Vierzig (40) Jahre Familienrechtsreform
Vierzig (40) Jahre Familienrechtsreform, hg. v. Isabell Götz/Klaus Schnitzler. Beck, München 2017, XII, 371 S. Besprochen von Werner Schubert.
Das erste Eherechtsreformgesetz (EheRG) von 1976 (in Kraft getreten am 1. 7. 1977) ersetzte die Verschuldensscheidung durch das Zerrüttungsprinzip und führte zugleich den Versorgungsausgleich ein und begründete als eigenständigen Zug der Zivilgerichtsbarkeit die Familiengerichte. Zum 40. Jahrestag dieser grundlegenden Reform des Ehescheidungsrechts liegt nunmehr von Isabell Götz (Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht München) und Klaus Schnitzler (Rechtsanwalt in Euskirchen) ein Sammelband mit 31 Beiträgen vor, die nicht nur die „vergangenen Jahre und Weiterentwicklung des Familienrechts, sondern auch einzelne aktuelle Probleme von heute in den Blick nehmen“ (S. V). Der Band beginnt mit einem Abschnitt „Zeitzeugen“ (S. 3-15) mit Beiträgen von Uwe Diederichsen, Dieter Schwab, Lore Maria Peschel-Gutzeit und Siegfried Willutzki, die man sich allerdings ausführlicher und stärker auf die Entstehungszeit des ersten EheRG bezogen gewünscht hätte. Willutzki stellt fest, dass aus seiner „richterlichen Perspektive die Einführung des Familiengerichts die bedeutendste Neuerung“ gewesen sei. Der Hauptteil beginnt mit dem Beitrag von Gabriele Britz: „Familienrechtsreform und Verfassungsrecht“ (S. 19-30), der einen Überblick über das Grundgesetz als „Motor der Reformgesetzgebung“ bringt. Im Folgenden befassen sich jeweils zwei Beiträge „mit einem Thema aus allen wesentlichen Bereichen des Familienrechts, der eine Beitrag jeweils aus einer generellen Warte, der andere bezogen auf aktuelle Einzelfragen aus der Praxis, wobei auch der Blick in die Zukunft gewagt wird“ (S. V). Erschlossen werden folgende Themenbereiche: Ehegattenrecht, Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 BGB, Begrenzung des nachehelichen Unterhalts, Ausbildungsunterhalt (§ 1610 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1603 Abs. 2 BGB), Elternunterhalt, Betreuungsunterhalt (§ 1651 l BGB), Zugewinn, Eheverträge, elterliche Sorge, Umgangsrecht, Versorgungsausgleich sowie nichteheliche und faktische Lebensgemeinschaften. Den Abschluss bilden Beiträge über das internationale Familienrecht sowie über minderjährige unbegleitete Flüchtlinge (sorge- und umgangsrechtliche Praxisfragen). Alle Beiträge enthalten jeweils eine Geschichte der Judikatur insbesondere des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zu den jeweiligen Rechtsbereichen und geben meist einen Ausblick auf aktuelle Probleme und Reformfragen mitunter unter Hinweis auf ausländische Entwicklungen (S. 152f. zum Elternunterhalt im Rechtsvergleich [Heinrich Schürmann]). Hingewiesen sei auf den Beitrag von Andreas Holzwarth: „40 Jahre Versorgungsausgleich – 40 Jahre Reformbedarf?“ (S. 295-310), in dem Holzwarth Strukturfragen des Versorgungsausgleichs nach dem Versicherungsausgleichsgesetz von 2009 – ein nur auf den ersten Blick klares und verständliches Gesetz (S. 310) – kritisch erläutert. Herbert Grziwotz gibt in seinem Beitrag: „Nichteheliche und faktische Lebensgemeinschaften – Entwicklung 40 Jahre – Ansprüche faktischer Lebensgemeinschaften“ (S. 325-335) einen Überblick über die rechtshistorische Entwicklung vom (früher verbotenen) Konkubinat über die wilde Ehe zur faktischen Lebensgemeinschaft sowie über die grundlegenden Entscheidungen des Gesellschafts- und Familiensenats zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Anatol Dutta fragt in seinen Untersuchungen: „Geregistreerd partnerschap oder „pacte civil de solidarité“ (S. 337-345), ob ein „optionales Beziehungssystem neben der Ehe“ benötigt würde (S. 337-345). Ausführlich erörtert werden das eheliche Alternativregime in den Niederlanden (seit 1998) und das eigenständige französische Alternativregime unter dem „Acronym PACS“ (1999). Erwünscht gewesen wäre noch ein längerer Überblicksaufsatz über die Entstehung des Gesetzes von 1976 und den folgenden familienrechtlichen Gesetzen (unter Einbeziehung der Parlamentsmaterialien), die Gegenstand der Einzelabhandlungen sind. Insgesamt vermitteln die Beiträge des Bandes auch den an den neuesten Entwicklungen des Familienrechts interessierten Rechtshistorikern einen guten Überblick über die Judikatur und die weiteren Reformüberlegungen zu wichtigen Bereichen des Familienrechts.
Kiel
Werner Schubert