Alemannen, Bayern, Sachsen, Thüringer, Chamaven und Friesen geboten. Ergänzt werden diese Quellen um die merowingischen Konzilien und Diplome sowie um die in den Editionsregistern der Kapitularien, karolingischen Konzilien, Konstitutionen und Formeln enthaltenen Nachweise.
Damit ist ein einfaches Nachschlagewerk über den frühmittelalterlichen Rechtswortschatz Mitteleuropas geschaffen. Vielleicht lässt es sich bei Gelegenheit um die Zeugnisse weiterer Quellen erweitern. Wünschenswert wäre es darüber hinaus, wenn den auf das klassische Latein bezogenen neuhochdeutschen Bedeutungsangaben eines Tages auch noch die vielfach davon abweichenden besonderen frühmittellateinischen Inhalte in neuhochdeutschem Gewand folgen könnten. Der Spatz in der Hand schließt die Taube auf dem Dach aber nicht in jedem Fall auf immer von der Ergreifung aus.
Innsbruck Gerhard Köbler