Smith, Stephen A., Revolution in Russland
Smith, Stephen A., Revolution in Russland. Das Zarenreich in der Krise 1890-1928. Zabern, Darmstadt 2017. 496 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Russland geht auf die alte, ihrer Herkunft nach umstrittene Bezeichnung Rus für (germanistische) Stämme zurück, die vermutlich unter dem skandinavisch-warägischen Heerführer Rurik in slawischem Gebiet im 9. Jh. ein Reich um Kiew gründen. Dieses zunehmend slawisierte und christianisierte Reich zerfällt um 1125, wird aber unter Führung des Fürsten von Moskau zu einem autokratischen, nach Osten (Sibirien 1582) und Süden (Ukraine 1654) ausgreifenden Einheitsstaat (später mit Sankt Petersburg als Hauptstadt), der sich in dem 18. Jahrhundert dem Westen und der Aufklärung nähert (Katharina die Große). Im März 1917 wird in einer Revolution (Meuterei und Demonstration der Arbeiter am 27. 2. 1917, Februarrevolution, nach gregorianischem Kalender am 12. 3. 1917) der Zar gestürzt (Abdankung am 2. 3. 1917 bzw. nach gregorianischem Kalender am 15. 3. 1917, Republik) und eine bürgerliche Regierung eingesetzt.
Mit diesem Vorgang beschäftigt sich das vorliegende kompakte Werk des in Oxford seit 1970 in Modern History ausgebildeten, 1976/1977 in Moskau tätigen, danach in Essex und Florenz wirkenden, 2012 nach Oxford berufenen Verfassers. Seine beeindruckende Monographie gliedert sich in sieben chronologisch gereihte Abschnitte. Sie betreffen die Wurzeln der Revolution seit den 1880er Jahren, die Reformzeit von 1906 bis 1917, die Monate Februar bis Oktober 1917. den Bürgerkrieg mit dem Sieg der Bolschewiki, den Kriegskommunismus und die die neue ökonomische Politik in Politik, Wirtschaft und Kultur.
Nach der Einleitung ist das Buch, das sich nach dem Untertitel eigentlich auf das Zarenreich (in der Krise) beschränken oder zumindest konzentrieren will, in erster Linie für alle Leser geschrieben, denen die Revolution in Russland relativ unbekannt ist, doch führt es auch neuere Forschungen zusammen und will verschiedene herkömmliche Darlegungen hinterfragen. Dafür nutzt es zahlreiche neu zugängliche Quellen. Auf dieser Grundlage gelingen dem Verfasser in einem umfassenden zeitlichen Rahmen zahlreiche neue Einsichten in die utopischen Ziele der Revolutionäre und das vielfach daraus resultierende Unglück zahlloser Individuen, denen die versprochenen Ziele der Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit auf Grund des tatsächlichen Wesens menschlicher Machthaber und der daraus folgenden Machtausübung lebenslang versagt blieben.
Innsbruck Gerhard Köbler