Dejung, Christof, Die Fäden des globalen Marktes
Dejung, Christof, Die Fäden des globalen Marktes – Eine Sozial- und Kulturgeschichte des Welthandels am Beispiel der Handelsfirma Gebrüder Volkart 1851-1999. Böhlau, Köln 2013. 516 S., Ill. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Im Laufe der Geschichte hat der Mensch seinen Gesichtskreis vor allem durch die Erfindung unterschiedlichster Hilfsmittel mehr und mehr erweitert. Auch wenn in der römischen Antike das Mittelmeer bereits eine bedeutsame Drehscheibe des Handels bildete, gelang der Sprung zum weltweiten Handel eigentlich erst mit den neuzeitlichen Entdeckungen und Entwicklungen. Dampfschiffe und Eisenbahnen sowie Telegraphie erweiterten die Möglichkeiten im 19. Jahrhundert, Flugzeuge und Digitalisierung im 20. Jahrhundert nochmals in anfangs nicht vorhersehbarer Weise.
Mit einem eindrucksvollen Beispielsfall dieses Geschehens befasst sich die von Jürgen Osterhammel, Jakob Tanner, Christian Kleinschmidt und Clemens Wischermann geförderte, 2010 an der Universität Konstanz eingereichte, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft großzügig finanziell unterstütze Habilitationsschrift des 1968 geborenen, in Zürich in Geschichte, deutscher Literatur, Philologie und Sozialpsychologie ausgebildeten und zuletzt in Freiburg im Breisgau vertretenden Journalisten und Historikers Christof Dejung. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über das Netz des Handels und seine Fäden, globale Märkte als Resultat sozialer Handlungen, Handelsunternehmen, Handelsgeschichte als Teil der Globalgeschichte, politische Ökonomie, Unternehmenskultur und Quellenlage in vier Teile. Sie betreffen die Europäischen Expansionen des untersuchten Unternehmens beispielsweise von Winterthur nach Bombay oder von der Küste ins Hinterland, die Innenansichten der Unternehmerfamilie und ihrer Angestellten, die Enteuropäisierung des Globalen nach 1918 und die staatlichen Interventionen und multinationalen Handelsunternehmen der Folgezeit.
Im Ergebnis kann der Verfasser auf Grund eindringlicher, spannender Erkundungen anschaulich zeigen, wie das anfänglich familiäre Beispielsunternehmen Volkart auf Grund seiner unverzichtbaren besonderen Kenntnisse eine wesentliche Funktion als Mittler zwischen Pflanzern und Verarbeitern gewinnen und mittels Skalenertragserzielung und Transaktionskostensenkung ausbauen konnte. Kennzeichnend für das Schweizer Unternehmen waren dabei die vorsichtige Geschäftspraxis, der Verzicht auf Spekulation und das stete Bemühen der Einhaltung aller Vereinbarungen. Alle damit erzielten Erfolge, die das Unternehmen bis 1989 weltweit zum viertgrößten Baumwollhändler werden und sehr ansehnliche Gewinne einbringen ließen, konnten am Ende allerdings nicht verhindern, dass es 1989 seinen Handel mit Kaffee an die Erbgruppe verkaufte und 1999 den Baumwollhandel beendete, so dass es in der Gegenwart keine eigene Geschäftstätigkeit mehr betreibt, womit seine seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mühsam geknüpften vielen Fäden eines beachtlichen Netzwerks im globalen Markt letztliche Enden gefunden haben.
Innsbruck Gerhard Köbler