Lehnhardt, Jochen, Die Waffen-SS
Lehnhardt, Jochen, Die Waffen-SS – Geburt einer Legende. Himmlers Krieger in der NS-Propaganda (= Krieg in der Geschichte 100). V&R, Göttingen 2017. 629 S., 18 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Spätestens seit der Entstehung des Selbstbewusstseins sorgt sich der Mensch auch um seinen Ruf. Im Zweifel wünscht er sich ihn besser als die in dem Zusammenleben mit den Mitmenschen ablaufende Wirklichkeit, weil ihm ein möglichst guter Ruf bei der Erreichung der von ihm angestrebten Ziele behilflich sein kann. Deswegen schreckt er notfalls vor einer Legendenbildung ebensowenig zurück wie vor der Enthüllung der Wahrheiten anderer, obgleich nach dem Vorspruch des vorliegenden Buches im Krieg die Wahrheit das erste Opfer ist.
Obwohl es nach der Einleitung des Verfassers zu dem Druck seiner von Sönke Neitzel angeregten und betreuten, von der Universität Mainz 2015 angenommenen Dissertation nun schon mehr als 75 Jahre her ist, dass Adolf Hitlers Wehrmacht Polen überfiel, besteht auch in der Gegenwart von der Waffen-SS ein festgefügtes Bild, das sie allgemein als elitäre, gut gerüstete, aber nationalsozialistisch ideologisierte Kampftruppe sieht, berühmt-berüchtigt durch ihren Fanatismus in der Schlacht und ihre Kriegsverbrechen. Dem widerspricht beispielsweise aber, dass Sönke Neitzel bei exemplarischen Vergleichen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Spitzenverbänden von Heer und Waffen-SS etwa hinsichltich der Häufigkeit der Frontverlegungen einzelner Divisionen, der Bewaffnung oder der verliehenen höheren Orden feststellen konnte, so dass der Ursprung des Bildes in der Darstellung der Waffen-SS durch die nationalsozialistische Propaganda vermutet werden kann. Dem geht der Verfasser in vier Abschnitten über Grundlagen, die Organisation der deutschen Kriegspropaganda, die Kriegspropaganda der SS, Inhaltsanalysen und einen Ausblick nach.
Diese Fragestellung hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Arbeit des Verfassers das besondere Interesse eines sachkundigen Rezensenten erweckt. Möge es seiner kritischen Einschätzung überlassen bleiben, wie wirksam die Waffen-SS selbst an der Entstehung und Verbreitung des Bildes als höchst effektiver militärischer Elite gearbeitet hat. Deswegen genügt es an dieser Stelle, dass der Herausgeber auf das Erscheinen der umfangreichen Studie aufmerksam macht.
Innsbruck Gerhard Köbler