Ergänzungen und Nachträge (1934-1942)
Ergänzungen und Nachträge (1934-1942) – Protokolle und Materialien der Ausschüsse für Filmrecht, das Recht der Handelsvertreter, Bodenkulturrecht, Wehrstaatsrecht, Arbeits- und Arbeitsschutzrecht und Völkerrecht, hg. v. Schubert, Werner (= Akademie für Deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse 22). Lang, Frankfurt am Main 2015. 777 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
In der überaus verdienstvollen Reihe der Dokumentationen der Protokolle der Ausschüsse der „Akademie für Deutsches Recht“, die der Kieler Rechtshistoriker Werner Schubert seit Jahren erschließt, ediert und einleitet, sind wichtige Ergänzungen und Nachträge aus den Jahren 1934 bis 1942 erschienen. Sie ergänzen Materialien, indem sie als Nachträge zu fünf schon publizierten Bänden fungieren, weil sie in den früheren Bänden noch nicht berücksichtigt werden konnten.
Die Protokolle des Unterausschusses für das Recht der Handelsvertreter sind aus dem Jahre 1939 leider nicht überliefert. Man kann jedoch auf den Entwurf des Ausschusses zurückgreifen, der 1940 über die Beratungen informierte.
Das wichtige Material des Arbeitsrechtsausschusses hat sich in Protokollen nicht erhalten. Doch liegen immerhin die Entwürfe für ein Arbeitsverhältnis- und ein Arbeitsvertragsgesetz vor. Die dazu gebotenen Referate Alfred Huecks und H. C. Nipperdeys sind besonders aufschlussreich. Zum Arbeitsschutzgesetz haben sich immerhin eine Beratungsgrundlage und der Entwurf für ein Betriebsschutzgesetz erhalten.
Von erheblicher Bedeutung sind nicht nur rechtshistorisch, wie Schubert zurecht anmerkt, die Materialien des Ausschusses für Bodenkulturrecht, weil sie sich mit ökologischen Fragen befassen. Teile der Protokolle sind daher in dem Ergänzungsband versammelt.
Über die Kooperation mit österreichischen Juristen und die Bemühungen um Rechtsangleichung im Aktienrecht informiert das Protokoll eines Sonderausschusses. Andere Protokolle betreffen das Wehrstaatsrecht, das allgemeine Vertragsrecht, Enteignungsrecht, Strafrecht und Strafvollstreckung u. a. Weitere Ergänzungen beziehen sich auf das bekanntlich als besonders wichtig angesehene Volksgesetzbuch, doch sind auch bei anderen Rechtsgebieten Lücken zu beklagen, weil die Protokolle bisher nicht aufgefunden wurden oder, wahrscheinlich, sich nicht erhalten haben.
Der Sammelband enthält Protokolle des Filmrechtsausschusses, die aus Platzgründen in Band IX nicht enthalten sind. Die Besetzung dieses Ausschusses wechselte aus Gründen, die nicht immer ohne weiteres zu klären sind. Dass Arnold Raether, vor 1933 Geschäftsführer der UFA und dann exponierter Nationalsozialist, 1935 wegen Korruption aller Ämter verlustig ging und im Ausschuss durch den Präsidenten der Reichsfilmkammer Oswald Lehnich ersetzt wurde, ist bemerkenswert. Lehnich hat den Ausschuss und seinen Unterausschuss in Anwendung des „Führerprinzips“ auch weitgehend nach eigenen Präferenzen zusammengesetzt und betont, dass die Mitglieder möglichst keine Interessentenpositionen zu vertreten hätten, sondern sich mit der Fassung eines neues Entwurfs aus sachlichen Gründen, freilich unter NS-Perspektiven zu befassen hätten. Dass dennoch Interessenstandpunkte zum Ausdruck und zum Tragen kamen, war ersichtlich unvermeidlich. Das ergab sich schon aus der Einladung, bei der Vertreter früherer Verbände und Institutionen und explizite Interessenvertreter berücksichtigt wurden und dann zu Wort kamen. Wir begegnen in diesem Feld einer Reihe von bekannten Namen wie Georg Roeber, Willy Hoffmann, Julius Kopsch, Bruno Pfennig, Hans Weidemann, Herbert Kühnemann und Hans Otto de Boor, der sich in Marburg, Leipzig und Göttingen unter unterschiedlichsten Regimes mit einflussreichen Beiträgen profilierte. Die Vorarbeiten zur Urheberrechtsreform sind deswegen immer noch von aktueller Bedeutung, weil manches oder vieles der Akademieberatungen und Entwürfe der 1930er Jahre für die Beratungen der Referentenentwürfe zur Urheberrechtsreform seit 1954 sehr wichtig wurde, auch in das Urhebergesetz von 1965 einging (das übrigens fast wörtlich dem neuen Urhebergesetz der Deutschen Demokratischen Republik entsprach, wenn auch mit anderer ideologischer Begründung und einigen bezeichnenden Abweichungen) und somit bis heute relevant ist, wenn es um die Entstehungsgeschichte, Motive und die spätere Rezeption geht. Die personelle Kontinuität lässt sich, wenn man einige Namen der Ausschüsse und Unterausschüsse betrachtet, nicht nur bei diesem Bereich konstatieren. Hans Otto de Boor etwa war in der Akademie für Deutsches Recht ein ebenso bestimmendes und maßgeblich, seit 1933/4 an Diskussionen mitwirkendes Mitglied wie nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Beratungen für das neue Urhebergesetz 1965 (s. dazu Isabella Löhr in: Biographisches Handbuch des Geistigen Eigentums, hg. v. Apel, Simon/Pahlow, Louis/Wiessner, Matthias, 2017, S. 71-75).
Wie Carl Schmitt in der Akademie des Deutschen Rechts mitwirkte, auch im Unterausschuss für Filmrecht, hat der Rezensent kürzlich in einem Beitrag zu einer noch nicht anzuzeigenden Festschrift untersucht, welche zu Ehren eines Urheberrechtlers und Rechtshistorikers Mitte 2017 vorliegen wird und eine Vorstudie und Teil einer vorbereiteten Monografie darstellt. Darauf kann hier immerhin bereits verwiesen werden.
Im Ausschuss für das Handelsvertreterrecht stößt man auf die bekanntesten Namen: Rolf Dietz, Wolfgang Hefermehl, Alfred Hueck, Heinrich Lehmann, H. C. Nipperdey, Arthur Nikisch, Walter Schmidt-Rimpler, um nur einige zu nennen, welche jedem Studierenden bis heute meist sehr vertraut sind. Der Herausgeber hat, soweit möglich, auch schon in früheren Bänden, zu den personellen Zusammensetzungen und zu den Lebensläufen, auch für die Zeit nach 1945 Wichtiges ermittelt und zusammengestellt. Das Engagement der juristischen Prominenz aus Bürokratie, Partei, Praxis und Wissenschaft in der Akademie ist hier ablesbar, auch wenn in einigen Fällen auf frühere Bände verwiesen wird.
Für die rechtshistorische Forschung werden hier weitere unentbehrliche Unterlagen bereit gestellt. Sie sind besonders bedeutsam, weil man nicht nur aus Büchern und Artikeln der Protagonisten der 1930er und 1940er Jahre die Positionen und Entwicklungen erschließen, sondern auch „hinter die Kulissen“ anhand der stenografischen Mitschriften von Beratungen blicken kann. Die Beratungen waren vertraulich. Eine Weitergabe an die Presse war verboten. Was sich in zeitgleichen oder späteren Veröffentlichungen dazu wiederfand, bedurfte der amtlichen Veröffentlichungserlaubnis. Deswegen sind neben den Wortprotokollen zuweilen auch Materialien, eigene Entwürfe und Begründungen für das Recht der Handelsgesellschaften, das Arbeitsrecht und Urheberrecht von hohem Rang. In diesem Raum konnten sich die Teilnehmer relativ offen zu ihren Ansichten bei den Problemlagen und Fragestellungen äußern und Konflikte austragen. Die Protokolle zeigen auch, dass manches, was sich sonst nur mühsam indirekt oder durch verstreute Quellen ermitteln lässt oder durch mehr oder weniger zweifelhafte Ego-Dokumente oder oft unzuverlässig Zeugenbefragungen, mittels stenografischer Niederschriften leichter zu erforschen ist.
Der Entwurf über die Rechtsverhältnisse der Handelsvertreter und Handelsreisenden vom November 1939 (S. 303 ff.) liegt, wenn auch ohne Begründung, vor. Die bei der Rechtsreform so dominierende Rolle, Funktion und Bedeutung H. C. Nipperdeys ist offenkundig (S. 309). Der Entwurf für das Handelsvertretergesetz von 1940 hat sich ebenfalls erhalten (S. 357ff). Dem Arbeitsrechtsausschuss 19371938 gehörten auch Wolfgang Siebert und weitere neue Mitglieder an. Es ist daher stets im Auge zu behalten, dass sich die Diskussionen personell und inhaltlich im Laufe der Jahre durchaus unterschiedlich entwickelten. Im Ausschuss für Arbeitsrecht von 1941 finden sich neben den schon erwähnten Namen auch die von Hedemann oder Kaulbach, letzterer unter denen, die dem Rezensenten, wie manch andere Persönlichkeit aus den Jahren nach 1957ff., noch zum Teil persönlich begegnet sind bei Richtern, Gerichts- oder OLG-Präsidenten (Kaulbach z. B. war Kammergerichtsrat vor 1945, nach 1945 dann Senatspräsident in Karlsruhe). Der Einfluss Wolfgang Sieberts, nach dem Zweiten Weltkrieg nach einem Zwischenspiel als gefragter Repetitor wieder Ordinarius in Göttingen, auf die arbeitsrechtliche Entwicklung und Debatten wird gleichfalls sehr deutlich.
Aus der Vielzahl der interessanten Dokumente sind Nachträge zur Strafrechtsabteilung herauszuheben, S. 705ff. Hier vermitteln die Anträge Otto Thieracks, der Hans Frank in der Akademie ablöste, zu den Richtlinien der Strafrechtsreform krasse Paraphrasierungen, Konkretisierungen und Entwicklungen der nationalsozialistischen Anschauungen für die geplante und radikalisierend durchgeführte Strafrechtsveränderung. Ähnliches gilt für frühes Archivmaterial zur Strafvollstreckung mit Beiträgen Thieracks und des aus zahlreichen Prozessen der Weimarer Republik auf Seiten der Rechten wirkenden prominenten Rechtsanwalts Luetgebrune, jetzt auch SA-Gruppenführer. Ein „Gemeinschaftsfremdengesetz“ befasst sich mit Unfruchtbarmachung.
Bei Jugendlichen, deren Einordnung in die Volksgemeinschaft nicht zu erwarten sei, sollte nach Strafverbüßung die „Überweisung an die Polizei“ erfolgen (Nachtrag zu Bd. VIII), was man wohl als normativ zwingend vorgesehene Einweisung in ein Konzentrationslager auslegen darf.
Auch die Zusammensetzung des Ausschusses für Völkerrecht lässt sich der Veröffentlichung entnehmen (mit so bekannten Namen wie Ritterbusch, Carl Schmitt, Ribbentrop, Bilfinger, Scheuner, Gerber u. a.).
Wie bisher werden die Bände aufs Beste durch Register der Ausschussmitglieder, Redner und Vortragenden sowie durch Sachregister erschlossen und durch Quellenhinweise. Schuberts instruktive Einleitung verweist teilweise auf weiterführende Literatur.
Die Protokolle der Ausschüsse der Akademie sind in nunmehr 22 Bänden von Werner Schubert in vorbildlicher und für die recht historische Forschung unentbehrlicher Art und Weise erschlossen worden. Bereits in Band 5 ging es um das Recht des Handelsstandes und der Handelsgeschäfte, in Band 7 um Strafprozessrecht und Strafrechtsangleichung, die hier jetzt präsentierten Ergänzungen sind vor allem für die Einschätzung der Ausschussarbeiten betreffend gewerblichen Rechtschutz, Urheber- und Verlagsrecht sowie Kartellrecht (Band 9) relevant. Gewiss sind einige Archivverluste zu beklagen. Dennoch werden auch mit dieser Dokumentation Strukturen und Entwicklungen besser sichtbar. Nicht alle Protokolle der Sitzungen unter dem Vorsitz Nipperdeys zum Handelsrecht haben sich erhalten. Hervorzuheben ist, dass hier auch die Rechtslage der nebenberuflichen arbeitnehmerähnlichen Personen diskutiert worden ist. Nipperdey und Dietz haben im Übrigen 1940 auch noch eine Denkschrift zum Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Handelsvertreter und Handelsreisenden vorgelegt. Das nunmehr ergänzende Material vermittelt den Eindruck, dass bei den Handelsvertretern der Schutz des wirtschaftlich Abhängigen und ein Sozialschutz in Vordergrund standen. Auch bei den Reformarbeiten zu Beginn der 1950ger Jahre begegnen wir dann eine Reihe ehemaliger Mitglieder des Akademieausschusses (S. 12). In ähnlicher Weise wie bei dem neuen Urheberrechtsgesetz von 1965 führten die Beratungen nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem neuen Handelsvertreterrecht in dem Handelsgesetzbuch, das weitgehend auf dem Ausschussentwurf vom 1940 basierte (S. dazu Detlev Schmidt: Die Reform des Rechts der Handelsvertreter, 1995). Das Arbeitsvertragsgesetz wurde 1934/1935 neu entworfen. Dieser Bereich ist in der Zwischenzeit durch eine Reihe von Forschungsarbeiten (u. a. von Thilo Ramm, Andreas Kranig, Martin Becker) vergleichsweise gut erforscht. Wolfgang Sieberts Einflüsse auf das Arbeitsrecht und das künftige Arbeitsrecht sind ab 1935 besonders spürbar. Im Ausschuss für Bodenkulturrecht ging es vor allem um die Entwicklung eines einheitlichen Verbandsrechts. Wer die bisherigen 22 Bände, jedenfalls immer wieder in Ausschnitten oder zu Teilbereichen, benutzt hat, wird auch diese Ergänzungen und Nachträge aus den Jahren 1934 bis 1942 besonders begrüßen. Denn sie liefern in allen Abschnitten wichtige inhaltliche und personelle Ergänzungen. Wie etwa im Arbeitsrecht die Begründung zum Betriebsschutzgesetz ausgefallen ist, verweist auf materiellrechtliche Änderungen wie auf ideologische Aufladungen, wenn etwa „die durch den nationalsozialistischen Umbruch geänderte Auffassung vom Wesen der Arbeit“ (S. 479) an das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit Anschluss finden soll mittels der „Sorge für das Wohl der Gefolgschaft als die edelste Pflicht des Betriebsführers“. So wie bekannteste Arbeitsrechtler sich für das System aus Überzeugung, aus Karrieregründen, aus Opportunismus oder Zwängen engagierten, so wurden auf dem Hintergrunde der von Hans Frank geleiteten Akademie umfängliche jahrelange Diskussionen um das künftige nationalsozialistische Recht geführt – mit allen seinen Wirkungen auf Rechtspolitik, Gesetzgebung, Wissenschaft, Ausbildung und Rechtspraxis, mit einem besonderen Schwerpunkt im Handelsrecht und Arbeitsrecht. Der Betriebsschutz sollte wie bei dem Jugendschutzgesetz und der Arbeitszeitordnung auf alle Beschäftigungsverhältnisse ausgedehnt werden.
Wenn auch Teilbereiche der Akademiearbeiten inzwischen erfasst und erforscht sind, bleiben doch, auch für die rechtshistorische Forschung, noch zahlreiche unbearbeitete Felder. Eine bisher recht empfindliche Lücke ist jetzt mit dieser neuen Protokollpublikation soweit wie möglich in wiederum kompetentester Weise geschlossen worden. Das Werk bietet mit den personellen und inhaltliche Registern und einem Verzeichnis der Quellenorte wiederum einen großartigen Fundus für gegenwärtige und künftige Forschungen.
Freiburg im Breisgau/Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen