Manuscripta germanica

. Deutschsprachige Handschriften des Mittelalters in Bibliotheken und Archiven Osteuropas, hg. v. Breith, Astrid/Glaßner, Christine/Klein, Klaus/Schubert, Martin/Wolf, Jürgen (= Zeitschrift für deutsches Altertum Beiheft 15). S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2012. 249 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

Manuscripta germanica. Deutschsprachige Handschriften des Mittelalters in Bibliotheken und Archiven Osteuropas, hg. v. Breith, Astrid/Glaßner, Christine/Klein, Klaus/Schubert, Martin/Wolf, Jürgen (= Zeitschrift für deutsches Altertum Beiheft 15). S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2012. 249 S. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Der Sammelband fasst die Vorträge einer Tagung im März 2010 in Prag zusammen. Zu dieser Tagung hatten die Arbeitsstelle ‚Deutsche Texte des Mittelalters‘ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und das Masaryk Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik Altgermanisten, Archivare, Bibliothekare, Historiker und Handschriftenexperten aus Ländern, die ehemals Teil der historischen deutschen Sprachgebiete waren oder in denen deutschsprachige, mittelalterliche Handschriften verwahrt werden, zu Vorträgen und zur Teilnahme eingeladen. Ein ursprünglich beabsichtigtes Projekt zur Zusammenarbeit, das aus Mitteln der Europäischen Union finanziert werden sollte, wurde bedauerlicherweise nicht genehmigt. Dennoch sind derartige Vorhaben erforderlich und geeignet, um Wissenschaftlern den Zugang zu Quellen zu eröffnen, die über Jahrzehnte unzugänglich waren. Nicht zuletzt wird die Rechtsgeschichte von einem Zugang zu bislang unbekannten oder bekannten, aber bislang nicht erschlossenen Textzeugen von Rechtstexten profitieren. Die persönliche Bekanntschaft der beruflich mit den Handschriftenbeständen beschäftigten Personen, die durch derartige Tagungen gefördert wird, hilft gerade bei Beständen, deren rechtliche Zuordnung (leider) Gegenstand diplomatischer Bemühungen sein muss.

 

In sieben Länderberichten sind sechzehn Aufsätze zu den Ländern Estland, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn vereint. Die Aufsätze werden jeweils durch eine Zusammenfassung in der Landessprache abgeschlossen, die leider nicht auch ins Deutsche übersetzt sind. Die Beiträge berichten über den Handschriftenbestand und geben Ausblicke zu einer länderübergreifenden Bemühung um die Erschließung deutschsprachiger Handschriften. Die Bemühungen um eine digitalisierte Bereitstellung von Handschriften sind für die einzelnen Länder beschrieben. Den Berichten ist zu entnehmen, dass die Bemühungen in den Ländern zu den verschiedenen Aspekten unterschiedlich weit vorbereitet sind. Dies hängt nicht zuletzt mit dem Umfang der zu erschließenden Literatur zusammen. Die Erschließung der Bestände in Ungarn etwa wurde schon in den 1960er Jahren begonnen. In Estland finden sich namhafte Bestände in Tartu/Dorpat und Tallinn/Reval. Tiina Kala gibt einen thematischen Überblick der Bestände. Bereits länger sind die Kodizes des lübischen Rechts in Tallinn bekannt, sie erfuhren zwischenzeitlich eine sorgfältige Bearbeitung. Daneben gibt es Texte medizinischen Inhalts. Den Einbandfragmenten älterer Archivalien widmet man, was in Bibliotheken und Archiven leider selten ist, eine besondere Aufmerksamkeit. In Polen sind größere Bestände in Krakau/Kraków, Danzig/Gda´nsk, Teschen/Cieszyn, Kornik/Kórnik, Kattowitz/Katowice, Warschau/Warszawa und Breslau/Wroclaw sowie Thorn/Toru´n. Die beiden letzten Bibliotheken erhielten gesonderte Berichte. Hinweise auf Bestände und Benutzungsmöglichkeiten erleichtern die Planung wissenschaftlicher Nutzungen und zeigen auf, dass doch in Einzelfällen noch Hindernisse zu einer Erschließung zu überwinden sind. Ihre Benennung ist den Verfassern ehrenvoll anzurechnen, denn sie erwerben sich mit diesen Hinweisen im Heimatland, und dies gilt nicht nur für Polen, keine großen Sympathien. Die Liste zur Universitätsbibliothek Breslau/Wroclaw zeigt, dass die dort aufbewahrten juristischen Texte durch interne Beschreibungen gut erschlossen sind. Gerade am Beispiel Rumäniens zeigt es sich, dass dort noch erhebliche Bemühungen zur Erschließung notwendig sind. Bereits jetzt konnte über eine Handschrift berichtet werden, die 1947 noch in Alba Iulia gewesen sein soll, jedoch schon 1953 vermisst wurde, und sich heute in der Universitätsbibliothek in Frankfurt/Main befindet. Angesichts der Bemühungen um Provenienzforschung wäre auch der Zugang dieser Handschrift zu untersuchen. Den Handschriften in Russland, besonders in St. Petersburg und Moskau, widmen sich erfreulich ausführlich Autoren (S. 73-155). Hier zeigt sich dass schon im 19. Jahrhundert umfangreiche Sammlungen deutschsprachiger Texte entstanden, deren Inhalt jedoch nicht intensiv erschlossen ist. Erfreulich ist es, dass über Neuzugänge nach 1945 ausführlich berichtet wird; dadurch können viele Handschriften, die lange als verschollen galten, lokalisiert werden. Gerade an diesen Beispielen zeigt sich, dass die Herausgeber diesem Bande ein Handschriftenregister hätten beigeben sollen. Die Bemühungen, zu den russischen Bibliotheken weitere Kontakte zu pflegen, werden von der Berlin-Brandenburgischen Akademie und den Altgermanisten der Universität Marburg weiter gefördert. Über die deutsch-russischen Arbeitsgespräche berichten die Sonderschriften der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt in ihren Sonderschriften Nr. 43 und 45 (2012 und 2014). Ein neuer Band ist derzeit im Druck. Ralf G. Päsler berichtet in Ergänzung seiner Arbeiten zu ehemaligen Königsberger Handschriften über die erhaltenen Handschriften des ehemaligen Staatsarchivs Königsberg (S. 157-166), unter denen sich verschiedene Rechtshandschriften befinden. Die Handschriften der Slowakei behandeln die Beiträge von Sedivý und Papsonová (S. 167-193), die auch auf die Sprachgeschichte des Deutschen in der Slowakei eingehen. Im Referat über die Handschriften in der Tschechischen Republik berichten Stanislav Petr, Vaclav Bok und Michal Dragoun (S. 195-224) über Sammlungen und ihre reichen Bestände besonders in der Nationalbibliothek und im Nationalmuseum. Die besondere kodikologische Arbeit des Masaryk-Instituts und des Archivs der Akademie der Wissenschaften beschreiben Pavel Brodský und Martina Jeránková (S. 225-233). Den Band beschließt der Bericht des Nestors der Handschriftenforschung in Ungarn, András Vizkelety (S. 235-245), der sich besonders den Handschriften widmet, die sich in Bibliotheken in kirchlichem Besitz befinden. Das Ortsregister ist eine kleine Hilfe zur Erschließung des Inhalts, ein Handschriften- und Sachregister der erwähnten Texte hätten zu einer dauernden Erschließung der Beiträge wesentlich beigetragen.

 

Insgesamt richtet der Band die Aufmerksamkeit auf Aktivitäten, die eine nachhaltige EU-Förderung verdient hätten, und bei denen, anders als bei vielen EU-Förderprojekten, ein nachhaltiger Nutzen zu beobachten gewesen wäre.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz