Koppermann, Ilona, Verwechslungsgefahr im Urheberrecht
Koppermann, Ilona, Verwechslungsgefahr im Urheberrecht. Nomos, Baden-Baden 2017. 363 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Der Titel dieser interessanten und vor allem dogmatisch ansetzenden Studie „Verwechslungsgefahr im Urheberrecht“, eine Freiburger Dissertation, (Betreuer: Thomas Dreier), verspricht weit weniger als das Werk und die Analyse dann im Einzelnen liefern. Denn untersucht wird in Teil 1 die Verwechslungsgefahr im Markenrecht, im zweiten. Teil die im Lauterkeitsrecht und erst im dritten Hauptabschnitt dann die Frage nach der Verwechslungsgefahr im Urheberrecht. Die Querschnittsuntersuchung zum deutschen Recht bietet vor allem eine sehr präzise Darstellung zum gegenwärtigen Stand eines Begriffs, dessen Verständnis und Funktion in den drei Teilgebieten des Immaterialgüterrechts von den normativen Voraussetzungen, den Kriterien her und in ihren Zusammenhängen analysiert werden. Urheberrecht und Markenrecht werden als Steuerungsinstrumente des Wettbewerbsrechts verstanden. Das Urheberrecht schütze die Leistung als solche vor Wettbewerb, die Marke sei eine Rechtszuteilung, um die Leistung unterscheidbar zu machen.
Die Verfasserin geht, wenn auch etwas knapp, auf den historischen Ursprung des Zeichenwesens ein. Die ökonomischen und rechtlichen Funktionen unterliegen einem sozialgeschichtlichen und gesellschaftlichen Wandel. Während die Reglementierung im Mittelalter eine territoriale Wirtschaftsfürsorge des Staates zu Zeicheneintragungen führte, sei es in der merkantilistischen Ära auch oder primär um staatliche Qualitätskontrolle gegangen.
Ob auch das Urheberrecht vor Verwechslungsgefahr schütze, gehört mit zu den Fragestellungen, bei denen hier zunächst die Unterschiede zwischen Markenrecht und Lauterkeitsrecht in den Blick genommen werden. Die Unterschiede zwischen der Ansicht des Bundesgerichtshofs, der eine empirische Rechtfertigung aufrecht erhalte zur Begründung eines größeren Schutzumfangs, und der Ansicht des Gerichtshofs der europäischen Union, der sich von normativen Erwägungen leiten lasse, werden verdeutlicht. Ob man starke Marken allerdings mit Kunstwerken und deren weiten Schutzbereich insoweit vergleichen oder womöglich gleichsetzen kann, erscheint fraglich (siehe S. 122). Denn dass den Marken „große Leistungen“ zugrunde liegen (die Verfasserin bezieht sich auf Berneke WRP 2007, 1417ff.), ist wohl tatsächlich und rechtlich nicht zwingend. Die Differenzen zwischen Zeichenrecht und Urheberrecht werden insoweit ohne Not eher eingeebnet. Die künstlerischer „Leistung“ und ihr Schutz scheinen sich doch von Norm, Schutzzweck und Ausgestaltung, aber auch von faktischen Ausgangspositionen her von der „Leistung“ im Markenwesen grundsätzlich zu unterscheiden.
Die Verwechslungsgefahr nach UWG – so die Verfasserin - führe im Verhältnis zu dem Markenrecht zu Rechtsunsicherheiten. Hier muss wohl bedacht werden, dass die UGP-Richtlinie 2005 Schutzzweck und Auslegung bei Markenrecht und Unlauterkeitsrecht vereinheitlicht hat oder dies jedenfalls das Ziel ist.
Für das Urheberrecht findet die Verfasserin die vor Verwechslungsgefahr schützenden Tatbestände potentiell in Tatbeständen der §§ 12, 13, 14, 16, 23ff., 51 UrhG. Da das persönlichkeitsrechtliche Moment sich hier manifestiert, sind die Berührungspunkte eher peripher. Für Vergleiche zum Markenrecht bleiben wenige Spielräume. Nicht überraschend ist, um ein Beispiel herauszugreifen, das Ergebnis zum Zitatrecht (S. 337ff.). Denn in diesem Bereich bestehen zum Markenrecht keine Ähnlichkeiten oder Parallelen. Der vergleichsweise knappe Hinweis, dass im spanischen Recht die Verwechslungsgefahr ein Kriterium etwa zur Bewertung von Parodien ist oder dass im französischen Recht diese Gefahr als Voraussetzung gesehen wird, scheint mir nicht zwingend zu der Überlegung zu führen, dass rechtspolitisch dies in gleicher Weise ins deutsche Urheberrecht einzuführen wäre (S. 347). Die deutsche Judikatur spricht meines Erachtens mit guten Gründen dagegen. Das Problem würde damit dogmatisch.-normativ nicht besser gelöst, sondern in die Frage verschoben, welche Kriterien für eine allfällige Norm dann verlangt werden. Das Schweizer Recht hat die Parodie normativ als zulässig geregelt. In Deutschland hat diese Lösung die Rechtsprechung entwickelt. Die Ergebnisse sind überzeugend und interessengerecht.
Die außerordentlich detaillierte, bei den unterschiedlichsten Normgrundlagen jeweils ansetzende luzide Vergleichsstudie bezieht sich primär auf die innerdeutschen Rechtsgebiete Markengesetz und UWG und hat hier erheblich höhere Relevanz. Im Urheberrecht vermag die Frage wohl primär bei dem sog. Plagiat, bei der abhängigen Bearbeitung oder sonstigen illegalen Nutzung eine Rolle zu spielen. Wer aber würde ernstlich einen Brecht-Text, der in einem Stück von Heiner Müller aus einleuchtenden Gründen eingebaut wurde, wie im Falle Germania 3, mit dem Text des Dramatikers verwechseln? Das Kritierium Verwechslungsgefahr spielt keine Rolle.
Da geht es vielmehr eher um die eventuelle Reichweite des Zitatrechts, um die Bedeutung der Kunstfreiheit und eben um Probleme, wie sie sich neuerdings beim Sampling stellen und großenteils von dem Bundesverfassungsgericht („Metall auf Metall“) entschieden worden sind, wenn auch letztlich der Bundesgerichtshof und dann wohl wieder das Bundesverfassungsgericht oder gar der Gerichtshof der europäischen Union die urheberrechtliche Frage bei modernen Kunstformen lösen werden muss.
Für die Fälle der Parodie, der Travestie oder einer vergleichbaren Nutzung von Werken Dritter ist die diskutierte „Verblassenstheorie“ ohnehin obsolet. Denn faktisch und rechtlich ist bei einer Parodie die Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werkes zwingende Voraussetzung, die Zulässigkeit wird aber von der Judikatur seit langem bejaht, auch wenn die wesentlichen Züge des übernommenen Werkes gerade nicht „verblassen“. Hier ist ja auch der Vergleich zu dem amerikanischen Recht aufschlussreich (siehe dazu Stuhlert: Die Behandlung der Parodie im Urheberrecht. Eine vergleichende Untersuchung der Behandlung von Parodien im Urheberrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika. München 2002). In den Vereinigten Staaten von Amerika wird interessanterweise und im Ergebnis sehr überzeugend mehr auf die ökonomische Substituierbarkeit der vergleichbaren „Produkte“ oder Werke abgehoben. Die Werkgestaltung spielt gegenüber der Frage des Wettbewerbs im Markt eine etwas geringere Rolle.
Für die Dogmatik des Immaterialgüterrechts sind die in der Untersuchung vorgestellten Parallelen und Überschneidungen von großem Interesse. Dabei wird deutlich, dass im europäischen Recht die Herkunftsfunktion für Verwechslungstatbestände maßgebend ist. Zudem ist eine weitere Erkenntnis, dass die europäische Rechtsvereinheitlichung in diesem Bereich noch keineswegs alle Gebiete durchdringt oder auch nur annähernd als abgeschlossen angesehen werden könnte.
Für das Urheberrecht bringt das Fazit allerdings nur relativ geringfügige Ergebnisse. Und für die Rechtspraxis ist mit den jeweiligen Schlussfolgerungen, wie mir scheint, wenig gewonnen. De lege ferenda sind für den Bereich des Urheberrechts insoweit Gesetzesänderungen verzichtbar. Dass Markenrecht und Lauterkeitsrecht sich teilweise überschneiden und ergänzen, wird einmal mehr sichtbar. Ob man die Bewertungskriterien aus dem einen Gebiet in das andere übernehmen könnte oder sollte, wird man offen lassen müssen. Wenn die Verfasserin aufklärende Hinweise bei der Beurteilung markenrechtlicher Verwechslungsgefahr bevorzugt gegenüber abstrakter Prüfung, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen, ist ihr ohne weiteres zuzustimmen. Wenn sie andererseits fürs Markenrecht auf „markenmäßige“ Benutzung verzichten möchte, rüttelt sie doch an bislang ehernen Säulen des Zeichenrechts. Sie hält eine Reform für dringend notwendig, um den Abweichungen und Konkurrenzen eine schärfere Kontur zu geben. Das ist jedenfalls sehr diskutabel.
Die Arbeit vermag die besonders komplexen Konstellationen sehr gut und systematisch mit besonderem Sinn für feinsinnige Differenzierungen darzustellen. Sie sieht ihr Ergebnis wegen der gemeinsamen Einbindung in den Wettbewerb selbst als „wenig überraschend“ an (S. 345). Für den Bereich des Urheberrechts sind die Berührungspunkte mit den beiden anderen untersuchten Bereichen doch letztlich so gering, dass der Erkenntnisgewinn eben zwangsläufig auch recht mager ausfällt.
Schließlich ist zum dritten Teil beiläufig noch hinzuweisen auf Abschnitte zur historischen Entwicklung des Urheberrechts. Für die Fragestellung „Verwechslungsgefahr im Urheberrecht“ ergibt sich hier aber im Grunde nichts Neues. Der historische Theorienstreit oder die jeweiligen Begründungen für Urheber-, Design- und Markenschutz verblassen, wenn das europäische Recht die Schutzhöhen, wie geschehen, weit herabsenkt. Zur Einheit des Werkbegriffs in Europa ist es noch ein sehr weiter Weg. Das gilt, rechtsvergleichend betrachtet, was in dieser Arbeit gar kein Schwerpunkt ist, mutatis mutandis auch für Begriff, Funktion und Kriterien der Verwechslungsgefahr.
Freiburg im Breisgau/Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen