Rymaszewski, Zygfryd, Z badań nad organizacją sądów prawa polskiego

Rymaszewski, Zygfryd, Z badań nad organizacją sądów prawa polskiego w średniowieczu. Woźny sądowy [Zur Erforschung der Gerichtsorganisation des polnischen Rechts im Mittelalter. Der Gerichtsbote] (= Monografie prawnicze Akademii Leona Koźmińskiego. Historia prawa [Juristische Monographien der Akademie Leon Koźmiński. Rechtsgeschichte]). Wydawnictwa Akademickie i Profesjonalne Spółka z o.o. Warszawa 2008. 267 S. und Ders., Z badań nad organizacj&#26

Rymaszewski, Zygfryd, Z badań nad organizacją sądów prawa polskiego w średniowieczu. Woźny sądowy [Zur Erforschung der Gerichtsorganisation des polnischen Rechts im Mittelalter. Der Gerichtsbote] (= Monografie prawnicze Akademii Leona Koźmińskiego. Historia prawa [Juristische Monographien der Akademie Leon Koźmiński. Rechtsgeschichte]). Wydawnictwa Akademickie i Profesjonalne Spółka z o.o. Warszawa 2008. 267 S. und Ders., Z badań nad organizacją sądów prawa polskiego w średniowieczu. Czynności woźnego sądowego [Zur Erforschung der Gerichtsorganisation des polnischen Rechts im Mittelalter. Die Tätigkeiten des Gerichtsboten] (= Monografie prawnicze Akademii Leona Koźmińskiego. Historia prawa [Juristische Monographien der Akademie Leon Koźmiński. Rechtsgeschichte]). Wydawnictwa Akademickie i Profesjonalne Spółka z o.o. Warszawa 2010. 408 S. ISBN 978-83-61408-02-4 und ISBN 978-83-89437-90-7

 

 

Nachfolgend sollen zwei zusammengehörende und insgesamt über 600 Seiten umfassende Bände aus der Feder des renommierten polnischen Rechtshistorikers Zygfryd Rymaszewski[1] vorgestellt werden. Dieser analysiert auf der Grundlage umfangreicher mittelalterlicher Rechtsquellen das Amt des Gerichtsboten innerhalb der Gerichtsorganisation des polnischen Rechts im Mittelalter und zieht dabei auch Vergleiche zum römischen wie zum deutschen Recht.

 

Wenden wir uns zunächst dem ersten der beiden Bände zu, erschienen 2008. Auf das Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen (S. XI-XIX) sowie anderer Abkürzungen (S. XIX) folgt die Einleitung (S. 1-16), an die sich die in 8 Kapitel gegliederte umfassende und detaillierte Untersuchung zum Gerichtsboten anschließt. Das erste Kapitel (S. 17-37) beschäftigt sich mit dem Vorkommen des Terminus Gerichtsbote in lateinischen und polnischen mittelalterlichen Quellen zum polnischen Recht. Anhand ausgewählter Textstellen werden hier auch terminologische Mehrdeutigkeit und sprachliche Varianz verdeutlicht. Das folgende zweite Kapitel (S. 38-44) geht ausführlich auf die Quellengrundlagen der vorliegenden Untersuchung ein, vgl. hierzu auch Tabelle 1 (S. 236-237), welche die ausgewerteten Rechtsbücher auf der zeitlichen Achse und in ihrer regionalen Verankerung vorstellt.

 

Anschließend (Kap. 3: S. 45-58) wird der Stand der bisherigen Forschung zusammengefasst, um am Ende dieses dritten Kapitels (vgl. S. 57f.) in 6 Punkten die Desiderata der Forschungen zum Gerichtsboten zu benennen. Nach Ausführungen zur Berufung des Gerichtsboten ins Amt (Kap. 4: S. 59-104: Personalia), werden in Kapitel 5 (S. 105-152: Organisation) u. a. die Aufgaben des Gerichtsboten beleuchtet, wird sein Arbeitsplatz vorgestellt und werden auch Aussagen zur Dauer der Ausübung seiner Funktion gemacht, vgl. hierzu besonders die Tabelle S. 130f. mit Angaben zu den in den Quellen belegten Amtszeiten konkreter Gerichtsboten. Weitere Schwerpunkte dieses fünften Kapitels sind: Fragen der Erblichkeit des Amtes des Gerichtsboten, eine mögliche Hierarchie unter den Gerichtsboten sowie die Stellung des Gerichtsboten im eigenen Gericht. Auch folgenden Fragen geht der Autor nach: Wer vertritt einen Gerichtsboten? und Wer erteilt dem Gerichtsboten Aufträge? Das sechste Kapitel (S. 153-173) wendet sich den Einkünften des Gerichtsboten aus den ausgeübten Funktionen zu, Kapitel 7 (S. 174-189) beschreibt, wie die Haftung des Gerichtsboten gegenüber dem jeweiligen Herrscher geregelt war, und Kapitel 8 (S. 190-213) erläutert den rechtlichen Schutz des Gerichtsboten.

 

Schlussbemerkungen (S. 214-215), Resümees in polnischer (S. 216-217), englischer (S. 218-219), französischer (S. 220-221), deutscher (S. 222-223) und russischer (S. 224-225) Sprache sowie das ausführliche Literaturverzeichnis (S. 226-235) schließen den Band ab, gefolgt von 13 überaus aussagekräftigen Tabellen (S. 236-267), die eine Vielzahl von Daten gewonnener Erkenntnisse übersichtlich zusammenfassen, und dies nicht nur zu den Funktionen des Gerichtsboten im Allgemeinen. Besonders sei auf die Übersichten von aus den Quellen namentlich bekannten Gerichtsboten aufmerksam gemacht, vgl. die Tabellen 6 (S. 254-260), 7 (S. 261-263), 8 (S. 264-265) und 10 (S. 267). Tabelle 2 (S. 238-244) gibt Auskunft über die Arten der Tätigkeiten des Gerichtsboten bei Gericht. Alle Tabellen zu den Gerichtsboten enthalten neben Quelle und konkreter Textstelle auch die räumliche Verankerung der Quelle und das Jahr der Erwähnung des jeweiligen Gerichtsboten.

 

Die von den Gerichtsboten ausgeübten Funktionen und Tätigkeiten werden im zweiten Band besprochen, erschienen 2010. Der Autor legt hier eine ähnliche Struktur zugrunde wie im ersten, 2008 erschienenen Band. Vorangestellt sind wiederum das Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen (S. 13-17) sowie anderer Abkürzungen (S. 17) und die Einleitung (S. 19-21). Es folgen die beiden Hauptteile, von denen Teil 1 (S. 23-391) die dienstlichen Tätigkeiten des Gerichtsboten behandelt, Teil 2 (S. 393-402) den Gerichtsboten als Privatperson betrachtet, soweit dies aus den Quellen überhaupt ersichtlich war.

 

Entsprechend den in den Quellen belegten äußerst vielseitigen dienstlichen Tätigkeiten des Gerichtsboten, besteht der umfangreiche Teil 1 (S. 23-391) aus 22 Kapiteln. Hier wird in systematischer Bearbeitung die Vielfalt der Aufgabenbereiche und konkreten Tätigkeiten des Gerichtsboten vorgestellt, so u. a. bei Visitationen, beim Schwur, bei der Vollstreckung eines Urteils oder auch im Gericht ganz allgemein, im Landgericht im Besonderen sowie auch im Umgang mit anderen Gerichten.

 

Den Abschluss des zweiten Bandes bilden Schlussbemerkungen (S. 403-407) und Ergänzungen (S. 408) zur in Band 1 (2008) abgedruckten Bibliographie.

 

Für die vorliegende, überaus gründliche und systematische Analyse zum Gerichtsboten, seinen Funktionen und ausgeübten Tätigkeiten hat Z. Rymaszewski eine sehr große Zahl ganz unterschiedlicher mittelalterlicher Quellen ausgewertet, von erzählenden Quellen und Chroniken über Codices diplomatici, Rechtsaufzeichnungen und Rechtsbücher (vgl. Bd. 1, 2008, S. 5).

 

Innerhalb des vom Autor abgesteckten zeitlichen Rahmens vom Einsetzen der ersten Informationen über den Gerichtsboten in den Quellen vom Beginn des 13. Jh. bis hin zum Jahre 1506[2], teilweise noch einige Jahre darüber hinaus, wird der gesamten Untersuchung eine zeitlich und regional gegliederte Struktur zugrunde gelegt, die dem Benutzer eine gute Orientierung innerhalb der Bände sowie eine leichte Rezeption der für weitere Forschungen so nützlichen Ergebnisse der Untersuchung ermöglicht.

 

Z. Rymaszewski weist darauf hin, dass es an den Gerichten gewöhnlich mehrere Gerichtsboten gab. Daraus, dass einige von ihnen ministerialis magnus genannt wurden, könnte man evtl. schließen, dass es unter den Gerichtsboten eine Hierarchie gab. Allerdings geben die vom Autor ausgewerteten Quellen hierüber leider keine Auskunft. Aber Z. Rymaszewski verweist in diesem Zusammenhang auf A. Gąsiorowski, der feststellt, dass der Gerichtsbote, wenn er als Vertreter tätig war, magnus genannt wurde.

 

Ein generelles Phänomen, das nicht nur in mittelalterlichen Rechtstexten begegnet, sondern vielmehr typisch ist für die mittelalterlichen Quellen insgesamt, ist die terminologische Mehrdeutigkeit und sprachliche Varianz, die sich in den von Z. Rymaszewski untersuchten Quellentexten auch am Terminus des Gerichtsboten zeigt, vgl. die Ausführungen in Band 1 (2008), S. 21-23 sowie z.B. die polnischen Termini woźny, sługa, służebnik, pospólny poseł und podwojski für den Gerichtsboten (Bd. 1, 2008, S. 35). Unter lexikalischem Aspekt sind auch einige Tabellen interessant, so die Tabellen 3, 3a und 4 (Bd. 1, 2008, S. 245-248), denn hier wird die terminologische Vielfalt des Terminus Gerichtsbote in den Statuten Kasimirs des Großen (Kazimierz Wielki) gezeigt, in der lateinischen wie auch in der polnischen Terminologie.

 

Die in den beiden Bänden enthaltenen Belege zum Gerichtsboten verdienen ebenfalls in sprachvergleichender Hinsicht Aufmerksamkeit. So enthalten die von Z. Rymaszewski herangezogenen lateinischen Textstellen zum Gerichtsboten oftmals zusätzlich zum lateinischen Terminus eine Übersetzung ins Polnische. Auch begegnen Beispiele, wo ein (alt)polnischer Terminus, z.B. wlodar, heute poln. włodarz, dt. Bauernmeister (als weitere Entsprechungen sind poln. sołtys, starosta belegt), mit einer lateinischen Endung (-ius) versehen wird, im mittelalterlichen Text also wlodarius steht (Bd. 2, 2010, S. 43). Überhaupt hat der Autor neben der lateinischen, immer auch die polnische und deutsche Terminologie im Blick.

 

Im Ergebnis seiner akribischen Quellenstudien und unter Berücksichtung des aktuellen Standes der Forschung kann Z. Rymaszewski auf eine Reihe von Fragen konkrete Antworten formulieren, wenn auch noch nicht auf die nach der Genese des Amtes des Gerichtsboten, wohl aber auf die Fragen: Wer war der Gerichtsbote? und Welches waren seine Tätigkeitsfelder? Hierzu stellt der Autor resümierend fest:

 

- Der Gerichtsbote spielte in den Gerichten des polnischen Rechts des Mittelalters, ähnlich wie in anderen Staaten, eine bedeutende Rolle. Seine erste Erwähnung setzt mit dem Beginn des 13. Jh. ein. Zwar war der Gerichtsbote ein Gerichtsfunktionär der untersten Stufe, trotzdem war er unentbehrlich, denn nur wenn er anwesend war, konnte überhaupt eine Gerichtsverhandlung stattfinden.

 

- Gewöhnlich gab es an einem Gericht mehrere Gerichtsboten. Diese handelten ausschließlich auf Weisung des Gerichts. Man konnte sich auch mit der Bitte um Zuweisung eines Gerichtsboten an das Gericht wenden.

 

- Der Gerichtsbote war der einzige Beamte, welcher der Haarschur unterlag. Sein Arbeitsort waren Landgerichte und Amtsgerichte. Über eine mögliche Beteiligung von Gerichtsboten an Wojewodengerichten geben die bisher untersuchten Quellen keine Auskunft.

 

- Ernannt wurde der Gerichtsbote vom Monarchen, ab einer bisher noch nicht näher bestimmbaren Zeit auch vom Wojewoden. Der Unterschied zwischen den durch den Monarchen und den durch einen Wojewoden ernannten Gerichtsboten bestand in der territorialen Reichweite ihrer Tätigkeit: königliche Gerichtsboten, generelle Gerichtsboten, auch Generäle genannt, übten ihre Tätigkeit auf dem gesamten Staatsgebiet aus, dagegen ein vom Wojewoden ernannter Gerichtsbote lediglich in Land- und Amtsgerichten.

 

- Nachstehende lateinische Begriffe begegneten in den von Z. Rymaszewski ausgewerteten Quellen für den Gerichtsboten: officialis, ministerialis, preco, Letzterer vor allem in den masowischen Quellen. Für das Polnische sind woźny und służebnik belegt.

 

- Lediglich in Masowien sind unter den Gerichtsboten auch Adlige, ansonsten überwiegend nicht.

 

- Durch die Statute Kasimirs des Großen (Kazimierz Wielki) wird den Wojewoden die Gerichtsbarkeit über den Gerichtsboten übertragen. In der Praxis mussten sich die Gerichtsboten jedoch vor denjenigen Gerichten verantworten, in welchen sie ihre Funktionen ausübten.

 

- Fälle von Missbrauchsklagen gegen Gerichtsboten begegnen in den Quellen überaus selten. In den Statuten Kasimirs der Großen (Kazimierz Wielki) wurde die Tätigkeit der Gerichtsboten aber äußerst kritisch bewertet.

 

- Lediglich im masowischen Recht waren Gebühren für Verletzung oder Ermordung eines Gerichtsboten vorgesehen, und zwar für den Gerichtsboten in gleicher Höhe wie für Adlige, auch dann, wenn ein Gerichtsbote nicht adliger Herkunft war.

 

- Im Vergleich zum rechtlichen Schutz des Gerichtsboten in anderen in Polen vorhandenen Rechtssystemen, und zwar im sächsisch-magdeburgischen und im Kirchenrecht, bot das polnische Recht den Gerichtsboten einen bedeutend geringeren Schutz.

 

Zu loben ist neben den beachtlichen inhaltlichen Ergebnissen dieser gründlichen und systematischen Untersuchung auch die typographische Gestaltung der beiden Bände. So erfährt die detaillierte Gliederung des Inhalts durch unterschiedliche Schriftgrößen von Überschriften und Seitenzahlen zusätzlich eine gelungene Ordnung. Auch für die Kolumnentitel wurden originelle Orientierungsmöglichkeiten geschaffen. Hervorhebungen von Rechtstermini und Wortpaaren im Text erfolgen durch Sperrung. Besonders nutzerfreundlich sind die Zusammenfassungen am Ende der meisten Kapitel, ganz besonders aber die 13 Tabellen am Ende des 1. Bandes (2008), vgl. S. 236-267.

 

Nach der hier erfolgreich angewandten Methode hat Z. Rymaszewski bereits die Bearbeitung eines weiteren Instituts des mittelalterlichen Rechts in Polen vorgelegt, eine Untersuchung zum Sacharrest[3].

 

Leipzig                                                           Inge Bily

[1] Vgl. besonders Zygfryd Rymaszewski, Łacińskie teksty Landrechtu Zwierciadła Saskiego w Polsce [Die lateinischen Texte des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen]. Versio Vratislaviensis, Versio Sandomiriensis, Łaski (= Polska Akademia Nauk. Instytut Historii. Zakład historii państwa i prawa. Studia nad historią państwa i prawa. Seria II, t. XV). Wrocław, Warszawa, Kraków, Gdańsk 1975; ders., Łacińskie teksty Landrechtu Zwierciadła Saskiego w Polsce. Jaskier - tekst główny i noty marginesowe [Die lateinischen Texte des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen. Jaskier – Der Haupttext und Randbemerkungen] (= Acta Universitatis Lodziensis. Folia iuridica. 18). Łódź 1985; ders., W sprawie przekładu tekstu prawa starochełmińskiego z r. 1584 [Zur Übersetzung des Rechtstextes des Alten Kulm aus dem Jahre 1584]. In: Zapiski historyczne LV 2-3 (1990), S. 79-89; ders., Nieznany spis prawa chełmińskiego z przełomu XIV - XV wieku [Ein unbekannter Text des Kulmer Rechts am Übergang vom 14. zum 15. Jh.] (= Łódzkie Towarzystwo Naukowe. Societas scientiarum Lodziensis. Prace wydziału II. Nauk historycznych i społecznych. 95). Łódź 1993.

[2] Das Jahr 1506 gilt als Ende des polnischen Mittelalters.

[3] Zygfryd Rymaszewski, Areszt rzeczy jako zabezpieczenie wierzytelności w miastach Polski średniowiecznej [Der Sacharrest als Instrument zur Sicherung von Forderungen in den mittelalterlichen Städten Polens]. Łódź 2015. – Eine Rezension befindet sich in Bearbeitung.