Auslese der Starken – „Ausmerzung“ der Schwachen
Auslese der Starken – „Ausmerzung“ der Schwachen – Eugenik und NS-„Euthanasie“ im 20. Jahrhundert, hg. v. Hedwig, Andreas/Petter, Dirk (= Schriften des hessischen Staatsarchivs Marburg 35). Hessisches Staatsarchiv Marburg, Marburg 2017. 335 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wenn die allgemeinen Vorstellungen über das ältere Recht zutreffen, konnte nach der Geburt eines Menschen von den nächsten Verwandten nach losen Regeln über dessen Lebensrecht entschieden werden. Dem dürfte unter anderem unbewusst die spätere Einsicht zu Grunde gelegen sein, dass im Wettbewerb unterschiedlicher Variationen vorteilhafte Variationen bessere Aussichten haben als unvorteilhafte Variationen. Auf dieser Grundlage förderte der Nationalsozialismus die Starken und lehnte die Schwachen ab.
Mit dieser Thematik befasste sich am 8. und 9. Oktober 2015 eine von dem hessischen Staatsarchiv Marburg, der Gedenkstätte Hadamar des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, der Landeszentrale für politische Bildung und der historischen Kommission für Hessen veranstaltete Tagung. Deren Erträge stellt unter einer Einleitung Andreas Hedwigs der vorliegende Band der Allgemeinheit zu Verfügung. Die elf Beiträge betreffen dabei die Eugenik ,die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen und deren Folgen.
Dabei beginnt Uwe Kaminsky mit einer Studie über Eugenik als Sozialutopie und Gesellschaftspolitik und schließt Christina Vanja mit dem Erinnern an die nationalsozialistische Euthanasie nach 1945. Dazwischen werden etwa betrachtet die Rassenhygiene im medizinischen Diskurs während der Weimarer Republik, die Zwangssterilisation, der „Rassenhygieniker“ Wilhelm Pfannenstiel, die Patientenmorde, das Verhältnis zwischen Planwirtschaft und Krankenmord, die Tötungsanstalt Hadamar, die Aufarbeitung, die Strafverfolgung sowie die Opfer, Akteure und Strukturen in dem ehemaligen Regierungsbezirk Kassel. Der abschließende Katalogteil veranschaulicht die in diesem Rahmen angesprochenen vielfältigen Fragen und Probleme in eindrucksvoller Weise durch insgesamt 73 Abbildungen.
Innsbruck Gerhard Köbler